Rheingau Musik Festival: 22.06. – 31.08.2019
Christiane Karg
(Sopran) und Gerold Huber (Klavier)
im Schloss Johannisberg, Fürst-von-Metternich-Saal, 15.08.2019
Gerold Huber (Flügel), Christiane Karg (Foto: Ansgar Klostermann) |
Ein Schubert zwischen jugendlicher Frische und Todesahnung
Blaue Bluse und gelber, mit silbernen Ornamenten durchwirkter Rock, waren die Farben, die Christiane Karg (*1980) für ihr viertes Konzert als Fokuskünstlerin ausgewählt hatte. Und das durchaus nicht ohne Bedeutung für die thematische Auswahl ihrer Lieder. Stehen doch die Farben sowohl für Optimismus und Jugend, als auch für Fantasie, Spiritualität und Distanz.
Franz Schubert (1797-1828) stand auf ihrem Programm mit
Liedern aus seiner Jugendzeit zwischen 18 und 20 Jahren, aus einer Zeit, in der
er sich für das Leben eines Komponisten entschied, mit all dessen Widrigkeiten
und materiellen Unsicherheiten. In einer Zeit, in der die politische Restauration
nach dem Wiener Kongress im Jahre 1815 die Freiheit und Selbstbestimmung der
Bürger in einem hohem Maße einschränkte und sie zwang, sich in kleine private
Zirkel zurückzuziehen, wozu auch der Literatur- und Dichterkreis mit dem
schönen Namen „Schubertiade“ gehörte, für den Schubert einen Großteil seiner
Lieder komponierte.
Christiane Karg
wählte für den ersten Teil des Konzertes fünf Lieder mit Texten von Friedrich Schiller (Strophe aus „Die Götter Griechenlands“ und
die Klage von der Ceres) sowie Johann
Wolfgang von Goethe (Ganymed) und
seinem Freund und Mitstreiter Johann Mayrhofer (Iphigenie und Memnon)
aus. Alle Lieder, zwischen 1815 und 1819 entstanden, schwelgen zwischen Trauer
und Hoffnung. „Schöne Welt, wo bist du?“ So beginnt das einleitende Klagelied
an die Götter, wird fortgesetzt durch den Ruf der Nachtigall im Ganymed: „Ruft drein die Nachtigall, liebend
nach mir aus dem Nebeltal. Ich komm, ich komm, ach wohin, wohin?“, und führt in
Mayrhofers Iphigenie zum Gebet an die
Göttin Diana, die Unglückliche von den Ketten zu befreien und in „den großen
Königs Saal“, den Ort des ewigen Glücks, zu geleiten.
Die Klage der Ceres,
eine ausladende 11-strophige Ballade über die Entführung Proserpinas – ihre und Zeus Tochter – durch Pluto in die Unterwelt und schließlich Proserpinas Rettung,
die sie hälftig in der Oberwelt und hälftig in der Unterwelt auszuharren zwingt.
Ein Dasein zwischen Lust und Schmerz. So besingt Ceres in der Schlussstrophe den Tanz
der Nymphen im Frühling, der Pluto zum Raub ihrer Tochter reizte und endet mit den Worten: „In
des Lenzes heiter´m Glanze, lese jede zarte Brust, in des Herbstes welkem
Kranze meinen Schmerz und meine Lust.“
Christiane Karg – sie war krankheitsbedingt ein wenig „angeschlagen“
– und Gerold Huber (*1969) am Flügel
harmonierten makellos und präsentierten sich als eingespieltes Team. Wenngleich
es doch in vielerlei Hinsicht an Dramatik und Ausdruckskraft fehlte. Ihre Interpretationen
wirkten bis hierhin ein wenig brav, ohne große Empathie, und waren von großer
Vorsicht (hält die Stimme oder nicht) getragen.
Gerold Huber (Flügel), Christiane Karg (Foto: Ansgar Klostermann) |
Italienische Lebenslust und Liebesleid
Das sollte sich im zweiten Teil ändern. Denn jetzt konnten beide
technisch wie musikalisch brillieren. Mit „Kennst du das Land, wo die Zitronen
blühen“ (aus Goethes Wilhelm Meister)
überzeugten beide; mehr aber noch mit den wunderschönen, den Seelenzustand
Schuberts bestens beschreibenden Gesängen aus der Mignon: „Nur wer die Sehnsucht
kennt“, „Heiß mich nicht reden“ und „So lass mich scheinen“. Hier öffnete der
Komponist vollkommen seine geschundene Seele, die zwischen Sehnsucht, Hoffnung und
Todesahnung schwankte: „Vor Kummer altert ich zu frühe; macht mich auf ewig
wieder jung.“ Dieser Zyklus von 1826 war übrigens der einzige zeitliche „Ausrutscher“ dieses Abends und passte dennoch
inhaltlich perfekt in das widersprüchliche und Schicksal vorausahnende Jugendwerk
Schuberts, die das Duo bestens in Musik umsetzte. Der Zwischenbeifall des Publikums
fiel denn auch sehr herzlich aus.
Mit den folgenden Liedern wechselte die Beiden auf eine
weitgehend unbekannte Seite des Komponisten: seine Orientierung an der
italienischen Oper und Canzone. Eingerahmt in eine Pastorale „Die Hirtin auf
der Wiese“ mit einem Text von Carlo Goldoni (1707-1793) und einer wilden Arie: „Sieh
an, wie ich dich noch vergöttere“ (Text von Pietro Metastasio), zelebrierten sie
vier Canzonen mit Texten von Jacopo Vittorelli (1749-1835) und Pietro
Metastasio (1698-1782). Herrliche Liebeslieder und wunderschöne Arien, die Teil
einer Opernhandlung hätten sein können. Nicht von ungefähr haben alle drei
genannten Texter, Dichter und Schriftsteller Karriere als Opernlibrettisten (u.
a. für Mozart, Haydn, Antonio Salieri) gemacht.
Hier gelang es Christiane Karg, befreiter zu singen. Denn gerade diese Stücke strotzen vor jugendlichem Optimismus, immer aber mit einem
Hauch von Sehnsucht, unerfüllter Liebe, Einsamkeit und unbedingter Hoffnung auf
bessere Zeiten: „Ach verlass mich nicht, nein, mein schöner Götze. Wem soll ich
vertrauen, wenn du mich hintergehst.“ Eine finale Metapher über eine bessere Zukunft, ein
Leben voller Vertrauen, ohne Ängste und mit echter, wahrhafter Liebe, die Karg
gesanglich und gestisch überzeugend darbot.
Natürlich blieben Zugaben nicht aus. Auch mit ihrer
strapazierten Stimme blieb sie das ihrem treuen Publikum schuldig. Mit zwei
kurzen Liedern „Son fra l´onde“ (Text: Pietro Metastasio) und „Dioskuren,
Zwillingssterne“ (Text Johann Mayrhofer) verabschiedete sich das sympathische Duo
vom dem ihm sehr wohlgesonnenen Publikum.
Christiane Karg wird noch zwei Mal zu hören und zu sehen
sein: Am 24.08. mit Freunden im Schloss Johannisberg und am 31.08. im Abschlusskonzert
des diesjährigen Rheingau Musik Festivals mit dem Birmingham Symphony Orchestra
im Kloster Eberbach. Sie hat sich unzweifelhaft ihr Publikum erobert und
ersungen.
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