Gregor Praml trifft The
Oh!chestra, Mousonturm Frankfurt, 24.06.2018
v.l.: Florian Wäldele (Tasten), Gregor Praml (Moderator), Florian Dressler (Perkussion) Foto: The Oh!chestra |
Zwei Musiker: Vierhändig, vielhändig – ein Orchester
Gregor Praml nennt seine Reihe The Local Listener. Treffpunkt ist das Lokal des Mousonturms, wohin sich der Komponist, Musikredakteur des hr 2 und Kontrabassist einmal im Monat bekannte und weniger bekannte MusikerInnen aus der Region zu einer Konzert-Talk-Matinee einlädt, um ihnen bei entspannter Atmosphäre, mit Wein, Bier und Snacks, Fragen zu stellen und gemeinsam mit ihnen Musik zu machen. Ein erfolgreiches Jahr geht zu Ende und das an diesem Sonntag mit The Oh!chestra, des wohl vielseitigsten und musikalisch abgefahrensten vielhändigen Duos (Tasten und Perkussion), das seit mittlerweile elf Jahren nicht allein das Rhein-Main Gebiet, sondern ganz Europa aufmischt.
Bereits Scales
&Rivers beschreibt das
musikalische Spektrum der beiden Künstler. Von Klassik bis Techno, von Minimal
bis kubanischem Salsa, von schrägen Plots bis lyrischen Melodien: Alles ist
drin und alles ist perfekt miteinander verwoben und zu einer ausdifferenzierten
musikalischen Sprache geformt.
Gregor Praml entpuppt sich als gut vorbereiteter
und äußerst sympathischer Gastgeber,
fragt zunächst nach der Namensgebung von The
OhOhOhs. Gekommen sei sie ihnen bei einer Jam-Session vor dem
Bockenheimer Depot (ehemals TAT) mit der Gruppe Company & Co. Die Akronyme Co
und Flo (beide Musiker heißen mit Vornamen Florian) hätte sich optimal zu
OhOhOhs zusammengefügt. Beim dritten Oh gibt’s ein Augenzwinkern von Florian
Wäldele. Er erinnert sich an die damalige Gruppe YesYesYes und meint, dass das Dreierpack einfach rhythmischer
daherkomme. Praml ergänzt schmunzelnd, er selbst heiße mit zweitem Vornamen
Florian, womit das Problem (mit Beifall aus dem gerammelt vollen Lokal) aus der
Welt geschafft ist.
Im Ernst. The
Oh!chestra, eigentlich die nachhaltige Version von TheOhOhOhs, besteht seit 2007 und soll das gesamte Spektrum der
Stile und Rhythmen, die beide beherrschen, musikalisch vereinen. Sind die OhOhOhs eher auf das Abtanzen geeicht
(Techno bevorzugt), so sind The Oh!chestra
ein Ausbund an musikalischer Vielfalt und Stile.
Beweis unter anderem die Mondscheinsonate, das Allegro
Finale, von Ludwig van Beethoven. Gnadenlos schnell auf Band von der Russin
Valentina Lisitsa eingespielt
(nebenbei bemerkt mit 29 Mill. Klicks), machen die beiden daraus ein
geschmackvolles rhythmisch versiertes Kunstgebilde mit rockigen Einschüben,
ausgefeilten Phrasen und diffiziler, bis ins Detail ausgetüftelter Perkussion.
Ein Leckerbissen, den selbst Beethoven wohl der russischen Pianistin vorgezogen
hätte. Praml spricht nicht umsonst von Respekt vor dem Komponisten bei höchst
eigenwilliger Interpretation.
Im Gespräch stellt sich heraus, dass alle weiteren
Stücke Eigenkompositionen von Florian Wäldele sind, trotz Anlehnung an typische
Patterns aus Barock, Klassik und Romantik. Seine Ausbildung als Konzertpianist
an der HfMDK in Frankfurt habe ihm dafür alle Voraussetzungen ermöglicht.
Florian Dressler dagegen spricht von seiner Lehrzeit bei kubanischen
Perkussionskünstlern auf der Insel und seinen Erfahrungen mit diversen Gruppen
und seinem aktuellen verehrten Lehrer Juan Bauste Granda.
Fighting
Demons, ein fast schon elegisches Stück Musik, ist
eigentlich Ergebnis einer größeren gemeinsamen Krise: „Wir alle haben Dämonen
in uns, gute wie schlechte. Dämonen, die uns immer mal wieder beschäftigen und
ärgern.“ Fighting Demons ist die
Verarbeitung dieser bewegten Zeit. Die große Beruhigung, oder die schlichte
Schönheit vor dem immer wieder drohenden Abgrund? Gregor Praml an der Bassgeige
schafft als Dritter im Bunde mit tiefem Bordun eine Stimmung, reich an Gefühl und einem Schuss
hintergründigen Zaubers. Ein Kampf der Seelen.
Florian Wäldele (Tasten), Florian Dressler (Perkussion) - Foto: The Oh!chestra |
Klettern und Musik – passt das?
Wie oft sie proben? Zweimal die Woche bei ansonsten häufigen
Treffs. Beide sind verschwägert und seit ihrem elften Lebensjahr echte Freunde.
Kennengelernt haben sie sich beim Klettern im Deutschen Alpenverein (DAV).
Später habe sich ihr Interesse auf die Musik verlagert, die sie seit
mittlerweile dreizehn Jahren miteinander betreiben. Wie im Klettern, beide bis zum 10. Schwierigkeitsgrad, sei ihr Ziel in der Musik die ständige
Verbesserung und Verfeinerung ihrer Techniken. Allerdings – sie werden promotet
von dem Label Herzog in Hamburg – sei
der Musikmarkt wie ein „Teufelskreis“. Immer liege das kleine böse Männchen im
Detail, aber das beharrliche Vorwärts ihrer musikalischen Ziele werde hoffentlich
den Erfolg einfahren, der ihrer Musik gebühre.
Mit ChaCha
geht es in die Pause. Übrigens ein kubanisches Rhythmusdoppel von vier zu fünf,
sehr komplex, denn erst bei 20 finden beide wieder zueinander. Zusammen mit dem
Kontrabass von Praml eine Wahnsinnskomposition mit feiner Virtuosität und einem
Bongo-Solo von ungeheuerlicher Vitalität.
Ein Rhondo,
mit h!, leitet die zweite Halbzeit ein. Eigentlich ein Kreistanz mit
Einkerbungen, wird er bei The Oh!chestra
zu einem Reigen der Derwische. Rasend schnell mit verwegenen Ausflügen, bevor
man wieder den Ausgangspunkt erreicht. Atemholen ist schwierig, doch reicht es zum
weiteren Gespräch.
Warum er, Florian Wäldele, die Klassik verlassen
habe? – Bei den Eltern waren alle musikalischen Richtungen vertreten. Deep
Purple neben Beethoven und Frank Zappa neben Franz Liszt. In seine Jugendjahre
fielen Punk, Metal, Hip Hop und vor allem Elektro. Musikrichtungen, die zu ihm
passten und ihn interessierten und nebenbei auf Klavier bestens zu spielen seien.
Heute lebe er von diesen Erfahrungen. Florian Dressler dagegen schwärmt von
seinen Erlebnissen mit dem sehr bekannten Kontrast
Trio, eine Jazz Gruppe, die er als vierter Mann gelegentlich komplettiere, und dem Nachttierhaus-Quartett, das
sich auf dem Terrain von Hip Hop, Drum´n Bass und House bewege. Florian Wäldele
reicht die Vielhändigkeit des Duos. Projekte außerhalb könne er sich nicht
erlauben, auch wenn er Schlagzeug und Gitarre genauso beherrsche wie die
Tasten.
Es folgt Manocity,
ein Stück mit rhythmischen Schichtungen zwischen Vierer- und Dreiertakt. Ein
komplexes wie kompliziertes Verführungsspiel zwischen Skylla und Charybdis.
Die folgende Fragerunde streift die körperliche
Fitness, wie sich Klettern mit musikalischer Profession verträgt? (Geht alles,
man soll nur nicht übertreiben) Was macht das mit den Fingern? (gilt das
gleiche) Welche Vorbilder sie haben? (keine) Zu welchen Konzerten sie gehen?
(Slayer und Nick Berg) Ob sie an den Schutzpatron Florian glaubten? (Nein) Welche Fußballmannschaft sie favorisieren (Senegal, wie aus einem Munde)?
Dann spricht Florian, der Percussionist, über seinen
Partner: „Macht tolle Musik …Ist für mich der beste Tastenspieler und Komponist
überhaupt … Spielt alles sofort nach und macht daraus etwas… Auch wenn unsere
Geschichte nicht immer einfach ist, so sind wir doch untrennbar.“
Danach plaudert Florian, der Pianist, über seinen
Partner: „Für ihn lohnt sich einfach alles, jede Anstrengung und jede Freude
…Ich brauche ihn … Er ist mein bester Freund und mein bester musikalischer
Begleiter.“
Mit Partita
Tech endet der ungewöhnliche Talk. Aus der Feder von Florian Wäldele könnte
das Werk auch aus der barocken Kontrapunktik stammen. Note gegen Note, Rhythmus
gegen Rhythmus und dazu ein Gregor Praml auf dem Kontrabass, als ob er schon
immer zum The Oh!chestra gehöre. Ein
Abschluss nach Maß mit, so der Moderator, fulminanten Gästen, toller Musik und einem
mitreißenden Publikum. Langer Beifall und viele glückliche Gesichter.
Pramls The
Local Listener ist eine Wucht. Eine Idee, die eine große Lücke in der
Musikszene rund um Frankfurt schließt: Eine Konzert-Talk-Reihe, die vielleicht
in der Neuen Musik und in Bereichen der klassischen Musik Tradition hat, aber
keineswegs in der jungen, aufstrebenden Musikerszene. Von der Vielzahl dieser
meist sehr talentierten und engagierten Musiker weiß man eigentlich wenig, da
sie dem allgemeinen Konzertbetrieb weitgehend außen vor stehen, was allerdings mit
ihrer Qualität nichts zu tun hat. Gregor Praml hat hier ein Talk-Forum
eröffnet, dem man nur großen Erfolg wünschen kann.
Freuen wir uns auf weitere Veranstaltungen dieser
Sonntagsmatinee mit Longdrinks, kleinen Snacks, ausgefallenen Speisen und
eben solchen Musiktalenten. Bis September ist Pause. Dann geht es weiter.
Am 09. September trifft Gregor Praml … Lassen Sie sich überraschen! Es lohnt sich allemal!
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