Rudolf
Buchbinder (Klavier) und das Kammerorchester der Münchner
Philharmonie, Alte Oper Frankfurt, 08.05.2018 (Eine Veranstaltung von PRO ARTE
Frankfurt)
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Rudolf Buchbinder und das Kammerorchester der Münchner Philharmonie (Foto: Judith Kissel/PRO ARTE) |
Mozart als Avantgardist seiner Zeit
Drei außergewöhnliche Klavierkonzerte, die Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) in seiner wohl erfolgreichsten Zeit in Wien zwischen 1784 und 1785 schrieb: drei von insgesamt neun aus diesen zwei Jahren. Rudolf Buchbinder (*1946) und das Kammerorchester der Münchner Philharmonie haben sie ausgesucht, um die Vielfältigkeit und Modernität von Mozarts Kompositionsstil unter Beweis zu stellen sowie die Lebendigkeit und Aktualität einer Musik zu demonstrieren, die noch heute jeden Vergleich mit zeitgenössischer Musik standhält.
Drei
Klavierkonzerte, Nr. 17 in G-Dur
(1784), Nr. 20 in d-Moll (1785) und Nr. 21 in C-Dur (1785) in einer
innovativen, man möchte fast behaupten avantgardistischen Bandbreite
komponiert, die bereits die klassische Sonatenform und die harmonische Tonsetzung
am Ende des 18. Jahrhunderts an den Rand des damals Möglichen treiben.
Rudolf Buchbinder, in seiner Eigenschaft als
Dirigent und Solist, hat mit dem Kammerorchester der Münchner Philharmonie ein
Ensemble gefunden, dass einem Mozart (er schrieb die Konzerte weitgehend für
sich selbst und haderte oft mit den schlechten Orchestern) das Herz höherschlagen gelassen hätte. Die knapp 30 Instrumentalisten schafften vor allem in den
langen Vor- und Zwischenspielen eine gewaltige sinfonische Dichte und das Zusammenspiel
mit Buchbinders Klavierparts zeugte immer von tiefem gegenseitigem Verständnis,
was sich, nebenbei bemerkt, durch das sehr sparsame Dirigat lediglich bestätigte.
Großartig der dritte Satz von Nr. 17 (KV 453), dem Allegretto,
Presto, ein Variationensatz von fünf in Rhythmus, Tonart und Charakter sehr
unterschiedlichen Abschnitten, der in
eine Presto-Coda mündete, quasi in ein Opernfinale,
das durchaus an Le Nozze di Figaro
erinnerte. Das hoch virtuose Wechselspiel zwischen Hörnern, Klavier und
Streichern geriet hier zu einem idealen musikalischen Diskurs.
Nicht von ungefähr wurde Nr. 21 (KV 467) vor Nr. 20.
(KV 466) gesetzt. Nur vier Wochen später entstanden, zählt es zum Kontrapunkt seines
doch düsteren Vorgängers. Mit heiterer Thematik, einer unendlichen Melodie im Andante und einen finalen Rondo, das in
jubelnden Akkorden von Orchester und Klavier endet, erinnerte es in vielerlei
Hinsicht an Filmmusik. Nicht von ungefähr wurde das kantable Andante im Film Elvira Madigan Das Ende einer großen Liebe
(1967) verwendet. Ohne Pedal, akzentuiert und von feiner Eleganz kommunizierte
Buchbinder mit seinen hochmotivierten Instrumentalisten, die mit allen seinen
Stimmungen bestens vertraut waren.
Nr.
20
d-Moll (KV 466) ist in einer Tonart
geschrieben, die Mozart sonst nur noch in seinem Requiem KV 626 sowie der Ouvertüre
und dem Auftritt des Komturs in Don
Giovanni gebraucht hat. Diese Tonart steht für größte Ausdruckskraft und Dramatik
wie auch für Ernst und Feierlichkeit. Hier sind schon deutliche Zeichen auf das
Schaffen Beethovens zu erkennen und Buchbinder, der ja bekanntlich als
Beethoven Spezialist weltweites Renommee erworben hat, spielte dieses „unvergleichliche
Konzert“ (Mozarts Vater Leopold soll dies nach der Uraufführung im Wiener
Casino „Zur Mehlgrube“ gesagt haben) mit klassischer Klarheit, brillanter
Technik, perlender Leichtigkeit, romantischem Kolorit und großem Werkverständnis,
der ihn auch schon in seinen Beethoven-Sonaten und Beethoven-Klavierkonzerten
auszeichnet.
Rudolf Buchbinder und das Kammerorchester der Münchner Philharmonie (Foto: Judith Kissel/PRO ARTE) |
Nicht wirklich düster, ohne charakteristische
Melodie wechseln die Tonarten zwischen Dur und Moll. Eigenständige Orchesterpassagen
und Begleitfunktion des Soloklaviers, hervorgehobene Bläserpartien und
Solokadenzen von Beethoven höchstpersönlich (Beethoven selbst schätzte dieses Werk
und spielte es öffentlich) lassen dieses Opus durchaus als Durchbruch in eine
andere Epoche erscheinen. Mozart wendet sich ab vom allgemeinen Geschmack der
Zeit und findet zur ganz persönlichen Freiheit des Künstlers. Buchbinder und
seine Kammermusikanten waren dabei die besten Vertreter, diesen Wandel
musikalisch hörbar und erfahrbar zu machen.
Ein Konzertabend, der Mozart in einem ganz neuen,
einem modernen, fast schon avantgardistischen Licht erscheinen ließ. Rudolf
Buchbinder und das Kammerorchester der Münchner Philharmonie haben es möglich
gemacht.
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