Wohltemperiert – nicht nur für Klavier: Originale und
Bearbeitungen, Studierende der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst
(HfMDK), Alte Oper Frankfurt, 28.03.2019 (eine Veranstaltung der Frankfurter
Bachkonzerte e.V.)
Die dreizehn InterpretInnen der HfMDK beim Schlussapplaus im Mozartsaal der Alten Oper Frankfurt (Foto: Frankfurter Bachkonzerte e.V.) |
Temperiert aber nicht immer rein
Dreizehn junge KünstlerInnen der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) spielten auf wohltemperiert gestimmten Instrumenten insgesamt achtzehn Präludien und Fugen von Johann Sebastian Bach bis György Kurtag (*1926). Ein Kaleidoskop durch die 24 Tonarten, die bekanntlich erst seit der temperierten Stimmung, eingeführt von Andreas Werckmeister (1645-1706) in den Jahren 1681 bis 1691, das Spiel in sämtlichen Tonarten auf einem Tasteninstrument ermöglichte.
Johann Sebastian Bach war wohl der erste unter den
Komponisten, der in seinem Wohltemperierten
Klavier (1717) – eine Anspielung auf Werckmeisters Buchtitel: Orgelprobe oder kurze Beschreibung wie ein
Clavier wohl zu temperieren sey“ (1681) – davon Gebrauch machte und bis heute das
Vorbild vieler Komponisten ist, es ihm gleich zu tun. Darunter keine geringeren
als Frédéric Chopin (1810-1849), Alexander Skrjabin (1872-1915), Ferruccio
Busoni (1865-1924) oder auch Dimitri Schostakowitsch (1905-1976), die alle die
wohltemperierte Stimmung in einem einzelnen Werk bündelten. So die 24 Préludes
von Fréderic Chopin oder Alexander Skrjabin, die 24 Präludien und Fugen von
Dimitri Schostakowitsch, und nicht zuletzt die Zwölf Mikroludien für Klavier von György Kurtag, der darin alle
zwölf Halbtöne der chromatischen Tonleiter in frei gehandhabter serieller
Technik verarbeitet.
Fünf InterpretInnen (Klasse: Eva Maria Pollerus) spielten
aus Bachs Wohltemperierten Klavier (WTK) Präludium
und Fuge C-Dur (WTK 1), a-Moll
(WTK 2), f-Moll (WTK 1), Fis-Dur (WTK 1) sowie F-Dur (WTK 2). Auffallend bei allen die
starke Tendenz zu Rubati, Ritardando und Accelerando, was der Kontrapunktik des
Barock nicht eigentlich gerecht wurde. Alexander
von Heißen allerdings, dessen Leidenschaft wohl auch dem Jazz gilt, konnte
mit seinem F-Dur-Vortrag durch
rhythmischen Schwung und fließende Agogik überzeugen.
Interessant die Vorträge auf Marimbaphon und Harfe. Raúl Flores Aloy und Elias Bollinger, beide aus der Klasse
Rainer Römer, spielten im Duo eine Bearbeitung aus Bachs Präludium und Fuge Es-Dur (WTK 1), ein klangliches Erlebnis der
besonderen Art, wobei die dreistimmige Fuge auch beim Publikum großen Eindruck
hinterließ. Dagegen bewegte sich die Harfenbearbeitung von Bachs Präludium und Fuge D-Dur (WTK 1) von Nan Wang (Klasse: Françoise Friedrich)
im Grenzbereich der instrumentalen Möglichkeiten. In mäßigem Tempo, das Allegro
des Präludiums war eher ein Andante und die Zweiunddreißigstel der vierstimmigen
Fuge gerieten bei ihr zu Achteln, verwandelte sie das virtuose Stück in ein
Wiegenlied, dafür aber hinreißend gespielt.
Hervorzuheben dagegen Jeongbae
Ji aus der Klasse Oliver Kern, der auf dem Steinway Flügel Bachs Präludium und Fuge Cis-Dur hinzauberte,
technisch versiert, auswendig und mit großer Souveränität, das nur Staunen hinterließ.
Seine höchst romantische Interpretation von Busonis Préludes op. 15 Des-Dur
und op. 16 b-Moll waren ebenfalls ein
Hörgenuss. Auch das Spiel von Jiehye Lim
(Klasse Catherine Vickers, Bernhard Wetz und Florian Hölscher) gehörte zu den
Highlights des Abends. Großartig, wie sie die nur wenige Sekunden andauernden
Mikroludien von Kurtag inszenierte. Brillant, versiert und spannend in Szene
gesetzt.
Festzuhalten noch die Vorträge von Alexander Smolyarov und SeolHwa
Kim (Klasse: Oliver Kern). Smolyarov
setzte sich mit Dimitri Schostakowitschs Präludium
und Fuge op. 87/4 auseinander. Auswendig, mit viel Seele und guter Technik konnte
er vor allem in der Fuge, ein russisches Volkslied vierstimmig kontrapunktiert,
glänzen. Kim gelang es, mit vier der 24 Préludes von Skrjabin in
beeindruckender Manier ein musikalisches Bild des Komponisten zu zeichnen, das
stark an Brahms und Schumann erinnerte.
Höhepunkt sollte wohl Frédéric Chopins Préludes op. 24 werden. Dmitry
Ablogin (ehemals Klasse: Jesper B. Christensen), Spezialist für das
Hammerklavier, wählte für seinen Vortrag die letzten sieben der 24 Préludes aus
und, man muss es leider festhalten, er scheiterte auf der ganzen Linie. Warum
das? Es lag wohl weniger an ihm, als am Instrument. Das Hammerklavier klang
klapprig, verschluckte einen Großteil der Töne und wirkte wie ein verblasstes Steinwandbild, dessen Farben und Konturen kaum erkennbar sind.
Ablogin, der unbestreitbar versiert auf den Tasten agierte,
geriet von einem Tiefpunkt zum anderen. Bereits die Nr. 18, ein Allegro molto wirkte dahin gehudelt, die
Sechszehntel verschwammen im Nichts und das dreifache Forte am Schluss klang
wie ein Hilferuf aus dem Keller. Auch das folgende Vivace legato klang eher wie ein fehlerhaftes Tonband. Selbst das Largo in Nr. 20 und das Cantabile in Nr. 21 wirkten wie das müde
Klappern eines Ackergauls.
Spätestens das abschließende Allegro appassionato (Nr. 24) ließ die Frage aufkommen, warum ausgerechnet
dieses wunderbare Werk auf diesem Hammerklavier gespielt werden musste. Wäre nicht
etwa ein Pleyel Flügel, auf dem
Chopin weitestgehend seine Stück präsentierte, nicht eher angebracht gewesen? Schade
für den Interpreten, der sein Bestes gab.
Ebenso sollte man sich die Frage stellen, ob dieses Format
für die Alte Oper sinnvoll ist, oder besser in die HfMDK gehört. Das Publikum – der
Mozartsaal war nicht gut besetzt – klatschte zwar freundlich, was die Künstler auch
absolut verdient haben. Aber dreizehn InterpretInnen und achtzehn Werke von
sehr unterschiedlicher Provenienz und auf sehr unterschiedlichen Instrumenten
in kaum zwei Stunden präsentiert, wirkte denn doch sehr überfrachtet und
letztlich auch ermüdend.
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