Freitag, 25. Mai 2018


Internationale Maifestspiele Wiesbaden: 30.04. bis 31.05.2018

Joyce DiDonato (Mezzosopranistin) und das Ensemble Il Pomo d´Oro im Staatstheater Wiesbaden, 24.05.2018

Joyce DiDonato (Foto: Staatstheater Wiesbaden)

Wer möchte sich nicht für den Frieden entscheiden?


„In War & Peace, Harmony Through Music“ lautete die Message der nicht nur in der Musik sehr engagierten, 1969 in Kansas-USA geborenen Mezzosopranistin, Joyce DiDonato. Mit einem Brief, vorab verteilt an alle Besucher des 'Galaabends' im vollbesetzten Staatstheater Wiesbaden dankte sie allen Gästen für ihr Kommen und wünschte ihnen Frieden in einer aufgewühlten chaotischen Welt: „Ich leiste Widerstand!“ bekennt sie sich darin und fragt, ob es möglich sei, in einem ohrenbetäubenden Chaos zu wirklich dauerhaftem Frieden zu finden. Nur die Kunst, so ihr Fazit, könne Grenzen überwinden und ihre musikalische Auswahl sei ein Versuch, „die steilen Stufen zum Frieden mutig zu erklimmen“.


Und die musikalische Auswahl aus Georg Friedrich Händels (1685-1759), Henry Purcells (1659-1695) und Leonardo Leos (1694-1744) Opern sowie diverse musikalische Intermezzi von Emilio de Cavalieri (1550-1602), Carlo Gesualdo (1566-1613) und Arvo Pärt (*1935) hatte es in sich. Ein ausgeklügeltes, in sich stimmiges und harmonisches Programm, das im ersten Teil des Abends den Krieg, im zweiten den Frieden zum Leitthema hatte.

Zunächst ist die Bühne in graues dämmriges Licht gehüllt. Ein Tänzer erhebt sich bei leichtem Hintergrundrauschen vom Bühnenboden, holt einem Götterboten gleich das Ensemble Il Pomo d´Oro ab und geleitet es zu ihren Plätzen. Joyce DiDonato erscheint aus dem Hintergrund, im Rokokostyle und mit kriegerischem Rot-Blau geschminkt, und beginnt mit Händels Arie der Storgè aus seiner Oper Jephtha (1752).

Mit „Schreckensbilder groß und bleich …“ stellte DiDonato gleich eine der fünf von ihr an diesem Abend besungenen Heldinnen in den Mittelpunkt des Geschehens. Nahtlos gefolgt von der Verzweiflungsarie der Andromache aus der gleichnamigen Oper von Leonardo Leo. „Nimm diesen Stahl, Barbar, und schlachte ein unschuldiges Kind!“, schreit sie ängstlich ihrem unsichtbaren Peiniger Pyrrhus ins Gesicht. Zerrissene, geschundene, leidende, intrigante, verzweifelte Heldinnen der Antike. Es folgten noch der Sterbegesang der Dido aus Purcells Dido and Aeneas (1689), „Deine Hand Belinda …“, das drohende, von Bosheit begleitete „Bring meinen Sohn an die Macht!“ von der intriganten Kaiserin Agrippina aus der gleichnamigen Oper Händels (1709) sowie das „Lass mich mein grausames Schicksal beweinen!“, die Arie der Almira aus Händels Rinaldo (1711), eine der berühmtesten Sarabanden, die jemals aus Händels Händen geflossen ist. Ein hinreißend gesungenes Lamento mit zurückhaltender Begleitung des Ensembles, grau weiß gehaltenen Videoeinblendungen und engelhafter Tanzeinlage von Manuel Palazzo.

Der zweite Teil des Abends stellte den Frieden in den Fokus. Mit Purcells Arie der Inka-Prinzessin Orazia aus The Indian Queen (1695), eine kantable, sehnsuchtsvolle Melodie zu „Man sagt uns, dass ihr großen Mächte des Himmels himmlische Wonnen versprechen …“,  wechselt die Sängerin auch äußerlich in eine silbergraue, schulterfreie, faltenreiche Robe, bei dezenter, farbloser Gesichts- und Hautornamentik. Barfüßig mit pastoraler Szenerie besingt sie dann die Naturidylle in der Arie der Susanna aus Händels gleichnamiger Oper (1749). „Kristallklare Bäche, linde Lüfte verbreiten Jasmindüfte …“ werden von drei Blockflöten begleitet, deren betörender Vogelgesang zwischen Amsel und Nachtigall den Vogelkundler und Komponisten Olivier Messiaen bestimmt größte Freude bereitet hätte. Hervorzuheben sei hier Anna Fusek, die auf ihrer Piccoloflöte ein prächtiges Vogelkonzert hervorzauberte.

Nach einem Klangflächenzwischenspiel von Arvo Pärt folgten noch zwei Arien aus Händels Rinaldo: „Vöglein, die singen …“, und Ariodante (1735): „Nach einer dunklen Nacht voller Schrecken …“, mit schwierigsten Koloraturen und stürmischen Effekten, stummem Feuerwerk auf Video und heroischen Tanzeinlagen. Der rasende Applaus wollte kein Ende nehmen.

Joyce DiDonato (Foto: Staatstheater Wiesbaden)

Eine Galashow, die auch ohne Message auskommt


Mit zwei Zugaben und einer flammende Rede über Krieg und Frieden, wobei für DiDonato das Gegenteil von Krieg nicht Frieden sondern Kreativität bedeutet, sowie der hoffnungsvollen Versicherung (mit einem Seitenhieb auf Donald Trump), dass auch "nach der dunkelsten Nacht immer wieder die Sonne aufgeht", verabschiedete sich DiDonato mit Richard Strauss´ wunderbarem Lied Morgen (1894), mit Text von John Henry Mackay (1864-1933): „Und morgen wird die Sonne wieder scheinen, und auf dem Weg, den ich gehen werde, wird uns, die Glücklichen, sie wieder einen, inmitten dieser sonnenatmenden Erde.“ 
Dieses Liebeslied, von DiDonato mit tiefer Innerlichkeit vorgetragen, schenkte übrigens Richard Strauss seiner Braut Pauline de Ahna zur Hochzeit am 10. September 1894.

Ein Abend mit einer hochdramatischen Mezzosopranistin, Joyce DiDonato, die es verstand, eine stimmliche Mischung zwischen Bosheit, Enttäuschung und hingebungsvoller Lyrik auf die Bühne zu bringen, einem 20-köpfigen Orchester unter der musikalischen Leitung des hochmotivierten Maxim Emelyanychev, das auf den barocken Instrumenten selten gehörte Klangfarben erzeugte und die Sängerin mit engagierter und sensibelster Anteilnahme begleitete, einem Tänzer, Manuel Palazzo, der bescheiden und überaus ästhetisch die Stimmungen auf der Bühne kommentierte, sowie einem Team unter der Regie von Ralf Pleger (unter seiner Regie entstand übrigens der weltbekannte Film: The Florence Foster Story mit Joyce DiDonato in der Hauptrolle, 2016), Henning Blum (Licht) und Yousef Iskandar (Video), das ganz im Sinne von Il Pomo d´Oro (genannt nach der monströsen Oper von Antonio Cesti, komponiert für die Hochzeit von Leopold I. und Margarita Teresa von Spanien im Jahre 1666), mit aufwendigen abstrakten Videoeinblendungen, Kostümwechseln und szenischer Performance ein durchkomponiertes, sehr abwechslungsreiches und kurzweiliges Event boten. Ob denn die Message ´rübergekommen ist, sei dahingestellt, denn rein musikalisch geriet der Krieg spannender und variabler als der Frieden, der die stimmlichen Grenzen von DiDonato vor allem in den Koloraturen offenlegte. 

In War & Peace wird seit 2016 an den renommiertesten Konzerthäusern der Welt mit großem Erfolg gezeigt. Eine Galashow, die durchaus auch ohne Message ihre Wirkung hinterlassen würde – und, zumindest im Wiesbadener Staatstheater, sie auch hat.

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