Festkonzert zum 200-jährigen Jubiläum des
Cäcilienchors Frankfurt
Messa
da Requiem (1874) von Giuseppe Verdi (1813-1901) mit dem
Cäcilienchor Frankfurt, dem Bachchor Heidelberg und der Staatskapelle Weimar,
Alte Oper Frankfurt, 21.10.2018
Cäcilienchor mit seinem Leiter, Christian Kabitz, am Eisernen Steg, Frankfurt (Foto: Cäcilienchor) |
Ein Festkonzert mit Feuer und Freude
Zweihundert Jahre existiert nun dieser Chor, einer der ältesten in Deutschland, wenn nicht gar auf der Welt. 1818 gegründet, der heiligen Cäcilia, der Patronin der Kirchenmusik, gewidmet, gehört er zu den bedeutendsten Chören für die Werke Johann Sebastian Bachs und Georg Friedrich Händels, aber auch die Carmina Burana von Carl Orff oder auch aktuell die Messa da Requiem von Giuseppe Verdi gehören zu den herausragenden Ereignissen dieses Chores. Es versteht sich von selbst, dass ihn so bedeutende Dirigenten wie George Solti, Michael Gielen, Lorin Maazel oder auch Kurt Masur leiteten und keine geringerer als Felix Mendelssohn Bartholdi (1809-1847), ebenfalls zeitweiliger Chorleiter, der dem Chor mehrere seiner Kompositionen widmete (u. a. 1836 sein Oratorium Paulus), urteilte über die Cäciliensänger: „Die Leute singen mit so viel Feuer und so zusammen, dass es eine Freude ist.“
Mit der Messa
da Requiem (1874) von Giuseppe Verdi (1913-1901) hat sich der Chor unter der Leitung von Christian Kabitz – er leitet den Chor
bereits seit 1988 – Großes vorgenommen. Nicht von ungefähr zählt sie zu den
Meisterwerken Verdis, stammt sie doch aus der Zeit des Risorgimento, der
italienischen Nationalbewegung, der auch Verdi mit großer Empathie angehörte, ist
opernähnlich, arios angelegt – vieles ist bereits in der Erstfassung von seiner
Oper Don Carlos (1867) zu hören – und
last but not least, trotz weitgehender Anlehnung an die römisch-katholisch
Liturgie der Totenmesse, durch und durch dramatisch konzipiert, von einer Musik
geprägt, die alle Höhen und Tiefen der menschlichen Gefühlswelten durchmisst.
Sie braucht großes Orchester mit überdimensionierter Blechbläser Besetzung
(allein acht Trompeten, Ophikleiden, vier Hörner und drei Ventilposaunen), sehr
großen Chor und vier Solisten (Sopran, Alt, Tenor, Bass).
Ergänzt durch den Bachchor Heidelberg, mit der
Staatskapelle Weimar (musikalischer Leiter: Kirill Karabits) und vier hochdekorierten Gesangssolisten: Aga Mikolaj (Sopran), Judit Németh (Mezzosopran), Jaesig Lee (Tenor) und Önay Köse (Bass), konnte der
Cäcilienverein ein musikalisches Aufgebot auf die Bühne des vollbesetzten großen
Saals der Alten Oper bringen, das dem Anspruch des Requiems in dieser Größenordnung durchaus gerecht wurde.
„Und ewiges Licht leuchte ihnen“
Das Requiem
enthält sieben Teile, wobei das Dies Irae
(Nr. 2) wiederum aus neun Untergruppen besteht.
In diesem liturgischen Abschnitt zeichnen sich vor allem die Solisten
aus. Es ist der Tag der Rache, des höchsten Gerichts, der Tag der Tränen und
der Wehen. Allein dreimal ertönt das schreckliche Dies Irae, mit Pauken und Trompeten, die aus dem Rang wie biblische
Schalmeien schallen. Verdi gestaltet das göttliche Gericht über die Menschheit
in hartem und unerbittlichem Ton. Es wirkt wie ein hoffnungsloses Rufen an den
Allschöpfer und Allzerstörer. Vor allem bei Önay Köse wurde „die Hölle ohne
Schonung“ zum Schrei nach Vergebung. Seine Stimme klang wie Trompete und
Violoncello zugleich.
Hervorragend auch das Gebet des Offertoriums (Nr. 3), in dem alle vier Solisten voller Hingabe die
Transformation vom Tod zum Leben erbaten und dem Herrn Opfer und Gebete versprachen.
Das Sanctus
(Nr. 4), ein Doppelchor mit himmlischen Trompetenklängen und Orchestertutti
konnte gesanglich weniger überzeugen, wurde aber durch das schwungvolle Spiel
des Orchesters harmonisch ausgeglichen.
Das Agnus Dei,
ein Oktavduett von Mezzosopran und Sopran mit Chorbegleitung, gehörte mit zum eindrucksvollsten
dieses Abends. Zwei Frauenstimmen mit Wagnererfahrung erfüllten den Saal mit starkem
Register und leicht dunkel gefärbter Resonanz. Hier stimmte einfach alles
zwischen Solisten, Chor und Orchester.
Das Libera me (Nr.
7), das Verdi bereits zum Tode Gioachino Rossinis (1868) komponierte und der
Totenliturgie zugefügt ist, klingt wie eine Reminiszenz an das Dies Irae. Hier bricht Angst und Schrecken wieder durch.
„Zitternd steh ich und in Ängsten, wenn die Rechenschaft naht und der drohende
Zorn“, singt die Sopranistin und der Chor begleitet fugatisch die Beschwörung
des Libera me, „Befreie mich Herr vom
ewigen Tod“. Man könnte geneigt sein zu sagen, besser ein Schrecken mit Ende
als ein Schrecken ohne Ende. Allein die warm timbrierte Stimme von Aga Mikolaj
machte noch Hoffnung. Ihr abschließendes Requiem
Aeterna („Ewige Ruhe gib ihnen, Herr und ewiges Licht leuchte ihnen“) war
von einer beschwörenden Wahrhaftigkeit, das selbst das verzweifelte Libera me des Chores hoffnungsvoll
überdeckte.
Der Cäcilienchor bzw. der Cäcilienverein hat mit dem
Messa da Requiem an den langjährigen
Leiter (1981-1988) und 2018 verstorbenen Enoch von Guttenberg erinnert. Zu
recht, denn Guttenbergs letzter Auftritt in der Alten Oper Frankfurt war am
16.03.2016, und das mit eben der Messa da
Requiem von Giuseppe Verdi. Eine Parallele mitnichten, aber eine aufrichtige
Würdigung an einen großen Chorleiter (Neubeuerner Chorgemeinschaft seit 1967),
Dirigenten und Gründer der Herrenchiemsee-Festspiele (2001).
Ein Festkonzert, das mit vielen Wünschen an weitere
200 Jahre verbunden ist und gleichzeitig das 30-jährige Jubiläum eines
Dirigenten, Christian Kabitz, feiert, der sich darüber hinaus mit den seit 2001
von ihm moderierten Familienkonzerten und seiner Begleitung der
Frankfurter Bachkonzerte über die Grenzen
der Messestadt hinaus einen Namen erworben hat. Man wünscht ihnen von Herzen,
um mit dem Libera me zu sprechen,
dass ihnen das ewige Licht leuchte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen