Internationale
Maifestspiele Wiesbaden: 30.04. bis 31.05.2018
Joyce
DiDonato (Mezzosopranistin) und das Ensemble Il Pomo d´Oro im Staatstheater
Wiesbaden, 24.05.2018
Joyce DiDonato (Foto: Staatstheater Wiesbaden) |
Wer möchte sich nicht für den Frieden entscheiden?
„In War & Peace, Harmony Through Music“ lautete die Message der nicht nur in der Musik sehr engagierten, 1969 in Kansas-USA geborenen Mezzosopranistin, Joyce DiDonato. Mit einem Brief, vorab verteilt an alle Besucher des 'Galaabends' im vollbesetzten Staatstheater Wiesbaden dankte sie allen Gästen für ihr Kommen und wünschte ihnen Frieden in einer aufgewühlten chaotischen Welt: „Ich leiste Widerstand!“ bekennt sie sich darin und fragt, ob es möglich sei, in einem ohrenbetäubenden Chaos zu wirklich dauerhaftem Frieden zu finden. Nur die Kunst, so ihr Fazit, könne Grenzen überwinden und ihre musikalische Auswahl sei ein Versuch, „die steilen Stufen zum Frieden mutig zu erklimmen“.
Und die musikalische Auswahl aus Georg Friedrich Händels
(1685-1759), Henry Purcells (1659-1695) und Leonardo Leos (1694-1744) Opern
sowie diverse musikalische Intermezzi von Emilio de Cavalieri (1550-1602),
Carlo Gesualdo (1566-1613) und Arvo Pärt (*1935) hatte es in sich. Ein ausgeklügeltes,
in sich stimmiges und harmonisches Programm, das im ersten Teil des Abends den
Krieg, im zweiten den Frieden zum Leitthema hatte.
Zunächst ist
die Bühne in graues dämmriges Licht gehüllt. Ein Tänzer erhebt sich bei
leichtem Hintergrundrauschen vom Bühnenboden, holt einem Götterboten gleich das
Ensemble Il Pomo d´Oro ab und
geleitet es zu ihren Plätzen. Joyce DiDonato erscheint aus dem Hintergrund, im
Rokokostyle und mit kriegerischem Rot-Blau geschminkt, und beginnt mit Händels Arie der Storgè aus seiner Oper Jephtha (1752).
Mit „Schreckensbilder groß und bleich …“ stellte
DiDonato gleich eine der fünf von ihr an diesem Abend besungenen Heldinnen in den
Mittelpunkt des Geschehens. Nahtlos gefolgt von der Verzweiflungsarie der Andromache aus der gleichnamigen Oper von
Leonardo Leo. „Nimm diesen Stahl, Barbar, und schlachte ein unschuldiges Kind!“,
schreit sie ängstlich ihrem unsichtbaren Peiniger Pyrrhus ins Gesicht.
Zerrissene, geschundene, leidende, intrigante, verzweifelte Heldinnen der
Antike. Es folgten noch der Sterbegesang
der Dido aus Purcells Dido and Aeneas
(1689), „Deine Hand Belinda …“, das drohende, von Bosheit begleitete „Bring
meinen Sohn an die Macht!“ von der intriganten Kaiserin Agrippina aus der gleichnamigen Oper Händels (1709) sowie das „Lass
mich mein grausames Schicksal beweinen!“, die Arie der Almira aus Händels Rinaldo (1711), eine der berühmtesten
Sarabanden, die jemals aus Händels Händen geflossen ist. Ein hinreißend
gesungenes Lamento mit zurückhaltender Begleitung des Ensembles, grau weiß
gehaltenen Videoeinblendungen und
engelhafter Tanzeinlage von Manuel Palazzo.
Der zweite Teil des Abends stellte den Frieden in
den Fokus. Mit Purcells Arie der Inka-Prinzessin Orazia aus The Indian Queen (1695), eine kantable,
sehnsuchtsvolle Melodie zu „Man sagt uns, dass ihr großen Mächte des Himmels himmlische
Wonnen versprechen …“, wechselt die
Sängerin auch äußerlich in eine silbergraue, schulterfreie, faltenreiche Robe,
bei dezenter, farbloser Gesichts- und Hautornamentik. Barfüßig mit pastoraler
Szenerie besingt sie dann die Naturidylle in der Arie der Susanna aus Händels gleichnamiger Oper (1749). „Kristallklare
Bäche, linde Lüfte verbreiten Jasmindüfte …“ werden von drei Blockflöten
begleitet, deren betörender Vogelgesang zwischen Amsel und Nachtigall den
Vogelkundler und Komponisten Olivier Messiaen bestimmt größte Freude bereitet
hätte. Hervorzuheben sei hier Anna Fusek,
die auf ihrer Piccoloflöte ein prächtiges Vogelkonzert hervorzauberte.
Nach einem Klangflächenzwischenspiel von Arvo Pärt
folgten noch zwei Arien aus Händels Rinaldo:
„Vöglein, die singen …“, und Ariodante
(1735): „Nach einer dunklen Nacht voller Schrecken …“, mit schwierigsten Koloraturen
und stürmischen Effekten, stummem Feuerwerk auf Video und heroischen Tanzeinlagen. Der rasende Applaus wollte kein Ende nehmen.
Joyce DiDonato (Foto: Staatstheater Wiesbaden) |
Eine Galashow, die auch ohne Message auskommt
Mit zwei Zugaben und einer flammende Rede über Krieg und Frieden, wobei für DiDonato das Gegenteil von
Krieg nicht Frieden sondern Kreativität bedeutet, sowie der hoffnungsvollen
Versicherung (mit einem Seitenhieb auf Donald Trump), dass auch "nach der
dunkelsten Nacht immer wieder die Sonne aufgeht", verabschiedete sich DiDonato mit
Richard Strauss´ wunderbarem Lied Morgen
(1894), mit Text von John Henry Mackay (1864-1933): „Und morgen wird die Sonne
wieder scheinen, und auf dem Weg, den ich gehen werde, wird uns, die
Glücklichen, sie wieder einen, inmitten dieser sonnenatmenden Erde.“
Dieses Liebeslied,
von DiDonato mit tiefer Innerlichkeit vorgetragen, schenkte übrigens Richard
Strauss seiner Braut Pauline de Ahna zur Hochzeit am 10. September 1894.
Ein Abend mit einer hochdramatischen
Mezzosopranistin, Joyce DiDonato, die es verstand, eine stimmliche Mischung zwischen
Bosheit, Enttäuschung und hingebungsvoller Lyrik auf die Bühne zu bringen,
einem 20-köpfigen Orchester unter der musikalischen Leitung des hochmotivierten
Maxim Emelyanychev, das auf den
barocken Instrumenten selten gehörte Klangfarben erzeugte und die Sängerin mit
engagierter und sensibelster Anteilnahme begleitete, einem Tänzer, Manuel Palazzo, der bescheiden und
überaus ästhetisch die Stimmungen auf der Bühne kommentierte, sowie einem Team
unter der Regie von Ralf Pleger (unter
seiner Regie entstand übrigens der weltbekannte Film: The Florence Foster Story
mit Joyce DiDonato in der Hauptrolle, 2016), Henning Blum (Licht) und Yousef
Iskandar (Video), das ganz im Sinne von Il Pomo d´Oro (genannt nach der monströsen Oper von Antonio Cesti,
komponiert für die Hochzeit von Leopold I. und Margarita Teresa von Spanien im
Jahre 1666), mit aufwendigen abstrakten Videoeinblendungen, Kostümwechseln und
szenischer Performance ein durchkomponiertes, sehr abwechslungsreiches und
kurzweiliges Event boten. Ob denn die Message ´rübergekommen ist, sei dahingestellt,
denn rein musikalisch geriet der Krieg spannender und variabler als der
Frieden, der die stimmlichen Grenzen von DiDonato vor allem in den Koloraturen offenlegte.
In
War & Peace wird seit 2016 an den renommiertesten Konzerthäusern
der Welt mit großem Erfolg gezeigt. Eine Galashow, die durchaus auch ohne
Message ihre Wirkung hinterlassen würde – und, zumindest im Wiesbadener
Staatstheater, sie auch hat.
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