Montag, 25. Juni 2018


Gregor Praml trifft The Oh!chestra, Mousonturm Frankfurt, 24.06.2018

v.l.: Florian Wäldele (Tasten), Gregor Praml (Moderator), Florian Dressler (Perkussion)
Foto: The Oh!chestra

Zwei Musiker: Vierhändig, vielhändig – ein Orchester


Gregor Praml nennt seine Reihe The Local Listener. Treffpunkt ist das Lokal des Mousonturms, wohin sich der Komponist, Musikredakteur des hr 2 und Kontrabassist einmal im Monat bekannte und weniger bekannte MusikerInnen aus der Region zu einer Konzert-Talk-Matinee einlädt, um ihnen bei entspannter Atmosphäre, mit Wein, Bier und Snacks, Fragen zu stellen und gemeinsam mit ihnen Musik zu machen. Ein erfolgreiches Jahr geht zu Ende und das an diesem Sonntag mit The Oh!chestra, des wohl vielseitigsten und musikalisch abgefahrensten vielhändigen Duos (Tasten und Perkussion), das seit mittlerweile elf Jahren nicht allein das Rhein-Main Gebiet, sondern ganz Europa aufmischt.


Bereits Scales &Rivers beschreibt das musikalische Spektrum der beiden Künstler. Von Klassik bis Techno, von Minimal bis kubanischem Salsa, von schrägen Plots bis lyrischen Melodien: Alles ist drin und alles ist perfekt miteinander verwoben und zu einer ausdifferenzierten musikalischen Sprache geformt.

Gregor Praml entpuppt sich als gut vorbereiteter und  äußerst sympathischer Gastgeber, fragt zunächst nach der Namensgebung von The OhOhOhs. Gekommen sei sie ihnen bei einer Jam-Session vor dem Bockenheimer Depot (ehemals TAT) mit der Gruppe Company & Co. Die Akronyme Co und Flo (beide Musiker heißen mit Vornamen Florian) hätte sich optimal zu OhOhOhs zusammengefügt. Beim dritten Oh gibt’s ein Augenzwinkern von Florian Wäldele. Er erinnert sich an die damalige Gruppe YesYesYes und meint, dass das Dreierpack einfach rhythmischer daherkomme. Praml ergänzt schmunzelnd, er selbst heiße mit zweitem Vornamen Florian, womit das Problem (mit Beifall aus dem gerammelt vollen Lokal) aus der Welt geschafft ist.

Im Ernst. The Oh!chestra, eigentlich die nachhaltige Version von TheOhOhOhs, besteht seit 2007 und soll das gesamte Spektrum der Stile und Rhythmen, die beide beherrschen, musikalisch vereinen. Sind die OhOhOhs eher auf das Abtanzen geeicht (Techno bevorzugt), so sind The Oh!chestra ein Ausbund an musikalischer Vielfalt und Stile.

Beweis unter anderem die Mondscheinsonate, das Allegro Finale, von Ludwig van Beethoven. Gnadenlos schnell auf Band von der Russin Valentina Lisitsa eingespielt (nebenbei bemerkt mit 29 Mill. Klicks), machen die beiden daraus ein geschmackvolles rhythmisch versiertes Kunstgebilde mit rockigen Einschüben, ausgefeilten Phrasen und diffiziler, bis ins Detail ausgetüftelter Perkussion. Ein Leckerbissen, den selbst Beethoven wohl der russischen Pianistin vorgezogen hätte. Praml spricht nicht umsonst von Respekt vor dem Komponisten bei höchst eigenwilliger Interpretation.

Im Gespräch stellt sich heraus, dass alle weiteren Stücke Eigenkompositionen von Florian Wäldele sind, trotz Anlehnung an typische Patterns aus Barock, Klassik und Romantik. Seine Ausbildung als Konzertpianist an der HfMDK in Frankfurt habe ihm dafür alle Voraussetzungen ermöglicht. Florian Dressler dagegen spricht von seiner Lehrzeit bei kubanischen Perkussionskünstlern auf der Insel und seinen Erfahrungen mit diversen Gruppen und seinem aktuellen verehrten Lehrer Juan Bauste Granda.

Fighting Demons, ein fast schon elegisches Stück Musik, ist eigentlich Ergebnis einer größeren gemeinsamen Krise: „Wir alle haben Dämonen in uns, gute wie schlechte. Dämonen, die uns immer mal wieder beschäftigen und ärgern.“ Fighting Demons ist die Verarbeitung dieser bewegten Zeit. Die große Beruhigung, oder die schlichte Schönheit vor dem immer wieder drohenden Abgrund? Gregor Praml an der Bassgeige schafft als Dritter im Bunde mit tiefem Bordun eine Stimmung, reich an Gefühl und einem Schuss hintergründigen Zaubers. Ein Kampf der Seelen.

Florian Wäldele (Tasten), Florian Dressler (Perkussion) - Foto: The Oh!chestra

Klettern und Musik – passt das?


Wie oft sie proben? Zweimal die Woche bei ansonsten häufigen Treffs. Beide sind verschwägert und seit ihrem elften Lebensjahr echte Freunde. Kennengelernt haben sie sich beim Klettern im Deutschen Alpenverein (DAV). Später habe sich ihr Interesse auf die Musik verlagert, die sie seit mittlerweile dreizehn Jahren miteinander betreiben. Wie im Klettern, beide bis zum 10. Schwierigkeitsgrad, sei ihr Ziel in der Musik die ständige Verbesserung und Verfeinerung ihrer Techniken. Allerdings – sie werden promotet von dem Label Herzog in Hamburg – sei der Musikmarkt wie ein „Teufelskreis“. Immer liege das kleine böse Männchen im Detail, aber das beharrliche Vorwärts ihrer musikalischen Ziele werde hoffentlich den Erfolg einfahren, der ihrer Musik gebühre.

Mit ChaCha geht es in die Pause. Übrigens ein kubanisches Rhythmusdoppel von vier zu fünf, sehr komplex, denn erst bei 20 finden beide wieder zueinander. Zusammen mit dem Kontrabass von Praml eine Wahnsinnskomposition mit feiner Virtuosität und einem Bongo-Solo von ungeheuerlicher Vitalität.

Ein Rhondo, mit h!, leitet die zweite Halbzeit ein. Eigentlich ein Kreistanz mit Einkerbungen, wird er bei The Oh!chestra zu einem Reigen der Derwische. Rasend schnell mit verwegenen Ausflügen, bevor man wieder den Ausgangspunkt erreicht. Atemholen ist schwierig, doch reicht es zum weiteren Gespräch.

Warum er, Florian Wäldele, die Klassik verlassen habe? – Bei den Eltern waren alle musikalischen Richtungen vertreten. Deep Purple neben Beethoven und Frank Zappa neben Franz Liszt. In seine Jugendjahre fielen Punk, Metal, Hip Hop und vor allem Elektro. Musikrichtungen, die zu ihm passten und ihn interessierten und nebenbei auf Klavier bestens zu spielen seien. Heute lebe er von diesen Erfahrungen. Florian Dressler dagegen schwärmt von seinen Erlebnissen mit dem sehr bekannten Kontrast Trio, eine Jazz Gruppe, die er als vierter Mann gelegentlich komplettiere, und dem Nachttierhaus-Quartett, das sich auf dem Terrain von Hip Hop, Drum´n Bass und House bewege. Florian Wäldele reicht die Vielhändigkeit des Duos. Projekte außerhalb könne er sich nicht erlauben, auch wenn er Schlagzeug und Gitarre genauso beherrsche wie die Tasten.

Es folgt Manocity, ein Stück mit rhythmischen Schichtungen zwischen Vierer- und Dreiertakt. Ein komplexes wie kompliziertes Verführungsspiel zwischen Skylla und Charybdis.

Die folgende Fragerunde streift die körperliche Fitness, wie sich Klettern mit musikalischer Profession verträgt? (Geht alles, man soll nur nicht übertreiben) Was macht das mit den Fingern? (gilt das gleiche) Welche Vorbilder sie haben? (keine) Zu welchen Konzerten sie gehen? (Slayer und Nick Berg) Ob sie an den Schutzpatron Florian glaubten?  (Nein) Welche Fußballmannschaft sie  favorisieren (Senegal, wie aus einem Munde)?

Dann spricht Florian, der Percussionist, über seinen Partner: „Macht tolle Musik …Ist für mich der beste Tastenspieler und Komponist überhaupt … Spielt alles sofort nach und macht daraus etwas… Auch wenn unsere Geschichte nicht immer einfach ist, so sind wir doch untrennbar.“
Danach plaudert Florian, der Pianist, über seinen Partner: „Für ihn lohnt sich einfach alles, jede Anstrengung und jede Freude …Ich brauche ihn … Er ist mein bester Freund und mein bester musikalischer Begleiter.“

Mit Partita Tech endet der ungewöhnliche Talk. Aus der Feder von Florian Wäldele könnte das Werk auch aus der barocken Kontrapunktik stammen. Note gegen Note, Rhythmus gegen Rhythmus und dazu ein Gregor Praml auf dem Kontrabass, als ob er schon immer zum The Oh!chestra gehöre. Ein Abschluss nach Maß mit, so der Moderator, fulminanten Gästen, toller Musik und einem mitreißenden Publikum. Langer Beifall und viele glückliche Gesichter.

Pramls The Local Listener ist eine Wucht. Eine Idee, die eine große Lücke in der Musikszene rund um Frankfurt schließt: Eine Konzert-Talk-Reihe, die vielleicht in der Neuen Musik und in Bereichen der klassischen Musik Tradition hat, aber keineswegs in der jungen, aufstrebenden Musikerszene. Von der Vielzahl dieser meist sehr talentierten und engagierten Musiker weiß man eigentlich wenig, da sie dem allgemeinen Konzertbetrieb weitgehend außen vor stehen, was allerdings mit ihrer Qualität nichts zu tun hat. Gregor Praml hat hier ein Talk-Forum eröffnet, dem man nur großen Erfolg wünschen kann.

Freuen wir uns auf weitere Veranstaltungen dieser Sonntagsmatinee mit Longdrinks, kleinen Snacks, ausgefallenen Speisen und eben solchen Musiktalenten. Bis September ist Pause. Dann geht es weiter.

Am 09. September trifft Gregor Praml … Lassen Sie sich überraschen! Es lohnt sich allemal! 

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