Montag, 22. Oktober 2018


Festkonzert zum 200-jährigen Jubiläum des Cäcilienchors Frankfurt

Messa da Requiem (1874) von Giuseppe Verdi (1813-1901) mit dem Cäcilienchor Frankfurt, dem Bachchor Heidelberg und der Staatskapelle Weimar, Alte Oper Frankfurt, 21.10.2018

Cäcilienchor mit seinem Leiter, Christian Kabitz, am Eisernen Steg, Frankfurt (Foto: Cäcilienchor)

Ein Festkonzert mit Feuer und Freude


Zweihundert Jahre existiert nun dieser Chor, einer der ältesten in Deutschland, wenn nicht gar auf der Welt. 1818 gegründet, der heiligen Cäcilia, der Patronin der Kirchenmusik, gewidmet, gehört er zu den bedeutendsten Chören für die Werke Johann Sebastian Bachs und Georg Friedrich Händels, aber auch die Carmina Burana von Carl Orff oder auch aktuell die Messa da Requiem von Giuseppe Verdi gehören zu den herausragenden Ereignissen dieses Chores. Es versteht sich von selbst, dass ihn so bedeutende Dirigenten wie George Solti, Michael Gielen, Lorin Maazel oder auch Kurt Masur leiteten und keine geringerer als Felix Mendelssohn Bartholdi (1809-1847), ebenfalls zeitweiliger Chorleiter, der dem Chor mehrere seiner Kompositionen widmete (u. a. 1836 sein Oratorium Paulus), urteilte über die Cäciliensänger: „Die Leute singen mit so viel Feuer und so zusammen, dass es eine Freude ist.“


Mit der Messa da Requiem (1874) von Giuseppe Verdi (1913-1901)  hat sich der Chor unter der Leitung von Christian Kabitz – er leitet den Chor bereits seit 1988 – Großes vorgenommen. Nicht von ungefähr zählt sie zu den Meisterwerken Verdis, stammt sie doch aus der Zeit des Risorgimento, der italienischen Nationalbewegung, der auch Verdi mit großer Empathie angehörte, ist opernähnlich, arios angelegt – vieles ist bereits in der Erstfassung von seiner Oper Don Carlos (1867) zu hören – und last but not least, trotz weitgehender Anlehnung an die römisch-katholisch Liturgie der Totenmesse, durch und durch dramatisch konzipiert, von einer Musik geprägt, die alle Höhen und Tiefen der menschlichen Gefühlswelten durchmisst. Sie braucht großes Orchester mit überdimensionierter Blechbläser Besetzung (allein acht Trompeten, Ophikleiden, vier Hörner und drei Ventilposaunen), sehr großen Chor und vier Solisten (Sopran, Alt, Tenor, Bass).

Ergänzt durch den Bachchor Heidelberg, mit der Staatskapelle Weimar (musikalischer Leiter: Kirill Karabits) und vier hochdekorierten Gesangssolisten: Aga Mikolaj (Sopran), Judit Németh (Mezzosopran), Jaesig Lee (Tenor) und Önay Köse (Bass), konnte der Cäcilienverein ein musikalisches Aufgebot auf die Bühne des vollbesetzten großen Saals der Alten Oper bringen, das dem Anspruch des Requiems in dieser Größenordnung durchaus gerecht wurde.

„Und ewiges Licht leuchte ihnen“


Das Requiem enthält sieben Teile, wobei das Dies Irae (Nr. 2) wiederum aus neun Untergruppen besteht.  In diesem liturgischen Abschnitt zeichnen sich vor allem die Solisten aus. Es ist der Tag der Rache, des höchsten Gerichts, der Tag der Tränen und der Wehen. Allein dreimal ertönt das schreckliche Dies Irae, mit Pauken und Trompeten, die aus dem Rang wie biblische Schalmeien schallen. Verdi gestaltet das göttliche Gericht über die Menschheit in hartem und unerbittlichem Ton. Es wirkt wie ein hoffnungsloses Rufen an den Allschöpfer und Allzerstörer. Vor allem bei Önay Köse wurde „die Hölle ohne Schonung“ zum Schrei nach Vergebung. Seine Stimme klang wie Trompete und Violoncello zugleich.

Hervorragend auch das Gebet des Offertoriums (Nr. 3), in dem alle vier Solisten voller Hingabe die Transformation vom Tod zum Leben erbaten und dem Herrn Opfer und Gebete versprachen.  Das Sanctus (Nr. 4), ein Doppelchor mit himmlischen Trompetenklängen und Orchestertutti konnte gesanglich weniger überzeugen, wurde aber durch das schwungvolle Spiel des Orchesters harmonisch ausgeglichen.

Das Agnus Dei, ein Oktavduett von Mezzosopran und Sopran mit Chorbegleitung, gehörte mit zum eindrucksvollsten dieses Abends. Zwei Frauenstimmen mit Wagnererfahrung erfüllten den Saal mit starkem Register und leicht dunkel gefärbter Resonanz. Hier stimmte einfach alles zwischen Solisten, Chor und Orchester.

Das Libera me (Nr. 7), das Verdi bereits zum Tode Gioachino Rossinis (1868) komponierte und der Totenliturgie zugefügt ist, klingt wie eine Reminiszenz an das Dies Irae.  Hier bricht Angst und Schrecken wieder durch. „Zitternd steh ich und in Ängsten, wenn die Rechenschaft naht und der drohende Zorn“, singt die Sopranistin und der Chor begleitet fugatisch die Beschwörung des Libera me, „Befreie mich Herr vom ewigen Tod“. Man könnte geneigt sein zu sagen, besser ein Schrecken mit Ende als ein Schrecken ohne Ende. Allein die warm timbrierte Stimme von Aga Mikolaj machte noch Hoffnung. Ihr abschließendes Requiem Aeterna („Ewige Ruhe gib ihnen, Herr und ewiges Licht leuchte ihnen“) war von einer beschwörenden Wahrhaftigkeit, das selbst das verzweifelte Libera me des Chores hoffnungsvoll überdeckte.

Der Cäcilienchor bzw. der Cäcilienverein hat mit dem Messa da Requiem an den langjährigen Leiter (1981-1988) und 2018 verstorbenen Enoch von Guttenberg erinnert. Zu recht, denn Guttenbergs letzter Auftritt in der Alten Oper Frankfurt war am 16.03.2016, und das mit eben der Messa da Requiem von Giuseppe Verdi. Eine Parallele mitnichten, aber eine aufrichtige Würdigung an einen großen Chorleiter (Neubeuerner Chorgemeinschaft seit 1967), Dirigenten und Gründer der Herrenchiemsee-Festspiele (2001).

Ein Festkonzert, das mit vielen Wünschen an weitere 200 Jahre verbunden ist und gleichzeitig das 30-jährige Jubiläum eines Dirigenten, Christian Kabitz, feiert, der sich darüber hinaus mit den seit 2001 von ihm moderierten Familienkonzerten und seiner Begleitung der Frankfurter  Bachkonzerte über die Grenzen der Messestadt hinaus einen Namen erworben hat. Man wünscht ihnen von Herzen, um mit dem Libera me zu sprechen, dass ihnen das ewige Licht leuchte.

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