Sonntag, 1. Juli 2018


Rheingau Musik Festival 2018

Sommerfest mit Feuerwerk: „Happy Birthday Lenny!“, Schloss Johannisberg, 30.06.2018


WDR Funkhausorchester und vollbesetzter Cuvéehof von Schloss Johannisberg (Fotos: Ansgar Klostermann)


Ein genussreiches Geburtstagsfest für alle Sinne


Was für ein Ambiente! Bestes Sommerwetter, schönster Blick über den Rhein in die gesamte übrige Welt, Stimmung auf verschiedenen Bühnen und ein zahlreich erschienenes Publikum aus ganz Europa. Das Rheingau Musik Festival hat längst seinen Platz unter den internationalen Festivals erobert. Mehr noch: Es gehört wohl zu den renommiertesten und besten dieser Art. 


Michael Herrmann, Mann der ersten Stunde, Intendant und Geschäftsführer des Unternehmens, dankte in seiner bescheidenen Art den Sponsoren und Mäzenen, aber vor allem auch dem treuen Publikum, das seit vielen Jahren das Festival belebt und ohne das ein solcher Kraftakt gar nicht zu stemmen wäre. Ebenso Roland Koch, Kuratoriumsvorsitzender, in Vertretung des Hess. Ministerpräsidenten Volker Bouffier, der das Motto der diesjährigen Veranstaltungen, nämlich „Freundschaft“, noch einmal hervorhob. Vertrauen, gute Beziehungen, Ehrlichkeit und Liebe zur Musik seien es, was dieses wunderbare Ereignis trage. Und wenn noch mediterrane Verhältnisse und ausgesuchte kulinarische Angebote, wie an diesem Abend, dazukommen, dann könne man dem Publikum nur wünschen: „Genießen Sie die Musik! Genießen Sie den herrlichen Abend mit allen Sinnen!“

Leonard Bernsteins (1918-1990) 100ster Geburtstag stand selbstverständlich im Zentrum des Sommerfestes. Sein unruhiger, temperamentvoller Geist sollte über allem schweben. Mit der Musical-Koryphäe, Kim Criswell, dem WDR Funkhausorchester, unter der Leitung von Wayne Marshall, ergänzt durch das Max Neissendorfer Trio, der Gruppe Waterproof und dem schrulligen Paar KuckAn, hatte man eine musikalisch-performative Zusammenstellung ausgesucht, die wohl auch den Meister höchstpersönlich zum Schmunzeln gebracht hätte.

Max Neissendorfer Trio im Spätlesereiterhof

Um beim Kulinarischen zu bleiben: Max Neissendorfer sorgte mit seinen Mitstreitern, Michel Polt am Kontrabass und David Elias am Schlagzeug, für das Hors D’oeuvre. Mit fetzigen Standards aus Pop, Funk, Rock und  Klassik, von Beatles, Gershwin, Steve Wonder bis zu Leonard Bernstein, verwandelte das bestens eingespielte Trio alle Musiken in einen Jazzzauber der speziellen Art. Immer swingend mit schrägen Improeinlagen und virtuosen Scat-Gesängen von Neissendorfer höchstselbst, boten sie eine ideale Kulisse fürs Kennenlernen, Akklimatisieren und Probieren durchs reichhaltige Angebot der diversen Küchen, die für jeden Geschmack etwas zu bieten hatten. Nicht nur die Liebe, auch die Musik geht durch den Magen. 
Paul und Anneliese, ein bisschen Commedia dell´arte, bespaßten zwischenzeitlich die langen Warteschlangen vor den mobilen Küchen und sorgten mit kleinen Kunststückchen (Jonglieren mit Diabolo) für Ablenkung vor der gleißend-heißen Sonne.

Kim Criswell, Wayne Marshall und Mitglieder des WDR Funkhausorchesters

Leonard Bernstein – abwechslungsreich und ohne riskante Geschmacksverstärker


Das Hauptgericht bestand aus einem Potpourri aus Bernsteins Musical-Schaffen zwischen 1944 und 1957. Ein vierzehn gängiges Menü mit Songs und Orchesterstücken aus Fancy Free (1944), Trouble in Tahiti (1952), On The Town (1944), Peter Pan (1950), Wonderful Town (1953), Candide (1956) und Westside Story (1957). Kim Criswell, Broadway erfahren, würzte die Songs mit gekonnter Mimik und einem Schuss pikanter Ironie (in: „One Hundred Easy Ways“ aus Wonderful Town), was allerdings nicht über ihre sehr leichte und wenig gestützte Stimme hinwegtäuschen konnte. Ihr Ablesen der Songtexte ließ leider auf keine große Vorbereitung ihres Auftritts schließen. Lediglich im sotto voce Bereich überzeugte sie. Ihr I Am Assimilated aus Candide war das Beste ihres Auftritts.

Auch das Orchester wuchs erst im Verlaufe der Menügänge. Anfangs unaufmerksam, nicht sattelfest in den komplizierten vier zu drei Rhythmen (Three Dance Variations aus Fancy Free), und holprig in den Übergängen, konnte es bei den Symphonic Dances aus der West Side Story, dem Schlussgang des über zweistündigen Hauptgerichts, restlos überzeugen. Kein bequemes Sitzen mehr auf den Stühlen, sondern absolute Konzentration mit grooviger Attitüde. Ein Bernstein, bei dem die musikalischen Stile des 20. Jahrhunderts voll zur Geltung kamen. Wayne Marshall, dessen musikalische Schwerpunkte bei George Gershwin und Leonard Bernstein liegen, leitete unaufgeregt mit großer Umsicht sein Orchester (seit drei Jahren ist er Chefdirigent) und sorgte für eine angemessene, dynamisch ausgewogene Begleitung der Solistin. Vieles allerdings geriet ihm etwas zu akademisch, wozu auch der Paris Waltz aus Candide gehörte. Dennoch, ein erfrischendes Hauptmenü mit viel Abwechslung und ohne riskante Geschmacksverstärker.

Bei leichter Erschöpfung musste ein deftiges, aufrüttelndes Dessert her. Die Gruppe Waterproof, ein sechsköpfiges Ensemble mit zwei Sängern (Bonita Niessen, Charles Simmons), Gitarre Keyboard, Bass und Schlagzeug, schlug mit fetzigen Melodien und rockigen Beats sowohl in die volle Magengrube als auch ins musikgefüllte Gehirn und brachte sämtliche Stoffwechselebenen des menschlichen Organismus noch einmal durcheinander. Die Band aus Aschaffenburg wurde vor 17 Jahren von ihrem Schlagzeuger, Mario Garruccio, gegründet und begleitete schon Sängerstars wie Xavier Naidoo oder Monrose. Absolut keine Mousse au Chocolat sondern eine echte Käseplatte, scharf und würzig.

Abendstimmung am Schloss Johannisberg

Ein fulminantes Feuerwerk (vermutlich mit musikalischen Rhythmen von Leonard Bernstein untermalt) ließ lange auf sich warten. Zur vollständigen Abrundung des herrlichen Freiluft Events ein unbedingtes Muss, wenn, ja wenn nicht die weite Heimreise und die zufriedene Müdigkeit gewesen wären. Aber auch ein mit Rheingauer Reben illuminiertes Schloss reichte da zur völligen Befriedigung und zur fröhlichen Heimkehr aus. Mick Jagger hätte übrigens aus seinem berühmten Song ein I can get …  Satisfaction gemacht.   

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