Mittwoch, 9. Mai 2018


Rudolf Buchbinder (Klavier) und das Kammerorchester der Münchner Philharmonie, Alte Oper Frankfurt, 08.05.2018 (Eine Veranstaltung von PRO ARTE Frankfurt)


Rudolf Buchbinder und das Kammerorchester der Münchner Philharmonie (Foto: Judith Kissel/PRO ARTE)

Mozart als Avantgardist seiner Zeit


Drei außergewöhnliche Klavierkonzerte, die Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) in seiner wohl erfolgreichsten Zeit in Wien zwischen 1784 und 1785 schrieb: drei von insgesamt neun aus diesen zwei Jahren. Rudolf Buchbinder (*1946) und das Kammerorchester der Münchner Philharmonie haben sie ausgesucht, um die Vielfältigkeit und Modernität von Mozarts Kompositionsstil unter Beweis zu stellen sowie die Lebendigkeit und Aktualität einer Musik zu demonstrieren, die noch heute jeden Vergleich mit zeitgenössischer Musik standhält.


Drei  Klavierkonzerte, Nr. 17 in G-Dur (1784), Nr. 20 in d-Moll (1785) und Nr. 21 in C-Dur (1785) in einer innovativen, man möchte fast behaupten avantgardistischen Bandbreite komponiert, die bereits die klassische Sonatenform und die harmonische Tonsetzung am Ende des 18. Jahrhunderts an den Rand des damals Möglichen treiben.

Rudolf Buchbinder, in seiner Eigenschaft als Dirigent und Solist, hat mit dem Kammerorchester der Münchner Philharmonie ein Ensemble gefunden, dass einem Mozart (er schrieb die Konzerte weitgehend für sich selbst und haderte oft mit den schlechten Orchestern) das Herz höherschlagen gelassen hätte. Die knapp 30 Instrumentalisten schafften vor allem in den langen Vor- und Zwischenspielen eine gewaltige sinfonische Dichte und das Zusammenspiel mit Buchbinders Klavierparts zeugte immer von tiefem gegenseitigem Verständnis, was sich, nebenbei bemerkt, durch das sehr sparsame Dirigat lediglich bestätigte.

Großartig der dritte Satz von Nr. 17 (KV 453), dem Allegretto, Presto, ein Variationensatz von fünf in Rhythmus, Tonart und Charakter sehr unterschiedlichen Abschnitten, der in eine Presto-Coda mündete,  quasi in ein Opernfinale, das durchaus an Le Nozze di Figaro erinnerte. Das hoch virtuose Wechselspiel zwischen Hörnern, Klavier und Streichern geriet hier zu einem idealen musikalischen Diskurs.

Nicht von ungefähr wurde Nr. 21 (KV 467) vor Nr. 20. (KV 466) gesetzt. Nur vier Wochen später entstanden, zählt es zum Kontrapunkt seines doch düsteren Vorgängers. Mit heiterer Thematik, einer unendlichen Melodie im Andante und einen finalen Rondo, das in jubelnden Akkorden von Orchester und Klavier endet, erinnerte es in vielerlei Hinsicht an Filmmusik. Nicht von ungefähr wurde das kantable Andante im Film Elvira Madigan Das Ende einer großen Liebe (1967) verwendet. Ohne Pedal, akzentuiert und von feiner Eleganz kommunizierte Buchbinder mit seinen hochmotivierten Instrumentalisten, die mit allen seinen Stimmungen bestens vertraut waren.

Nr. 20 d-Moll (KV 466) ist in einer Tonart geschrieben, die Mozart sonst nur noch in seinem Requiem KV 626 sowie der Ouvertüre und dem Auftritt des Komturs in Don Giovanni gebraucht hat. Diese Tonart steht für größte Ausdruckskraft und Dramatik wie auch für Ernst und Feierlichkeit. Hier sind schon deutliche Zeichen auf das Schaffen Beethovens zu erkennen und Buchbinder, der ja bekanntlich als Beethoven Spezialist weltweites Renommee erworben hat, spielte dieses „unvergleichliche Konzert“ (Mozarts Vater Leopold soll dies nach der Uraufführung im Wiener Casino „Zur Mehlgrube“ gesagt haben) mit klassischer Klarheit, brillanter Technik, perlender Leichtigkeit, romantischem Kolorit und großem Werkverständnis, der ihn auch schon in seinen Beethoven-Sonaten und Beethoven-Klavierkonzerten auszeichnet. 

Rudolf Buchbinder und das Kammerorchester der Münchner Philharmonie (Foto: Judith Kissel/PRO ARTE)


Nicht wirklich düster, ohne charakteristische Melodie wechseln die Tonarten zwischen Dur und Moll. Eigenständige Orchesterpassagen und Begleitfunktion des Soloklaviers, hervorgehobene Bläserpartien und Solokadenzen von Beethoven höchstpersönlich (Beethoven selbst schätzte dieses Werk und spielte es öffentlich) lassen dieses Opus durchaus als Durchbruch in eine andere Epoche erscheinen. Mozart wendet sich ab vom allgemeinen Geschmack der Zeit und findet zur ganz persönlichen Freiheit des Künstlers. Buchbinder und seine Kammermusikanten waren dabei die besten Vertreter, diesen Wandel musikalisch hörbar und erfahrbar zu machen.

Ein Konzertabend, der Mozart in einem ganz neuen, einem modernen, fast schon avantgardistischen Licht erscheinen ließ. Rudolf Buchbinder und das Kammerorchester der Münchner Philharmonie haben es möglich gemacht.

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