Donnerstag, 6. September 2018


Rheingau Musik Festival 2018

Yo-Yo Ma, Emanuel Ax und Leonidas Kavakos spielen Johannes Brahms: Klaviertrios op. 8, op. 87 und op. 101, Alte Oper Frankfurt (Veranstalter PRO ARTE in Kooperation mit dem Rheingau Musik Festival)


v.l.: Leonidas Kavakos, Emanuel Ax, N.N., Yo-Yo Ma (Fotos: PRO ARTE, Sabine Siemon)

Mit Superlativen nicht mehr zu umschreiben


Kaum zu fassen. Da treten drei Ausnahmekünstler, Leonidas Kavakos (*1967) an der Violine, Emanuel Ax (*1949) am Klavier und Yo-Yo Ma (*1955) am Violoncello, nur ein einziges Mal in Deutschland (und nur dreimal in Europa) auf und spielen ausgerechnet das Gesamtwerk von Johannes Brahms´ (1833-1897) Klaviertrios, in dieser Vollständigkeit so noch nie gehört, und das ausgerechnet in der Frankfurter Alten Oper. Ein Jahrhundertereignis. Und das war es tatsächlich. Was die drei Maestri auf die Bühne zauberten war nicht nur vom Allerfeinsten, sondern auch eine musikalische Lehrstunde perfektester Interpretationskunst, das mit Superlativen nicht mehr zu umschreiben ist.


Eigentlich hat Johannes Brahms ja vier Klaviertrios geschrieben, denn sein erstes in H-Dur op. 8 komponierte er zweimal. Die erste Fassung 1854, da war er gerade mal zwanzig Jahre alt, das er, obwohl Clara und Robert Schumann es als das Werk „eines Berufenen“ einstufte, rundweg ablehnte und einzustampfen gedachte, und erst 35 Jahre später wieder vornahm und in einer revidierten Fassung veröffentlichte. Glücklicherweise sind beide Fassungen erhalten, wobei sich das Trio Kavakos, Ax und Ma die von 1890 vornahm und sie an den Schluss des Abends stellte.

Der Chronologie des Schaffens von Brahms folgend eröffneten sie mit Trio Nr. 2 C-Dur op. 87 (1880/82), das am 29.12.1892 in Frankfurt/Main, im Rahmen des 5. Kammermusikabends der Frankfurter Museumsgesellschaft, uraufgeführt wurde. Es war das Jahrzehnt, in dem allein seine vier Sinfonien, zwei Klavierkonzerte und das Violinkonzert D-Dur entstanden. Das Klaviertrio folgte unmittelbar nach seiner Fertigstellung seines 2. Klavierkonzerts (1881) und bildete quasi dessen kammermusikalisches Gegenstück, vor allem was den dominanten Klavierpart und die Komplexität der Formbildung betrifft.

Nach dem eigenwilligen, fast majestätisch vorgetragenen Allegro-Kopfsatz, folgte ein in Moll gehaltenes Andante von ausnehmender Schönheit. In vier Variationen mit Anklängen an ungarische Folklore und chopinhafter Nocturne, einer hinreißenden Kantilene, von Yo-Yo Ma zauberhaft zelebriert, zeigte das Trio-Exzeptionale bereits hier seine Einmaligkeit wie sein Einfühlungsvermögen in die Brahmsche Seele: Ein wenig unheimlich; Licht- und Schattenseiten seines romantischen Geistes erfüllten den vollbesetzten Raum des Großen Saals der Alten Oper. Das folgende Scherzo in c-Moll mit seinen Sechzehntel-Triolen erinnerte an Franz Schuberts Streichquartett in G-Dur, war aber beseelt von einem pianistischen Leggiero-Part des Emanuel Ax von selten gehörtem Pianissimo-Legato. Ein Gedicht. Jugendlich frisch dann das Finale. Hier wechselt Brahms wieder zum C-Dur. Ein Giocoso, bei dem das Klavier alle Register zog. Es schlug und stieß und steigerte sich zu einer Wahnsinns-Coda, bei der das Trio zu einem mittelgroßen Orchester anschwoll.
Eine überwältigende Klangfülle gepaart mit einem Reichtum an Melodien und Themen, vorgetragen von einem Trio wie aus einem Guss.

v.l.: Leonidas Kavakos, Emanuel Ax, N.N., Yo-Yo Ma

Drei Titanen treffen eine vierten


Brahms Klaviertrio Nr. 3  c-Moll op. 101 entstand während seines Sommerurlaubs im Schweizerischen Hofstetten am Thuner See im Jahre 1886. Zu dieser Zeit konzentrierte sich Brahms auf seine kammermusikalische Arbeit. Es entstanden viele seiner Sonaten, Walzer und Intermezzi. Obwohl in der Schweiz entstanden, ist sein Duktus doch sehr wienerisch, voller Melodienseligkeit, tänzerisch mit ungarischer Folklore und sentimentalem Walzerreigen. Nicht von ungefähr lobte Clara Schumann an diesem Werk „die Größe des Einfalls“, die sich durch alle vier Sätze verwirklicht.

Einem rhapsodischen Allegro energico mit sinfonischen Ausmaßen, folgte ein schwungvolles Presto, nicht allzu schnell, mit perfekt vorgetragenen Pizzicati der beiden Streicher. Dann ein Andante, gleichsam einem Tanz auf einer Blumenwiese ähnlich und ein Finale mit Alpenatmosphäre, erhaben und überwältigend, eine sinfonische Dichtung in Richard Straussscher Manier. Die Uraufführung in Budapest gestalteten übrigens der Komponist selbst am Klavier, Josef Joachim an der Violine und Robert Hausmann am Violoncello. 
Wie sie gespielt haben wissen wir nicht, aber die Kritiken waren nicht einhellig positiv. Was aber die Drei in der Alten Oper daraus machten, entsprach ohne Abstriche der Lobeshymne der Pianistin Elisabeth von Herzogenberg (1847-1892), eine enge Vertraute von Brahms: „Etwas wie dieses Trio, in allen Teilen vollendet, so leidenschaftlich und so maßvoll, so groß und so lieblich, so knapp und so beredt, ist überhaupt wohl so selten gespielt worden.“ Es hätte an Ax, Kavakos und Ma gerichtet sein können.

Zum Finale dann das erste bzw. das vierte Klaviertrio H-Dur Nr. 1 op. 8 (1854/1890). Es ist zugleich sein frühestes wie sein spätestes Klaviertrio. Die Spätfassung zeugt von 35 Jahren Erfahrung und zwischenzeitlich entstandenen 100 Opera. Ein 37-minütiges Werk von heroischem Duktus im Allegro-Kopfsatz, mit dichtester motivischer Ausformung, Momenten von Melancholie, sehnsüchtiger Träumerei  und kindlicher Freude. Einem Scherzo mit Anklängen an Schuberts Erlkönig und geisterhaften und skurrilen Romanfiguren à la E.T.A. Hoffmann. Einem Adagio zum Schwelgen, mit himmlischer, nahezu sakraler Cello-Melodei und raumfüllendem Pianissimo von äußerster Ruhe getragen und dem Allegro-Finale, an Mendelssohns Italienische erinnernd, mit orchestralen Oktavpartien, synkopischen Rhythmuswechseln und einem abschließenden Wahnsinnsstretto. Eine Apotheose, die das Publikum regelrecht von den Sitzen hob.

Wie anfangs bereits hervorgehoben: Es war ein Konzert der Superlative ohne irgendwelche Abstriche. Drei Interpreten, die selten zusammenkommen und dennoch wie aus einem Ei gepellt harmonierten. Drei Titanen an ihren Instrumenten erweckten einen Komponisten-Titanen des 19. Jahrhunderts und verwandelten die Alte Oper Frankfurt in einen Olymp der Götter. Die Zugabe, ein wunderbares Andante aus dem Trio in B-Dur (D 898) von Franz Schubert, entließ ein begeistertes Publikum und machte den Abschluss des Rheingau Musik Festivals 2018 wie den Auftakt der Saison 2018/19 von PRO ARTE zu einem einprägenden und einzigartigen Erlebnis.

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