Rheingau Musik Festival 2018
MIKIs Takeover! Ensemble Feat und Frida Gold im Friedrich-von-Thiersch-Saal Wiesbaden, 08.07.2018
MIKIs Takeover! Ensemble feat, vorne Alina Süggeler und Andreas Weitzel (Gitarre) Fotos: Ansgar Klostermann |
Fisch oder Fleisch?
Ein wunderbarer Friedrich-von-Thiersch-Saal im Stilmix von Klassizismus und Art Nouveau bot ein ideales Ambiente für den musikalischen Stilmix von Klassik und Pop. Alina Süggeler und Andreas Weitzel, alias Frida Gold, sowie das Ensemble MIKIs Takeover, bestehend aus einem vierköpfigen Streicherensemble, einem Oboisten, einem Kontrabassisten und einem Perkussionisten, versuchten sich an der allseits versuchten Synthese der auf den ersten Blick so unterschiedlichen musikalischen Genres: an der Frage von Fisch oder Fleisch, oder gar Fisch und Fleisch?
Herausgekommen ist … ja wenn man das so einfach
sagen könnte. Zuerst einmal eine lockere Atmosphäre mit viel Gerede und nicht
immer geistreichen Sprüchen. Dann eine Sängerin zwischen Femme fatale und Femme
fragile, mit schwarzen Strapsen à la Pippi Langstrumpf und glitzergrünem Petticoat-Kleidchen,
zu kurz, zu ausgeschnitten, ein wenig Unschuld vom Lande, eine wenig Helene
Fischer.
Es begann gleich mit einem Patzer zu Vaughan
Williams´ Oboenkonzert a-Moll, 1.
Satz, ein Bearbeitung für sieben Instrumentalisten. Der erste Geiger, Miki Kekenj, zugleich verantwortlich
für Konzeption und Arrangements dieses Veranstaltung, verlor seine Noten, was
aber eher zum Anlass genommen wurde, dem Publikum Entspanntheit und leichte
Kost zu versprechen. Ein lockerer Einstieg war es allemal.
Mit der Ballade: „Du, ich glaub daran“ aus „Einsam“
gab Alina Süggeler ihren Einstieg in den Abend. Lange rezitativ-ähnliche
Sprechpassagen wechselten mit einfachen Melodien. Ihre pastose Mezzo-Stimme
wirkte vor allem in den mittleren Tonlagen. Ihr suggestives Timbre passte zu
ihren Texten, die sich eigentlich immer um sie selbst drehen. So singt sie in „Utopia“,
ein relativ neues Lied aus eigener Hand, von einer sonderbaren Liebe und vom
Dahinfließen des Lebens und lässt sich dabei von Arpeggien aus Smetanas Moldau
und Mozarts Zauberflöte inspirieren. Auch „Wer einmal lügt, dem kann man nicht glauben“
handelt von enttäuschter Liebe und der Suche nach „Zärtlichkeit, die jeder
braucht“.
Natürlich sang sie ihre Hits „Unsere Liebe ist aus
Gold“, mit viel rhythmischen Klatschen und ein wenig Tango – oder war es
vielleicht ein Flamenco? Und „Liebe ist meine Religion, Liebe ist meine
Rebellion“, mit Phrasen aus Beethovens Streichquartetten und einem Pastiche klassischer
Motive. Alle ihre Lieder haben Bezüge zu ihren Befindlichkeiten, sind spontane
Eingebungen, Erlebnisse, emotionale Gefühlslagen. Eben das scheint ihren Erfolg
auszumachen.
v.l.n.r.: Miki Kekenj (Arrangeur), Gergana Petrova, Alina Süggeler, Andreas Weitzel |
Eine Frau auf der Suche nach Harmonie und Liebe
Ihr Premierensong „Last to Love“, eine Art Foxtrott
mit viel Yuva, Yuva und Ui, Ui, Ui oder „Leuchten“, ein Song, der Momente aus
ihrer gedankenlosen Zeit auffängt, mit Pentatonik, flirrenden Streicherstrichen
und Ruflauten der Männer, konnten den bis dahin eher weichen, fast
einschläfernden Grundton etwas auffrischen. Eine gute Idee war ihr Song „Du
machst mich verletzbar, du machst mich zum Schatten meiner selbst“. Eine
ehrliche Liebeserklärung, musikalisch untermalt von ihrem Begleiter und Freund,
Andreas Weitzel, auf der Gitarre und dem Kontrabassisten, Max Dommers. Ein musikalisches Highlight, weil mit warmem Akzent
gesungen und einfühlsam instrumentiert.
Mit „Run, Run, Run“ und „Wovon sollen wir träumen“,
bekannt als ZDF-Hymne der Frauen Fußball WM 2011, konnte Süggeler noch einmal
bei ihrem wohlwollenden Publikum punkten. Man klatschte, sie tanzte, ein wenig Schlager-Stimmung
im Saal und verklärte Augen bei „Ich fühl mich so leer, die Nacht ist so schwer
…“.
Stehende Ovationen und natürlich Zugaben: Eine ganz
eigene Version von Madonnas „Frozen“ sowie eine Liebesballade mit Gitarre und Kontrabass:
„Die Dinge haben sich verändert“. Wenn Alina Süggeler singt: „Ich bin auf der
Suche … Wir lieben einfach so den Moment … Heute ist alles so kompliziert … Wir
waren alle im selben Flow, ich vermisse dich so“, dann sagt das alles über sie
und ihre Songs. Sie vermittelt offensichtlich ein Zeitgefühl einer Generation
zwischen dreißig und vierzig plus (bis zu 300.000 Klicks auf YouTube).
Sie generiert Stimmungen, sucht nach Authentizität, mal zurückhaltend
schüchtern, mal emanzipativ, ehrlich und aufrichtig. Nie aber ist sie
aufmüpfig, widerständig oder gar kämpferisch. Sie sucht nach menschlicher
Harmonie, wozu die tonalen Harmonien der Klassik aber nur scheinbar passen.
Sicher waren die Arrangements gefällig. Aber die
Grenze zur Oberflächlichkeit, ja Seichtheit ließ sich nicht immer ziehen. Die Gefahr,
der klassischen Musik ihre Lebendigkeit zu nehmen, sie zur reinen Konsummusik
zu degradieren (der Gedanke an kaufstimulierende Supermarktmusik lag da nicht
fern), lauerte buchstäblich an allen Ecken und Enden. Fisch oder Fleisch? Fisch und Fleisch? Nein, es
war weder Fisch noch Fleisch.
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