Kit Armstrong und
das City of Birmingham Symphony Orchestra
(CBSO), Alte Oper Frankfurt, 14.05.2019 (eine Veranstaltung von PRO ARTE)
Kit Armstrong (Flügel), Mirga Gražinyté-Tyla (Dirigentin), City of Birmingham Symphony Orchestra (CBSO) (Foto: PRO ARTE, Ansgar Klostermann) |
Feinste Verwobenheit des Klaviers mit dem Orchester
Eigentlich war Yuja Wang, eine der besten Pianistinnen der Welt, wie es heißt, angesagt. Sie aber musste wegen einer Erkrankung kurzfristig absagen. Dankenswerterweise ist für sie der nicht weniger gute, immer noch jugendliche und noch vor wenigen Jahren als Wunderkind an den Tasten gefeierte und in Frankfurt bestens bekannte Kit Armstrong (*1992) eingesprungen. Allerdings für ein Klavierkonzert, das so gar nicht zu seinem Spielertyp zu passen scheint: Robert Schumanns (1810-1856) Konzert für Klavier und Orchester a- Moll op. 54 (1845).
Armstrong wirkt, wie immer, sehr zerbrechlich, sein Anschlag
ist fein ziseliert. Er liebt das Durchsichtige, Klare, Perlende. Die orchestralen,
kraftvoll-akkordischen und gewaltigen Passagen entsprechen dagegen weniger
seinem Temperament. Kurz: ihm liegt eher das Introvertierte, das Leise, als das
Extrovertierte, das Laute; eher das Kammermusikalische als das Orchestrale. Seine
Auftritte sind absolut allürenfrei, ohne jegliches Pathos oder Temperament. Das
macht ihn sympathisch und zum Liebling des Publikums.
Ob das allerdings zu Schumanns Klavierkonzert a-Moll passte,
konnte bezweifelt werden. Der Flügel war sehr spitz gestimmt, der gewaltige
Donner zu Anfang des ersten Satzes wurde da zum fernen Grummeln und die
emotionalen Eruptionen im abschließenden Allegro
Vivace zu leichten Erschütterungen. Großartig allerdings Armstrongs
technische Brillanz und vor allem seine enge Zusammenarbeit mit dem (leider zu
groß besetzten) Orchester und der Dirigentin, Mirga Gražinyté-Tyla. Immer im
Blickkontakt und mit deutlicher Gestik machte er das wahr, was Schumanns
Ehefrau, Clara Schumann, an dem Werk so schätzte, nämlich die feinste
Verwobenheit des Klaviers mit dem Orchester. Ja man konnte sogar den Eindruck
gewinnen, dass Armstrong und nicht die Dirigentin das Heft in der Hand hielt.
Seine Zugabe, ein Wiegenlied Le Dodo ou l´amour au Berceau (1722) aus der Hand François Couperins
(1668 1733), entsprach denn auch ganz seinem Charakter. Leise, fein abgestimmt
bis in die letzten musikalischen Fasern, ein Tirilieren wie aus einem
Zauberwald. Einfach nur edel und feinfühlend.
Mirga Gražinyté-Tyla (Dirigentin), CBSO, Großer Saal der Alten Oper (Foto: Ansgar Klostermann) |
Birmingham lädt ein zum 100-jährigen Bestehen des CBSO
Das City of Birmingham Symphony Orchestra (CBSO) besteht seit fast einhundert Jahren und ist weltbekannt. Im kommenden Jahr wird das hundertjährige Bestehen dieses führenden Sinfonieorchesters in Großbritannien gefeiert werden, wozu die Dirigentin das Alte-Oper-Publikum charmant einlud. Bereits Edward Elgar dirigierte es zu seiner Gründung 1920, aber auch Sir Simon Rattle oder auch Andris Nelsons gaben sich die Ehre und führten diesen Orchesterapparat zu Weltruhm.
Seit 2016 ist Mirga Gražinyté-Tyla Chefdirigentin des CBSO. Mit ihren gerade einmal
32-Jahren hat sie eine steile Karriere hingelegt, die über Kurt Masur, Herbert
Blomstedt, Peter Gülke und – nicht zuletzt – über die beiden oben genannten Sir
Simon Rattle und Andris Nelsons bis zur Musikdirektorin des CBSO verlief, und
sie heute zu eine der gefragtesten Dirigentinnen macht.
Bereits mit Maurice
Ravels (1875-1937) Le Tombeau de Couperin,
Fassung für Orchester M 68 a (1920) zeigte die mädchenhaft grazil wirkende
Dirigentin ihr tänzerisches Vermögen. Ihr Dirigat geriet fast zu einem Ballett-Solo,
wobei nicht immer klar war, ob sie sich nach der Musik des Orchesters bewegte,
oder das Orchester nach ihrem Dirigat musizierte. Le Tombeau, eigentlich eine Hommage an Couperin und dessen
barocke Größe sowie an gefallene Weltkriegskameraden, geriet unter ihren Händen
zu einem wenig differenzierten, gleichförmigen Potpourri, das auch noch in einigen
Passagen (Prélude, Rigaudon) zu gehetzt
wirkte.
Ganz anders dagegen die Sinfonie
Nr. 2 D-Dur op. 73 (1877) von Johannes Brahms (1833-1897).
Perfekt
eingespielt konnte das Orchester seine ungebremste Kraft wie seinen unbedingten
Gestaltungswillen voll zur Geltung bringen. Alpengröße und pastorale
Grundstimmung beherrschen dieses viersätzige spätromantische Werk, das im Stile
der späten Beethovenschen Sinfonien von ausgefeilt genialisch motivischer
Arbeit geprägt ist, wobei die beiden Ecksätze (I. Allegro non troppo, IV. Allegro vivace), die Brahms bekanntlich
zusammen komponierte, eng miteinander verzahnt sind und in der abschließenden
Coda einen der brillantesten Höhepunkte der sinfonischen Musik seit Beethoven
bieten.
Mit 21 Bläsern, darunter drei Posaunen, vier Hörnern und Tuba
sowie zehnfach besetzten Streichern, versetzte dieser riesige Klangkörper das
Publikum in die Welt der Sommerfrische des Wörther Sees, in das Kärntner Land
mit Sicht auf die Karawanken. Brahms komponierte diese Sinfonie, im Gegensatz
zu seiner ersten, für die anderthalb Jahrzehnte brauchte, in einigen Monaten,
und hielt sie für „etwas Trauriges, Molliges“, von einer „gewisse(n) Melancholie
durchweht“.
Das war sie beim CBSO und bei Gražinyté-Tyla allerdings weniger.
Dafür eher das, was sich Brahms auch von ihr gewünscht hat, nämlich „heiter und
friedvoll“ zu sein. Es war eine Mischung aus gewaltiger Klangfülle und
butterweicher Geschmeidigkeit, aus ausgelassener Freude und düsteren Ahnungen, durch
die Gražinyté-Tyla mit ausladendem, flügelgleichem Dirigat elegant, aber nicht
immer unbedingt präzise führte. Viele ihrer Einsätze kamen Nuancen zu spät oder
zu früh, was vor allem an den Tutti-Stellen zu pastoser Klangfülle führte und in
den schnellen Passagen ein undefinierbares Rauschen erzeugte.
Der Beifall war dennoch äußerst herzlich, was nicht allein
an der Präsenz des Orchesters, sondern auch an der frischen, jugendlichen
Erscheinung von Gražinyté-Tyla gelegen hat.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen