Montag, 9. Juli 2018


Rheingau Musik Festival 2018

MIKIs Takeover! Ensemble Feat und Frida Gold im Friedrich-von-Thiersch-Saal Wiesbaden, 08.07.2018

MIKIs Takeover! Ensemble feat, vorne Alina Süggeler und Andreas Weitzel (Gitarre)
Fotos: Ansgar Klostermann

Fisch oder Fleisch?


Ein wunderbarer Friedrich-von-Thiersch-Saal im Stilmix von Klassizismus und Art Nouveau bot ein ideales Ambiente für den musikalischen Stilmix von Klassik und Pop. Alina Süggeler und Andreas Weitzel, alias Frida Gold, sowie das Ensemble MIKIs Takeover, bestehend aus einem vierköpfigen Streicherensemble, einem Oboisten, einem Kontrabassisten und einem Perkussionisten, versuchten sich an der allseits versuchten Synthese der auf den ersten Blick so unterschiedlichen musikalischen Genres: an der Frage von Fisch oder Fleisch, oder gar Fisch und Fleisch?


Herausgekommen ist … ja wenn man das so einfach sagen könnte. Zuerst einmal eine lockere Atmosphäre mit viel Gerede und nicht immer geistreichen Sprüchen. Dann eine Sängerin zwischen Femme fatale und Femme fragile, mit schwarzen Strapsen à la Pippi Langstrumpf und glitzergrünem Petticoat-Kleidchen, zu kurz, zu ausgeschnitten, ein wenig Unschuld vom Lande, eine wenig Helene Fischer.

Es begann gleich mit einem Patzer zu Vaughan Williams´ Oboenkonzert a-Moll, 1. Satz, ein Bearbeitung für sieben Instrumentalisten. Der erste Geiger, Miki Kekenj, zugleich verantwortlich für Konzeption und Arrangements dieses Veranstaltung, verlor seine Noten, was aber eher zum Anlass genommen wurde, dem Publikum Entspanntheit und leichte Kost zu versprechen. Ein lockerer Einstieg war es allemal.

Mit der Ballade: „Du, ich glaub daran“ aus „Einsam“ gab Alina Süggeler ihren Einstieg in den Abend. Lange rezitativ-ähnliche Sprechpassagen wechselten mit einfachen Melodien. Ihre pastose Mezzo-Stimme wirkte vor allem in den mittleren Tonlagen. Ihr suggestives Timbre passte zu ihren Texten, die sich eigentlich immer um sie selbst drehen. So singt sie in „Utopia“, ein relativ neues Lied aus eigener Hand, von einer sonderbaren Liebe und vom Dahinfließen des Lebens und lässt sich dabei von Arpeggien aus Smetanas Moldau und Mozarts Zauberflöte inspirieren. Auch „Wer einmal lügt, dem kann man nicht glauben“ handelt von enttäuschter Liebe und der Suche nach „Zärtlichkeit, die jeder braucht“.

Natürlich sang sie ihre Hits „Unsere Liebe ist aus Gold“, mit viel rhythmischen Klatschen und ein wenig Tango – oder war es vielleicht ein Flamenco? Und „Liebe ist meine Religion, Liebe ist meine Rebellion“, mit Phrasen aus Beethovens Streichquartetten und einem Pastiche klassischer Motive. Alle ihre Lieder haben Bezüge zu ihren Befindlichkeiten, sind spontane Eingebungen, Erlebnisse, emotionale Gefühlslagen. Eben das scheint ihren Erfolg auszumachen.

v.l.n.r.: Miki Kekenj (Arrangeur), Gergana Petrova, Alina Süggeler, Andreas Weitzel

Eine Frau auf der Suche nach Harmonie und Liebe


Ihr Premierensong „Last to Love“, eine Art Foxtrott mit viel Yuva, Yuva und Ui, Ui, Ui oder „Leuchten“, ein Song, der Momente aus ihrer gedankenlosen Zeit auffängt, mit Pentatonik, flirrenden Streicherstrichen und Ruflauten der Männer, konnten den bis dahin eher weichen, fast einschläfernden Grundton etwas auffrischen. Eine gute Idee war ihr Song „Du machst mich verletzbar, du machst mich zum Schatten meiner selbst“. Eine ehrliche Liebeserklärung, musikalisch untermalt von ihrem Begleiter und Freund, Andreas Weitzel, auf der Gitarre und dem Kontrabassisten, Max Dommers. Ein musikalisches Highlight, weil mit warmem Akzent gesungen und einfühlsam instrumentiert.

Mit „Run, Run, Run“ und „Wovon sollen wir träumen“, bekannt als ZDF-Hymne der Frauen Fußball WM 2011, konnte Süggeler noch einmal bei ihrem wohlwollenden Publikum punkten. Man klatschte, sie tanzte, ein wenig Schlager-Stimmung im Saal und verklärte Augen bei „Ich fühl mich so leer, die Nacht ist so schwer …“.

Stehende Ovationen und natürlich Zugaben: Eine ganz eigene Version von Madonnas „Frozen“ sowie eine Liebesballade mit Gitarre und Kontrabass: „Die Dinge haben sich verändert“. Wenn Alina Süggeler singt: „Ich bin auf der Suche … Wir lieben einfach so den Moment … Heute ist alles so kompliziert … Wir waren alle im selben Flow, ich vermisse dich so“, dann sagt das alles über sie und ihre Songs. Sie vermittelt offensichtlich ein Zeitgefühl einer Generation zwischen dreißig und vierzig plus (bis zu 300.000 Klicks auf YouTube). Sie generiert Stimmungen, sucht nach Authentizität, mal zurückhaltend schüchtern, mal emanzipativ, ehrlich und aufrichtig. Nie aber ist sie aufmüpfig, widerständig oder gar kämpferisch. Sie sucht nach menschlicher Harmonie, wozu die tonalen Harmonien der Klassik aber nur scheinbar passen.

Sicher waren die Arrangements gefällig. Aber die Grenze zur Oberflächlichkeit, ja Seichtheit ließ sich nicht immer ziehen. Die Gefahr, der klassischen Musik ihre Lebendigkeit zu nehmen, sie zur reinen Konsummusik zu degradieren (der Gedanke an kaufstimulierende Supermarktmusik lag da nicht fern), lauerte buchstäblich an allen Ecken und Enden. Fisch oder Fleisch? Fisch und Fleisch? Nein, es war weder Fisch noch Fleisch.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen