Rheingau Musik Festival: 22.06.-31.08.2019
Sommerfest mit Feuerwerk: „Symphonic Woodstock“, Schloss
Johannisberg, 29.06.2019
Cuvéehof im Schloss Johannisberg mit Publikum und WDR-Funkhausorchester. Rechts stehend von links: Wayne Marshall (Ltg.), Rabih Lahoud, Viviane Essig (Fotos: Ansgar Klostermann) |
Woodstock eine kulturelle Legende
Unter dem diesjährigen Motto „Courage“ möchte das Rheingau
Musik Festival eine Brücke zwischen Musik und Gesellschaft schlagen. Dazu
passte genial die Reminiszenz an das Woodstock-Festival, das ziemlich genau vor
50 Jahren, nämlich vom 15.08. bis zum 18.08.1969, im ländlichen Bethel, unweit
der Weltmetropole New York, stattfand und zu einer Legende heranwuchs, die bis
heute die Gemüter, zumindest die der 68er bewegt.
Wieder einmal Kaiserwetter auf Schloss Johannisberg im
schönen Rheingau. Ein wohl geordnetes Woodstock-Ambiente auf dem Gelände des
historischen Weinguts mit legerem Outfit des Publikums (einige sogar im
Flower-Power-Look), farbig, luftig, blumig bis rockig. Und, entgegen der
Historie, bestens ausgestattet mit Kulinarischem, Schampus, Wein und allerlei Sonstigem
– sogar ein Promenadenkonzert mit kulinarischen Kunststücken deutscher
Meisterköche wurde geboten. Von den sanitären Anlagen erst gar nicht zu
sprechen. Was allerdings die Musik anging, konnte man bezüglich der Authentizität
und Wirksamkeit der Songs, Balladen und Antikriegsaufrufen durchaus geteilter
Meinung sein. Die Frage stand zumindest im Raum: Können die Hochglanz angebotenen Songs von
zwei Sängern (Rabih Lahoud und Viviane Essig) und der musikalischen
Begleitung eines Orchesters (WDR-Funkhausorchester, Leitung Wayne Marshall) überhaupt das „revolutionäre“
Flair dieser Zeit vermitteln, gar wieder lebendig machen?
Bei aller Professionalität der Akteure wurde man den
Eindruck nicht los, dass die 15 angebotenen, zum Teil Weltruhm erlangende Songs
(darunter Jimi Hendrix` Hey Joe,
Janis Joplin's Summertime oder auch
Richie Haven´s Freedom), auch
als Hintergrundmusik in einem Supermarkt ihre Wirkung getan hätten. Nichts
Aufmüpfiges, Widerständiges, dafür viel Lyrik und glatt Gebügeltes.
Andererseits: Kann und will man überhaupt die Geschichte zurückdrehen?
Viviane Essig, Rabih Lahoud, Mitglieder des WDR-Funkhausorchesters |
Zwischen Blödsinn und planetarischem Ereignis
Der Schirmherr des Festivals und Ministerpräsident des
Landes Hessen, Volker Bouffier, meinte denn auch in seiner Begrüßungsrede, politische Bezüge zu 1989 – gleichzeitig auch das Gründungsjahr des RMF´s – herstellen, sowie auf die derzeitige
Flüchtlings- und Globalisierungsdebatte hinweisen zu müssen, was, mit Verlaub,
über Woodstock und seine Begleitumstände sehr gewagt war und dem Phänomen weder gerecht werden, noch seinen Intentionen näherkommen konnte.
Denn Woodstock verstand sich nie als politische, sondern als kulturelle
Revolution. Es war, wie es NEWSWEEK bereits 1969 treffend formulierte, „ein
großes Stammesfest, das die Kultur von Rock, Drogen und Liebe um ihrer selbst
willen feierte“. Je nach Einstellung und Sichtweise feierte man dieses Ereignis
als planetarisch und sah in ihm das „Ende des amerikanischen Dinosauriers“
(Abbie Hoffman), oder man wertete es, wie Bob Dylan es formulierte, als „Blödsinn“
ab: „Für mich waren das nur eine Menge Kinder mit Blumen im Haar, die jede
Menge Acid schluckten.“
Herauszuheben, und das hat dieses couragierte Format gerettet, sei der Moderator Malte Arkona, bekannt unter anderem durch sein Kult-Fernsehsendungen „Tigerenten Club“ und „Die beste Klasse Deutschlands“. Er, verkleidet in einen klassischen Hippy, der quasi mitten aus dem Geschehen auf Woodstocks Acker herüberkommend von seinen Erlebnissen erzählt, verstand es glänzend, das Publikum mitzureißen und die Zusammenhänge der vorgetragenen Songs herzustellen. Allein seine Auftritte, die von großer Faktenkenntnis zeugten und mit ebensolcher Empathie vorgetragen wurden, lohnte schon dabei zu sein und alte Erinnerungen aufzufrischen oder darüber hinaus noch Unbekanntes zu erfahren.
Auch der Sängerin Viviane
Essig (*1993) gebührt großer Respekt. Sie verstand es, sich in die
verschiedenen Genres und Charaktere der Stücke hineinzuversetzen und ihre große
Stimmvariabilität voll zur Geltung zu bringen. Ihr eigener Stil ließ sogar Joni
Mitchells Woodstock oder Blackbird von Crosby, Stills Nash &
Young (ursprünglich von den Beatles) zu einem ganz eigenen Hit werden.
Dagegen passte
der lyrische, helle Tenor von Rabih
Lahoud (*1982) nicht in dieses Genre. Besonders auffallend seine
Interpretation von Richie Havens Freedom
oder Spinning Wheels von Blood, Sweat
and Tears, die eher an eine Schumann Romanze erinnerten als an eine Aufforderung
zum Widerstand gegen Krieg und Unterdrückung. Der Klangkörper des WDR zeigte
sich sichtlich bemüht, versteht er sich doch als selbstbewusstes Unterhaltungsorchester.
Das stimmt durchaus. Aber müssen es dann so schlechte Arrangements wie Tambourinman Man von Melanie, oder Leaving on a Jet Plane von John Denver
sein? Auch hier stellt sich die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, statt
eines Riesenorchesters ein kleines, in der Musik der 60er und 70er Jahre
versiertes Ensemble zu nehmen?
Ein Begleitprogramm, das für Woodstock-Stimmung sorgte
Ganz in diesem Sinne sei die Gruppe BEAT BOX, eine in Jahre gekommene Rockband hervorzuheben, die, mit
allen Wassern der Musikrichtungen dieser aufmüpfigen Zeit gewaschen, es
verstanden, das Publikum im Reiterhof des Schlosses – wie darüber hinaus – in
die Zeit ihrer Jugend zu versetzen und eine ausgelassene Stimmung zu erzeugen. In ihrem Dunstkreis rockte das gesamte
Schlossgelände.
Auch die Gruppe Waterproof, ein als Begleitband erfahrenes
Sextett mit zwei SängerInnen, zwei E-Gitarristen, einem Keyboarder und einem
Drummer, beherrschte diverse Rhythmen und Stile und fand ihr Publikum im Schlosshof
unweit des Fürst-von-Metternich Saals.
Das Feuerwerk, eingeleitet
durch drei markerschütternde Donnerschläge, gehörte zum abschließenden
Höhepunkt dieses Sommerfestes. Abgestimmt auf orchestrale Ohrwürmer, wie unter
anderem Richard Straussens sinfonische Dichtung Also sprach Zarathustra, Johannes Brahms´ Ungarische Tänze, Edvard Griegs Peer
Gynt Suite oder Peter Tschaikowskys
Schwanensee, füllte das Feuerspektakel die riesige Fläche des Schlosshofs mit einem Zauber von Farben, orgiastischen Himmelstänzen,
einem Meer von Blumen, Knall- und Böllereffekten sowie traumhaften
Erscheinungen aus, die sich kurze Zeit später allerdings als reine Illusion
erwiesen.
Musik wurde in ihrer Fülle an Emotionen und Wünschen nur für wenige
Sekunden optisch sichtbar gemacht, hinterließ dafür
aber tiefe Eindrücke. Ein wunderbarer Abschluss und
gleichzeitiger Einstieg in zwei Monate Rheingau
Musik Festival (RMF) – Man wünscht ihm ein solches Feuerwerkspektakel.
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