Der Krieg mit den
Molchen, eine akustische Inszenierung des Romans von Karel Čapek, Uraufführung
mit Les Trucs (Toben Piel, Charlotte
Simon), Beatrice Frey (Sprecherin) und Bastian Hagedorn (Percussion),
Mousonturm Frankfurt, 04.09.2019
Im Rahmen des Festivals:
Unfuck My Future. How To Live Together In Europe, 30.08.-08.09.2019
v.l.: Bastian Hagedorn, Beatrice Frey, Les Trucs mit Charlotte Simon, Toben Piel (Fotos: Marina Hoppmann) |
Seltsame Atmosphäre
Im großen Saal des Mousonturms herrscht eine seltsame Atmosphäre: Drei Wasserbassins in der Mitte der Bühne werden von einer Erzählplattform und einem Arsenal technischer Geräte aus dem Bereich der elektronischen Musik gerahmt. Es blubbert und rauscht, platscht und quietscht. Eine Art Unterwassermusik empfängt das Publikum.
Die drei MusikerInnen, Toben Piel, Charlotte Simon
und Bastian Hagedorn, sitzen in
bunten Neoprenanzügen in den Wannen und bearbeiten das Wasser mit diversen
Hölzern, Blasinstrumenten und Blechen. Ein perfekter Einstieg in die düstere Science Fiction Geschichte von Karel Čapek (1890-1938), die er bereits
1936 schrieb, kurz vor der Besetzung seiner Heimat Tschechoslowakei durch die Nationalsozialisten im Jahre 1938.
Beatrice Frey führte
mit wunderbar sonorer Stimme in die Geschichte ein: Ein abgewrackter
Handelskapitän Jok van Toch entdeckt mit seinem Freund G.H. Bondy zufällig in
der Teufelsbay auf Sumatra eine bis dahin unbekannte Tierspezies. Es sind Riesenmolche,
die sich als gelehrige Wesen entpuppen und offensichtlich ein Riesengeschäft
versprechen. Toch gibt den von den Haien gequälten Molchen Messer und verlangt
als Gegenleistung das Heben von Perlen. Ein Tauschhandel, der gewaltige Gewinne
verspricht. Alles soweit abenteuerlich und exotisch. Bis Toch stirbt, der
Perlenhandel zusammenbricht und sein Freund Bondy plant, die Molche weltweit
als Arbeitssklaven einzusetzen und in allen Bereichen der Wirtschaft mit ihnen
Geld zu machen. Ein Plan, der aufzugehen scheint.
Der Traum einer neuen Welt, die Utopie eines jeden
Neoliberalisten aus heutiger Sicht, könnte real werden, denn die friedfertigen,
gelehrigen und anpassungsfähigen Salamander lassen sich perfekt für das
grenzenlose Profitstreben der Menschen missbrauchen. Man steht an der Schwelle zur Utopie des unbegrenzten Reichtums. Nur haben die Menschen die Rechnung ohne
den Wirt gemacht: Die Molche vermehren sich gewaltig. Sie haben bereits die
20-Milliarden Population überschritten. Die Ausbeutung nimmt ungeahnte Ausmaße
an und den „Tieren“ fehlt schlicht das Wasser zum Atmen.
v.l.: Charlotte Simon, Bastian Hagedorn, Toben Piel |
Die Molche als Spiegelbild der Menschen?
Gleichzeitig nehmen die Molche die Gewohnheiten der Menschen an, nähern
sich deren Intelligenz und damit auch
deren Tugenden und Untugenden an. Sie organisieren sich: „Molche der Welt
vereinigt euch!“, bewaffnen sich (der globale
Waffenhandel kommt auch ihnen zugute) und fordern im Stile der Arbeiterbewegung
des 20. Jahrhunderts die „Diktatur des Proletariats“. Oder mit anderen Worten:
die Machtergreifung. Mensch und Molch geraten zu Spiegelbildern.
Es folgt ein Ausrottungskrieg unbekannten Ausmaßes. Wer übrig
bleibt, wird in dieser Neuinterpretation offen gehalten. Leider. Denn Čapek war
bekannt dafür, die Apokalypse der Menschheit, ihre Hybris, bis an die Grenzen
auszureizen. Man denke nur an sein 1921 erschienenes Schauspiel R.U.R. (Rossum’s Universal Robots), das von künstlichen Sklaven handelt, die die langweilige
Arbeit der Menschen übernehmen. Auch hier machen sich die Roboter selbstständig
und lehnen sich gegen die menschliche Rasse auf. Ihre Machtergreifung bedeutet die Vernichtung der menschlichen Spezies.
Ähnlich ist auch Der Krieg mit den Molchen konstruiert, nur weitaus aktueller als R.U.R. zur damaligen Zeit, da man bis dahin die KI und Roboter (eine Begriffsschöpfung seines Bruders Josef, denn Robota heißt auf tschechisch Proletarier bzw. Fronarbeiter) noch gar nicht kannte – ein Thema, das uns heute allerdings viel mehr interessieren könnte und sollte.
Ähnlich ist auch Der Krieg mit den Molchen konstruiert, nur weitaus aktueller als R.U.R. zur damaligen Zeit, da man bis dahin die KI und Roboter (eine Begriffsschöpfung seines Bruders Josef, denn Robota heißt auf tschechisch Proletarier bzw. Fronarbeiter) noch gar nicht kannte – ein Thema, das uns heute allerdings viel mehr interessieren könnte und sollte.
v.l.: Hagedorn, Piel, Frey, Simon |
Mehr Hörspiel als Performance, mehr Gefälligkeit als schwarzer Science Fiktion
Nun ja. Was Les Trucs
aus diesem Stoff machte, blieb eher unklar. Ein wässriges Ende. Der Mensch hofft auf gute Beziehungen mit den Molchen, was durch eine gesangliche Moritat der
drei MusikerInnen noch unterstrichen wurde. Kurzum: Man scheute den Konflikt. Die
reißerische Formel der Programmankündigung: Die Menschheit wird vernichtet, die Molche übernehmen die
Macht, wurde zum seichten Slogan: Lasst uns alle friedlich am Untergang der Welt weiterarbeiten.
Wo war die durchaus aktuelle Aussage zu diesem Werk von Čapek geblieben: „Es
gibt hier keine Utopie, sondern nur die Gegenwart?“ Oder sollte das die Aussage
sein? Dann gute Nacht.
Auch die angekündigte abgründige Musik von Les Trucs konnte da nicht sonderlich
überzeugen. Sie, die drei MusikerInnen, waren zwar Teil der Performance,
untermalten die Textvorlage mit geräuschvoller elektronischer Musik und vielen Anleihen
aus Kurt Weills und Bert Brechts Lied- und Textkompositionen. Auch die Ideen mit
dem Alphorn und seinen „Kindern“ (selbst gebaute langröhrige
Holzblasinstrumente) sowie die Wasserbassin-Szenen kamen gut an. Aber ihre
Musik war alles andere als innovativ und schon gar nicht aufregend oder gar
aufreizend. Eher gefällig mit einigen guten Grooves und Trommeleinlagen à la
Oskar Matzerath aus der Blechtrommel.
Auch ließen die Ansagen wie: Jetzt kommt das Requiem die D-Molch (Ende des 1. Buchs), der Triton Trott, der Marsch der
Tritonen (3. Buch) keine Unmittelbarkeit zum Text erkennen. Inhalt und
Form, wie die Gruppe es sich zur Aufgabe gemacht hat, differierten doch
weitgehend und wurden lediglich durch die Erzählerin, Beatrice Frey, zusammengehalten. Sie war es hauptsächlich, die mit
einer großartigen Stimme und schauspielerischen Leistung dem Stück Leben und
ein apokalyptisches Flair einhauchte.
Insgesamt wirkte das Stück eher als Hörspiel denn als musikalische
Performance. Auch die Auswahl der Texte – der oftmals zu laute Sound ließ viele
Textstellen bis zur Unverständlichkeit verschwimmen – konnte dem Anspruch Čapeks
weitgehend nicht gerecht werden. Alles in allem eine Enttäuschung, wenngleich die
Idee, den großartigen Karel Čapek auf die Bühne zu bringen, absolut zu würdigen
ist. Ein wenig Überarbeitung wäre vonnöten, um dem Stück eine aktuelle Brisanz
zu geben, und die steckt absolut in diesem Stoff.
R.U.R. beispielsweise gibt es bereits als Oper (Zdeněk Blažek), die
2004 mit großem Erfolg uraufgeführt wurde. Warum sollte Der Krieg mit den Molchen nicht mal eine ähnliche musikalische
Interpretation erfahren?
Der Beifall war freundlich, auch wenn viele offene Fragen in
den Gesichtern zu lesen waren.
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