Freitag, 29. März 2019


Wohltemperiert – nicht nur für Klavier: Originale und Bearbeitungen, Studierende der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK), Alte Oper Frankfurt, 28.03.2019 (eine Veranstaltung der Frankfurter Bachkonzerte e.V.)

Die dreizehn InterpretInnen der HfMDK beim Schlussapplaus im Mozartsaal der Alten Oper Frankfurt
(Foto: Frankfurter Bachkonzerte e.V.) 

Temperiert aber nicht immer rein


Dreizehn junge KünstlerInnen der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) spielten auf wohltemperiert gestimmten Instrumenten insgesamt achtzehn Präludien und Fugen von Johann Sebastian Bach bis György Kurtag (*1926). Ein Kaleidoskop durch die 24 Tonarten, die bekanntlich erst seit der temperierten Stimmung, eingeführt von Andreas Werckmeister (1645-1706) in den Jahren 1681 bis 1691, das Spiel in sämtlichen Tonarten auf einem Tasteninstrument ermöglichte.


Johann Sebastian Bach war wohl der erste unter den Komponisten, der in seinem Wohltemperierten Klavier (1717) – eine Anspielung auf Werckmeisters Buchtitel: Orgelprobe oder kurze Beschreibung wie ein Clavier wohl zu temperieren sey“ (1681) – davon Gebrauch machte und bis heute das Vorbild vieler Komponisten ist, es ihm gleich zu tun. Darunter keine geringeren als Frédéric Chopin (1810-1849), Alexander Skrjabin (1872-1915), Ferruccio Busoni (1865-1924) oder auch Dimitri Schostakowitsch (1905-1976), die alle die wohltemperierte Stimmung in einem einzelnen Werk bündelten. So die 24 Préludes von Fréderic Chopin oder Alexander Skrjabin, die 24 Präludien und Fugen von Dimitri Schostakowitsch, und nicht zuletzt die Zwölf Mikroludien für Klavier von György Kurtag, der darin alle zwölf Halbtöne der chromatischen Tonleiter in frei gehandhabter serieller Technik verarbeitet.

Fünf InterpretInnen (Klasse: Eva Maria Pollerus) spielten aus Bachs Wohltemperierten Klavier (WTK) Präludium und Fuge C-Dur (WTK 1), a-Moll (WTK 2), f-Moll (WTK 1), Fis-Dur (WTK 1) sowie F-Dur (WTK 2). Auffallend bei allen die starke Tendenz zu Rubati, Ritardando und Accelerando, was der Kontrapunktik des Barock nicht eigentlich gerecht wurde. Alexander von Heißen allerdings, dessen Leidenschaft wohl auch dem Jazz gilt, konnte mit seinem F-Dur-Vortrag durch rhythmischen Schwung und fließende Agogik überzeugen.

Interessant die Vorträge auf Marimbaphon und Harfe. Raúl Flores Aloy und Elias Bollinger, beide aus der Klasse Rainer Römer, spielten im Duo eine Bearbeitung aus Bachs Präludium und Fuge Es-Dur (WTK 1), ein klangliches Erlebnis der besonderen Art, wobei die dreistimmige Fuge auch beim Publikum großen Eindruck hinterließ. Dagegen bewegte sich die Harfenbearbeitung von Bachs Präludium und Fuge D-Dur (WTK 1) von Nan Wang (Klasse: Françoise Friedrich) im Grenzbereich der instrumentalen Möglichkeiten. In mäßigem Tempo, das Allegro des Präludiums war eher ein Andante und die Zweiunddreißigstel der vierstimmigen Fuge gerieten bei ihr zu Achteln, verwandelte sie das virtuose Stück in ein Wiegenlied, dafür aber hinreißend gespielt.

Hervorzuheben dagegen Jeongbae Ji aus der Klasse Oliver Kern, der auf dem Steinway Flügel Bachs Präludium und Fuge Cis-Dur hinzauberte, technisch versiert, auswendig und mit großer Souveränität, das nur Staunen hinterließ. Seine höchst romantische Interpretation von Busonis Préludes op. 15 Des-Dur und op. 16 b-Moll waren ebenfalls ein Hörgenuss. Auch das Spiel von Jiehye Lim (Klasse Catherine Vickers, Bernhard Wetz und Florian Hölscher) gehörte zu den Highlights des Abends. Großartig, wie sie die nur wenige Sekunden andauernden Mikroludien von Kurtag inszenierte. Brillant, versiert und spannend in Szene gesetzt.

Festzuhalten noch die Vorträge von Alexander Smolyarov und SeolHwa Kim  (Klasse: Oliver Kern). Smolyarov setzte sich mit Dimitri Schostakowitschs Präludium und Fuge op. 87/4 auseinander. Auswendig, mit viel Seele und guter Technik konnte er vor allem in der Fuge, ein russisches Volkslied vierstimmig kontrapunktiert, glänzen. Kim gelang es, mit vier der 24 Préludes von Skrjabin in beeindruckender Manier ein musikalisches Bild des Komponisten zu zeichnen, das stark an Brahms und Schumann erinnerte.

Höhepunkt sollte wohl Frédéric Chopins Préludes op. 24 werden. Dmitry Ablogin (ehemals Klasse: Jesper B. Christensen), Spezialist für das Hammerklavier, wählte für seinen Vortrag die letzten sieben der 24 Préludes aus und, man muss es leider festhalten, er scheiterte auf der ganzen Linie. Warum das? Es lag wohl weniger an ihm, als am Instrument. Das Hammerklavier klang klapprig, verschluckte einen Großteil der Töne und wirkte wie ein verblasstes Steinwandbild, dessen Farben und Konturen kaum erkennbar sind.
Ablogin, der unbestreitbar versiert auf den Tasten agierte, geriet von einem Tiefpunkt zum anderen. Bereits die Nr. 18, ein Allegro molto wirkte dahin gehudelt, die Sechszehntel verschwammen im Nichts und das dreifache Forte am Schluss klang wie ein Hilferuf aus dem Keller. Auch das folgende Vivace legato klang eher wie ein fehlerhaftes Tonband. Selbst das Largo in Nr. 20 und das Cantabile in Nr. 21 wirkten wie das müde Klappern eines Ackergauls.

Spätestens das abschließende Allegro appassionato (Nr. 24) ließ die Frage aufkommen, warum ausgerechnet dieses wunderbare Werk auf diesem Hammerklavier gespielt werden musste. Wäre nicht etwa ein Pleyel Flügel, auf dem Chopin weitestgehend seine Stück präsentierte, nicht eher angebracht gewesen? Schade für den Interpreten, der sein Bestes gab.

Ebenso sollte man sich die Frage stellen, ob dieses Format für die Alte Oper sinnvoll ist, oder besser in die HfMDK gehört. Das Publikum – der Mozartsaal war nicht gut besetzt – klatschte zwar freundlich, was die Künstler auch absolut verdient haben. Aber dreizehn InterpretInnen und achtzehn Werke von sehr unterschiedlicher Provenienz und auf sehr unterschiedlichen Instrumenten in kaum zwei Stunden präsentiert, wirkte denn doch sehr überfrachtet und letztlich auch ermüdend.

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