Freitag, 24. August 2018


Rheingau Musik Festival 2018

Alliage Quintett, vier Saxophonisten und eine Pianistin spielen Werke von Leonard Bernstein, George Gershwin und Kurt Weill, Schloss Johannisberg, 23.8.2018

Alliage Quintett (Fotos: Ansgar Klostermann)

Maßgeschneiderte Arrangements für vier Saxophone und ein Klavier


Eine ungewöhnliche Formation spielte zum 100. Geburtstag  Leonard Bernsteins (1918-1990) Evergreens von ihm sowie von George Gershwin (1898-1937) und Kurt Weill (1900-1950). Ihre Besonderheit: Nichts ist original, denn es gibt schlicht und einfach keine Kompositionen für diese Fünf, aber alles ist blendend arrangiert, bearbeitet und extra maßgeschneidert für Daniel Gauthier (Sopransaxophon), Miguel Vallés Mateu (Altsaxophon), Simon Hanrath (Tenorsaxophon), Sebastian Pottmeier (Baritonsaxophon) und Jang Eun Bae (Klavier).


Die Ouvertüre zu Candide (1956), eine Operette nach dem satirischen Roman („Candide oder der Optimismus“) des französischen Philosophen Voltaire (1694-1778), geriet gleich zu Anfang zu einem fulminanten Einstieg in den abwechslungsreichen Abend. Ein Arrangement von Itai Sobol, einem Kölner Pianisten und Komponisten, das gleich alle Register des technischen und rhythmischen Könnens der Akteure zog. George Gershwins Summertime, aus Porgy and Bess (1935), ohne Klavier, diente da eher als besinnlicher Part, wie die Ruhe vor dem Sturm. Ein Arrangement von Sylvain Dedenon, das die Höhen und Tiefen der Saxophone feinziseliert auslotete und mit einem nachdenklichen Blues endete.

Die Ausschnitte aus Bernsteins Wonderful Town (1953), arrangiert von Andreas Hilner, Klarinettist und Dirigent, führten in die brodelnde City von New York. Ein Musical (der Vorgänger übrigens der West Side Story), das zwei Mädchen, die Schwestern Eileen und Ruth, vom Lande in die Stadt verschlägt, wo sie mit allerlei Leuten, Menschen und Kulturen zusammentreffen und ein Wechselbad der Gefühle abbilden. Die Musik (auch hier ohne Klavierbegleitung) wechselt von New-Orleans-Blues zu Ragtime, von Modern Jazz zu Foxtrott, von Irish Folk zu Walzer. Ein Kaleidoskop des Melting Pots der Fünfziger-Jahre. 

Durchaus ähnlich in seiner Anlage Gershwins Ein Amerikaner in Paris (1928, verfilmt 1951), arrangiert von Sylvain Dedenon. Neben der Rhapsodie in Blue sein populärstes Werk, hat Gershwin diese Tondichtung in freier Form ursprünglich für Orchester geschrieben. Sebastian Pottmeier, der Baritonist unter den Saxophonisten, führte bildhaft durch das 18-minütige Werk: „Stellen sie sich vor, sie sind als Fremder, als New Yorker, im Paris der 20er Jahre, schlendern durch die Straßen, sitzen im Café und beobachten die schönen Damen. Sie geraten ins Träumen und erinnern sich an ihre Heimat, die sich langsam und unmerklich mit der Stadt Paris verbindet.“
Als Quintett konnte diese spannungsgeladene Rhapsodie voll überzeugen. Vor allem der Klavierpart, sehr virtuos von Jang Eun Bae gestaltet, bot einen erfrischenden Farbkontrast zu den doch weitgehend zwischen Klarinette (warm und biegsam) und Oboe (näselnd, zuweilen schrill) changierenden Saxophonen. Der orchestrale Schluss und die perfekten rhythmischen Wechsel wie auch das makellose Zusammenspiel machten dem Namen des Quintetts, Alliage = Legierung, alle Ehre.

 
v.l.: Jang En Bae (Klavier), Sebastian Pottmeier (Baritonsaxophon), Simon Hanrath (Tenorsaxophon),
Miguel Vallés Mateu (Altsaxophon), Daniel Gauthier (Sopransaxophon)

Farbigkeit, rhythmische Brillanz und spieltechnische Kunstfertigkeit 


Eine Fantasie über fünf Songs aus Weills/Brechts Dreigroschenoper (1928) leitete den zweiten Teil des Abends ein. Zwischen Ballade vom angenehmen Leben, Pollys-Lied und Seeräuber-Jenny, lagen noch Wovon lebt der Mensch und vor allem Die Moritat von Mackie Messer. Ein Arrangement von Stefan Malzew, Dirigent und Komponist, das in knapp sechzehn Minuten die Urform der Oper zum Leben erweckte. Mit Jazz und Tango, Blues und Boogie Woogie, mit Ragtime und süßlich-melodischen Seitenhieben auf Oper und Operette wurde der Geist des epischen Theaters musikalisch erfrischend wiederbelebt.

Mit der Suite aus "West Side Story" (arrangiert vom Alliage Quintett selbst, angelehnt an Bernsteins Sinfonische Tänze von 1961) zeigte das Quintett noch einmal seine Farbigkeit, seine rhythmische Brillanz und spieltechnische Kunstfertigkeit. Mit dem sehnsuchtsvollen Maria und träumerischen Somewhere, mit dem gewaltsamen Mambo, dem lebendigen und hoffnungsvollen Scherzo und nicht zuletzt dem rasenden America bewiesen die Fünf, dass auch ein Ballett für sie kein Hindernis sein muss. Ihr Arrangement zumindest versetzte den Fürst-von-Metternich-Saal in Schwingungen, unterbrochen durch die hellen Blitze, die den Wetterumschwung des heißen Sommers ankündigten.

Mit zwei Zugaben von Dimitri Schostakowitsch (Walzer Nr. 2) und Nikolai A. Rimski-Korsakow (Hummelflug) verabschiedete sich das Alliage Quintett, nicht ohne noch einmal zu beteuern, dass auch andere Komponisten zu ihrem Repertoire gehören. So finden sich auf ihrer aktuellen CD Fantasia  neben der Ouvertüre zu Bernsteins Candide auch Igor Strawinskys Feuervogel und Paul Dukas Zauberlehrling. Alles bekannte Orchesterwerke, die aber im Arrangement für dieses Quintett eine ganz eigene Klangfarbe und einen besonderen Charakter bekommen.

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