Rheingau Musik Festival 2018
Sommerfest mit Feuerwerk: „Happy Birthday Lenny!“, Schloss Johannisberg, 30.06.2018
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| WDR Funkhausorchester und vollbesetzter Cuvéehof von Schloss Johannisberg (Fotos: Ansgar Klostermann) |
Ein genussreiches Geburtstagsfest für alle Sinne
Was für ein Ambiente! Bestes Sommerwetter, schönster Blick über den Rhein in die gesamte übrige Welt, Stimmung auf verschiedenen Bühnen und ein zahlreich erschienenes Publikum aus ganz Europa. Das Rheingau Musik Festival hat längst seinen Platz unter den internationalen Festivals erobert. Mehr noch: Es gehört wohl zu den renommiertesten und besten dieser Art.
Michael Herrmann, Mann der
ersten Stunde, Intendant und Geschäftsführer des Unternehmens, dankte in seiner
bescheidenen Art den Sponsoren und Mäzenen, aber vor allem auch dem treuen
Publikum, das seit vielen Jahren das Festival belebt und ohne das ein solcher
Kraftakt gar nicht zu stemmen wäre. Ebenso Roland Koch,
Kuratoriumsvorsitzender, in Vertretung des Hess. Ministerpräsidenten Volker Bouffier,
der das Motto der diesjährigen Veranstaltungen, nämlich „Freundschaft“, noch
einmal hervorhob. Vertrauen, gute Beziehungen, Ehrlichkeit und Liebe zur Musik seien es, was dieses wunderbare Ereignis trage. Und wenn noch mediterrane
Verhältnisse und ausgesuchte kulinarische Angebote, wie an diesem Abend,
dazukommen, dann könne man dem Publikum nur wünschen: „Genießen Sie die Musik!
Genießen Sie den herrlichen Abend mit allen Sinnen!“
Leonard
Bernsteins (1918-1990) 100ster Geburtstag stand selbstverständlich im Zentrum
des Sommerfestes. Sein unruhiger, temperamentvoller Geist sollte über allem schweben.
Mit der Musical-Koryphäe, Kim Criswell,
dem WDR Funkhausorchester, unter der
Leitung von Wayne Marshall, ergänzt
durch das Max Neissendorfer Trio,
der Gruppe Waterproof und dem
schrulligen Paar KuckAn, hatte man
eine musikalisch-performative Zusammenstellung ausgesucht, die wohl auch den
Meister höchstpersönlich zum Schmunzeln gebracht hätte.
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| Max Neissendorfer Trio im Spätlesereiterhof |
Um beim Kulinarischen zu bleiben: Max Neissendorfer
sorgte mit seinen Mitstreitern, Michel
Polt am Kontrabass und David Elias am
Schlagzeug, für das Hors D’oeuvre. Mit fetzigen Standards aus Pop, Funk, Rock
und Klassik, von Beatles, Gershwin,
Steve Wonder bis zu Leonard Bernstein, verwandelte das bestens eingespielte
Trio alle Musiken in einen Jazzzauber der speziellen Art. Immer swingend mit
schrägen Improeinlagen und virtuosen Scat-Gesängen von Neissendorfer
höchstselbst, boten sie eine ideale Kulisse fürs Kennenlernen, Akklimatisieren
und Probieren durchs reichhaltige Angebot der diversen Küchen, die für jeden
Geschmack etwas zu bieten hatten. Nicht nur die Liebe, auch die Musik geht
durch den Magen.
Paul und Anneliese, ein bisschen Commedia dell´arte, bespaßten
zwischenzeitlich die langen Warteschlangen vor den mobilen Küchen und sorgten
mit kleinen Kunststückchen (Jonglieren mit Diabolo) für Ablenkung vor der
gleißend-heißen Sonne.
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| Kim Criswell, Wayne Marshall und Mitglieder des WDR Funkhausorchesters |
Leonard Bernstein – abwechslungsreich und ohne riskante Geschmacksverstärker
Das Hauptgericht bestand aus einem Potpourri aus
Bernsteins Musical-Schaffen zwischen 1944 und 1957. Ein vierzehn gängiges Menü
mit Songs und Orchesterstücken aus Fancy
Free (1944), Trouble in Tahiti (1952),
On The Town (1944), Peter Pan (1950), Wonderful Town (1953), Candide
(1956) und Westside Story (1957). Kim Criswell, Broadway erfahren, würzte
die Songs mit gekonnter Mimik und einem Schuss pikanter Ironie (in: „One Hundred Easy Ways“ aus Wonderful Town), was allerdings nicht
über ihre sehr leichte und wenig gestützte Stimme hinwegtäuschen konnte. Ihr
Ablesen der Songtexte ließ leider auf keine große Vorbereitung ihres Auftritts
schließen. Lediglich im sotto voce
Bereich überzeugte sie. Ihr I Am
Assimilated aus Candide war das Beste ihres Auftritts.
Auch das Orchester wuchs erst im Verlaufe der
Menügänge. Anfangs unaufmerksam, nicht sattelfest in den komplizierten vier zu
drei Rhythmen (Three Dance Variations
aus Fancy Free), und holprig in den Übergängen, konnte es bei den Symphonic Dances aus der West Side
Story, dem Schlussgang des über zweistündigen Hauptgerichts, restlos
überzeugen. Kein bequemes Sitzen mehr auf den Stühlen, sondern absolute
Konzentration mit grooviger Attitüde. Ein Bernstein, bei dem die musikalischen
Stile des 20. Jahrhunderts voll zur Geltung kamen. Wayne Marshall, dessen musikalische Schwerpunkte bei George
Gershwin und Leonard Bernstein liegen, leitete unaufgeregt mit großer Umsicht
sein Orchester (seit drei Jahren ist er Chefdirigent) und sorgte für eine
angemessene, dynamisch ausgewogene Begleitung der Solistin. Vieles allerdings
geriet ihm etwas zu akademisch, wozu auch der Paris Waltz aus Candide gehörte. Dennoch, ein erfrischendes
Hauptmenü mit viel Abwechslung und ohne riskante Geschmacksverstärker.
Bei leichter Erschöpfung musste ein deftiges,
aufrüttelndes Dessert her. Die Gruppe Waterproof,
ein sechsköpfiges Ensemble mit zwei Sängern (Bonita Niessen, Charles
Simmons), Gitarre Keyboard, Bass und Schlagzeug, schlug mit fetzigen Melodien und rockigen
Beats sowohl in die volle Magengrube als auch ins musikgefüllte Gehirn und
brachte sämtliche Stoffwechselebenen des menschlichen Organismus noch einmal
durcheinander. Die Band aus Aschaffenburg wurde vor 17 Jahren von ihrem
Schlagzeuger, Mario Garruccio,
gegründet und begleitete schon Sängerstars wie Xavier Naidoo oder Monrose.
Absolut keine Mousse au Chocolat sondern eine echte Käseplatte, scharf und
würzig.
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| Abendstimmung am Schloss Johannisberg |
Ein fulminantes Feuerwerk (vermutlich mit musikalischen
Rhythmen von Leonard Bernstein untermalt) ließ lange auf sich warten. Zur
vollständigen Abrundung des herrlichen Freiluft Events ein unbedingtes
Muss, wenn, ja wenn nicht die weite Heimreise und die zufriedene Müdigkeit gewesen wären. Aber auch ein mit Rheingauer Reben illuminiertes Schloss reichte da zur völligen
Befriedigung und zur fröhlichen Heimkehr aus. Mick Jagger hätte übrigens aus seinem
berühmten Song ein I can get … Satisfaction gemacht.




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