Internationale Maifestspiele Wiesbaden: 30.04. bis
31.05.2018
Ennui
– Geht es immer so weiter? mit Peter Simonischek und der Franui
Musicbanda,
Staatstheater Wiesbaden, 11.05.2018
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Peter Simonischek (Foto: Staatstheater Wiesbaden) |
Langeweile als unterhaltsames Divertimento
„Geht das immer so weiter?“, fragt der Sprach- und Sprechkünstler Ernst Jandl (1925-2000) in Leise Unruhe (1982-1989), natürlich über den Rezitator Peter Simonischek (*1946), und resümiert: „Ach ginge es doch immer so weiter!“, um fortzufahren: „Vielleicht wird es besser, vielleicht wird es ja besser? … Nein, es wird nicht besser!“ Ein resignierter Blick auf die Weltläufte, der das gesamte Programm des Abends beherrscht.
Ursache für alle Unbilden ist die Langeweile: „Was
Wunder, dass es rückwärts geht mit dieser Welt!“, leitet Simonischek seine
Brechtsche Moritat ein und erklärt die Ursache allen Übels auf dieser Welt mit
der allseits grassierenden Langeweile. Langeweile bereits bei den Göttern, die
deshalb die Menschen auf diese Erde gesetzt haben, Langeweile in der Bibel, im
Koran und der Thora, in der Geschichtsschreibung, der Literatur, in Wissenschaft
und Ausbildung. Kurz: Langeweile regiert die Welt. Simonischek spricht mit
sonorer Stimme, sein Ton schwankt zwischen Verzweiflung und Zuversicht,
zwischen Ironie und Lamento. Er spricht Textpartikel von Arthur Schopenhauer, Søren
Kierkegaard, Georg Büchner, Blaise Pascal, aber auch von Ernst Jandl, Hans Magnus
Enzensberger, Eckhard Henscheid oder John Cage. Ernstes und nicht so Ernstes,
Bonmots und Geistreiches.
Dazu die Franui
Musicbanda aus dem österreichischen Dorf Innervillgraten, einer Ortschaft
im Tiroler Bezirk Lienz, aus dem alle zehn Instrumentalisten stammen. Deshalb
auch erwähnenswert, weil sich ihr Name aus einer Almwiese oberhalb des
Dorfes, in 2300m Höhe gelegen, ableitet.
Wer denkt da nicht an die Biermösl Blosn,
ein musikalischer Familienbetrieb aus dem Bayerischen Günzlhofen, deren Name
sich auf das Haspelmoor in der Nähe von Fürstenfeldbruck zurückführt. Auch
sonst gibt es Parallelen: Kabarett und beißende Gesellschaftskritik, Tradition
und Moderne eingebettet in Folklore und virtuose Eigenkompositionen,
messerscharfer Witz und intelligente Boshaftigkeit.
Franui
spielte Divertimenti von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) und Eric Satie
(1866-1925), aber auch Einwürfe von Franz Schubert (1797-1828, ihrem
„Hausheiligen“), Béla Bartók (1881-1945) und John Cage (1912-1992). Freie musikalische
Untermalungen und hauseigene Bearbeitungen für Tuba (Andreas Fuetsch), Hackbrett (Bettina
Rainer), Posaune (Martin Senfter),
Akkordeon (Markus Kraler), Harfe und
Zither (Angelika Rainer) sowie
Klarinette (Johannes Eder), Saxophon
(Romed Hopfgartner), Trompete (Markus Rainer, Andreas Schett) und
Violine (Nikolai Tunkowitsch).
Die Wechsel von Musik und Rezitation gelangen
kurzweilig und passend. Franui versteht sich als „Umspannwerk“ zwischen
Klassik, Folklore und zeitgenössischer Musik. Arrangements, kompositorische
Interpretationen und geschickte rhythmische und stilistische Abwechslung zwischen Tango, Ländler, Marsch, Choral sowie Trauer und Freude: halteben
Divertissements im besten Sinne der Unterhaltung und des Zeitvertreibs.
Und die Moral von der Geschicht´? Natürlich John
Cages (1912-1992) Zen-Weisheit aus seiner Schrift The Empty Mind: „Wenn es dir nach zwei Minuten langweilig ist, dann
probier es vier Minuten. Wenn es dir nach vier Minuten immer noch langweilig
ist, dann probier es acht Minuten. Wenn es dir nach acht Minuten … usw.“
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Franui Musicbanda (Foto: Staatstheater Wiesbaden) |
Eine runde, unterhaltsame Lesung mit Musik, bei der
es nie langweilig wurde, mehr aber auch nicht. Ennui (Langeweile) als
Aufforderung, der Langeweile nachzugeben, um wieder an die Ursprünge des Lebens
anknüpfen zu können. Denn, erinnern wir uns, die Götter haben die Menschen aus
Langeweile auf den Globus gesetzt.
Bei aller Wertschätzung der Programmauswahl,
des Rezitators und hundertmaligen "Jedermann" Verkörperers, Peter Simonischek, und der musikalischen Qualität der Franui Musicbanda
unter Markus Kraler und Andreas Schett, kam alles doch eher brav und ein Tic zu
unterhaltsam herüber. Es fehlten Biss,
Gschmäh, Hinterlist und ein wenig Schadenfreude, was die Thematik durchaus hergegeben
hätte. Daran konnten auch die bunten mit Watte gefüllten Mozartischen Plexiglaswürfel nichts ändern.
Die abschließende Zugabe, ein Trauermarsch für den
„Anlassfall“ (gemeint dem Anlass der Thematik Ennui angemessen) mit dem Text: „Lasst´s obi, Lasst´s obi, die Ganes!“
(aus dem Ladinischen übersetzt: „Lasst sie unten, lasst sie unten, die Hallodri“), konnte da
lediglich noch ein Schmunzeln hervorkitzeln. Trotzdem viel Beifall und ein sehr
zufriedenes Wiesbadener Festival-Publikum.
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