Rheingau Musik Festival 2018
Alliage
Quintett, vier Saxophonisten und eine Pianistin spielen
Werke von Leonard Bernstein, George Gershwin und Kurt Weill, Schloss
Johannisberg, 23.8.2018
Alliage Quintett (Fotos: Ansgar Klostermann) |
Maßgeschneiderte Arrangements für vier Saxophone und ein Klavier
Eine ungewöhnliche Formation spielte zum 100. Geburtstag Leonard Bernsteins (1918-1990) Evergreens von ihm sowie von George Gershwin (1898-1937) und Kurt Weill (1900-1950). Ihre Besonderheit: Nichts ist original, denn es gibt schlicht und einfach keine Kompositionen für diese Fünf, aber alles ist blendend arrangiert, bearbeitet und extra maßgeschneidert für Daniel Gauthier (Sopransaxophon), Miguel Vallés Mateu (Altsaxophon), Simon Hanrath (Tenorsaxophon), Sebastian Pottmeier (Baritonsaxophon) und Jang Eun Bae (Klavier).
Die Ouvertüre zu
Candide (1956), eine Operette nach dem satirischen Roman („Candide oder der
Optimismus“) des französischen Philosophen Voltaire (1694-1778), geriet gleich
zu Anfang zu einem fulminanten Einstieg in den abwechslungsreichen Abend. Ein
Arrangement von Itai Sobol, einem Kölner Pianisten und Komponisten, das gleich
alle Register des technischen und rhythmischen Könnens der Akteure zog. George
Gershwins Summertime, aus Porgy
and Bess (1935), ohne Klavier, diente
da eher als besinnlicher Part, wie die Ruhe vor dem Sturm. Ein Arrangement von
Sylvain Dedenon, das die Höhen und Tiefen der Saxophone feinziseliert auslotete
und mit einem nachdenklichen Blues endete.
Die Ausschnitte aus Bernsteins Wonderful Town (1953), arrangiert von Andreas Hilner, Klarinettist und
Dirigent, führten in die brodelnde City von New York. Ein Musical (der
Vorgänger übrigens der West Side Story),
das zwei Mädchen, die Schwestern Eileen und Ruth, vom Lande in die Stadt
verschlägt, wo sie mit allerlei Leuten, Menschen und Kulturen zusammentreffen
und ein Wechselbad der Gefühle abbilden. Die Musik (auch hier ohne Klavierbegleitung)
wechselt von New-Orleans-Blues zu Ragtime, von Modern Jazz zu Foxtrott, von
Irish Folk zu Walzer. Ein Kaleidoskop des Melting Pots der Fünfziger-Jahre.
Durchaus ähnlich in seiner Anlage Gershwins Ein Amerikaner in Paris (1928, verfilmt 1951), arrangiert von
Sylvain Dedenon. Neben der Rhapsodie in
Blue sein populärstes Werk, hat Gershwin diese Tondichtung in freier Form
ursprünglich für Orchester geschrieben. Sebastian Pottmeier, der Baritonist unter
den Saxophonisten, führte bildhaft durch das 18-minütige Werk: „Stellen sie
sich vor, sie sind als Fremder, als New Yorker, im Paris der 20er Jahre,
schlendern durch die Straßen, sitzen im Café und beobachten die schönen Damen. Sie
geraten ins Träumen und erinnern sich an ihre Heimat, die sich langsam und
unmerklich mit der Stadt Paris verbindet.“
Als Quintett konnte diese spannungsgeladene Rhapsodie
voll überzeugen. Vor allem der Klavierpart, sehr virtuos von Jang Eun Bae
gestaltet, bot einen erfrischenden Farbkontrast zu den doch weitgehend zwischen
Klarinette (warm und biegsam) und Oboe (näselnd, zuweilen schrill)
changierenden Saxophonen. Der orchestrale Schluss und die perfekten
rhythmischen Wechsel wie auch das makellose Zusammenspiel machten dem Namen des
Quintetts, Alliage = Legierung, alle Ehre.
v.l.: Jang En Bae (Klavier), Sebastian Pottmeier (Baritonsaxophon), Simon Hanrath (Tenorsaxophon), Miguel Vallés Mateu (Altsaxophon), Daniel Gauthier (Sopransaxophon) |
Farbigkeit, rhythmische Brillanz und spieltechnische Kunstfertigkeit
Eine Fantasie
über fünf Songs aus Weills/Brechts Dreigroschenoper
(1928) leitete den zweiten Teil des Abends ein. Zwischen Ballade vom angenehmen Leben, Pollys-Lied
und Seeräuber-Jenny, lagen noch Wovon lebt der Mensch und vor allem Die Moritat
von Mackie Messer. Ein Arrangement von Stefan Malzew, Dirigent und
Komponist, das in knapp sechzehn Minuten die Urform der Oper zum Leben
erweckte. Mit Jazz und Tango, Blues und Boogie Woogie, mit Ragtime und süßlich-melodischen
Seitenhieben auf Oper und Operette wurde der Geist des epischen Theaters
musikalisch erfrischend wiederbelebt.
Mit der Suite
aus "West Side Story" (arrangiert vom Alliage Quintett selbst, angelehnt an
Bernsteins Sinfonische Tänze von 1961)
zeigte das Quintett noch einmal seine Farbigkeit, seine rhythmische
Brillanz und spieltechnische Kunstfertigkeit. Mit dem sehnsuchtsvollen Maria und träumerischen Somewhere, mit dem gewaltsamen Mambo, dem lebendigen und
hoffnungsvollen Scherzo und nicht
zuletzt dem rasenden America bewiesen
die Fünf, dass auch ein Ballett für sie kein Hindernis sein muss. Ihr
Arrangement zumindest versetzte den Fürst-von-Metternich-Saal
in Schwingungen, unterbrochen durch die hellen Blitze, die den Wetterumschwung
des heißen Sommers ankündigten.
Mit zwei Zugaben von Dimitri Schostakowitsch (Walzer Nr. 2) und Nikolai A. Rimski-Korsakow
(Hummelflug) verabschiedete sich das
Alliage Quintett, nicht ohne noch einmal zu beteuern, dass auch andere Komponisten
zu ihrem Repertoire gehören. So finden sich auf ihrer aktuellen CD Fantasia
neben der Ouvertüre zu Bernsteins Candide
auch Igor Strawinskys Feuervogel und Paul
Dukas Zauberlehrling. Alles bekannte
Orchesterwerke, die aber im Arrangement für dieses Quintett eine ganz eigene
Klangfarbe und einen besonderen Charakter bekommen.
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