Samstag, 28. September 2019


Kristian Bezuidenhout, Hammerklavierrezital im Mozart Saal der Alten Oper Frankfurt, 27.09.2019

Im Rahmen des Musikfestes „Eroica – Musik als Bekenntnis“, 15.09.-28.09.2019

Kristian Bezuitenhout (Foto: Achim Reissner/ Alte Oper Frankfurt)


Revolutionsmusik! Revolutionsmusik?

Werke zweier Zeitgenossen standen auf dem Programm des in Südafrika geborenen und in London lebenden Spezialisten auf dem Hammerklavier, Kristian Bezuidenhout (*1979). Zwei Sonaten (D-Dur op 1 Nr. 1 und c-Moll op. 1 Nr. 2 von 1783) des Revolutionskomponisten Ètienne-Nicolas Méhul (1763-1817) und zwei Sonaten (Nr. 17 und 18, op.31 Nr. 2.und 3 von 1801/02) von Ludwig van Beethoven (1770-1827), die allerdings mit dessen Variationen c-Moll op. 80 (1806) ergänzt wurden.

Méhul, eher bekannt als Opernkomponist, galt bereits zu seiner Zeit als Komponist der Französischen Revolution. Seine Revolutionsoper Horatius Coclés (1794) wurde zu einem Symbol nationalen Aufbruchs und nationalen Selbstbewusstseins. Seine Entdeckung der Leitmotivik und seine Meisterschaft, Gefühle mit Verständlichkeit und Expressivität zu Geltung zu bringen, schienen den revolutionären Zeitgeist vollauf zu treffen. So hatte sein Chant national du 14 Julliet (1800), den er zum Sieg Napoleons in Marengo schrieb, gar den Rang einer Nationalhymne eingenommen.  
Sonaten dagegen schrieb er lediglich zwei, die Bezuidenhout mit Meisterschaft vorstellte. Zwei Werke wie geschaffen für das Hammerklavier. 
Was aber verbindet beide Komponisten, die sich wohl nie getroffen haben? Bekannt ist lediglich, und das geht aus Briefen Beethovens hervor, dass er ihn sehr geschätzt hat und sein Fidelio durchaus Anleihen aus Méhuls Opernschaffen erkennen lässt. Was allerdings das Sonatenschaffen der beiden angeht, so liegen doch Welten zwischen beiden.

Waren doch die beiden Sonaten Méhuls eher Ausdruck des Galanten, mit Ausnahme des Fiérement (mit Stolz) bezeichneten 1. Satzes der zweiten Sonate (hier hörte man dramatische, selbstbewusste Züge heraus) als der Klassik. Herrschte hier noch die einfache Sonatenform mit überwiegender Alberti- und Murky-Begleitung vor, so waren die Sonaten Beethovens doch wesentlich modifizierter, mit bereits mannigfaltigen Abweichungen von der gewöhnlichen Sonaten- und Satzform. Nicht von ungefähr soll Beethoven gegenüber Karl Czerny geäußert haben: „Ich bin mit meinen bisherigen Arbeiten nicht zufrieden, von nun an will ich einen anderen Weg beschreiben“ (nach: Siegfried Mauser).

Kristian Bezuitenhout (Foto: Achim Reissner/ Alte Oper Frankfurt)

Revolutionierung der Satztypen mit poetischer Attitüde

Bereits die Nr. 17 op. 31 Nr. 2  gehörte dazu. Schon der Beginn der Sonate gehört zu den absoluten Neuerungen. Ein arpeggierter Dreiklang im Largo wird nach einer Fermate mit rasend schnellen Abzugsfiguren im Allegro fortgesetzt und im Adagio beendet, um dann  wieder im Largo und Allegro weitergeführt zu werden. Allerdings entschieden erweitert. Hier wird der Hörer gleich vor Probleme gestellt. Auch gibt es in diesem Satz kein Seitenthema und zusätzlich wird er noch durchbrochen durch ein Rezitativ, was zur damaligen Zeit eigentlich gar nicht ging. Ebenso der Schlusssatz, das Allegretto im Dreiachteltakt, ein Perpetuum mobile durchlaufender Sechzehntel mit Kontrastarmut wegen der durchlaufenden Ostinato-Bewegungen und dennoch von ungeheuerlicher Bildhaftigkeit und Erzählkraft.

Auf die Frage seines Biographen Anton Felix Schindler (1795-1864), was die Idee dieser Sonate sei, soll Beethoven geantwortet haben: „Lesen sie Shakespeares Sturm!“ Nach dieser Aussage fällt es nicht schwer, dieser Sonate den Beinamen: „Der Sturm“ zu geben. Markiert der erste Satz bereits den Weg zur Neudeutschen Schule hin zu Robert Schumann, Franz Liszt und Hektor Berlioz, so vermittelt diese Sonate durchaus eine poetische Idee ohne programmatisch sein zu wollen.

Leider misslang dem Pianisten der komplexe Einstieg. Auch konnte er – was womöglich auch an den Begrenzungen des Hammerklaviers lag – das Besondere dieser Sonate wenig vermitteln. Ebenso wirkte das Allegretto auf dem Klavier eher wie ein plätschernder Bach als ein Sturmwind. Bezuidenhout verstand es allerdings, die beschränkten klanglichen Mittel dieses Geräts voll zur Wirkung zu bringen, was ihm vor allem auch durch die Pedalierung (vier Pedale gehörten zu diesem Klavier), die ausgedehnten Fermaten sowie die nicht durchweg förderlichen kurzen Pausen zwischen gedanklich-musikalischen Wechseln gelang.

Überzeugen dagegen konnten die Variationen c-Moll, bestehend aus einen achttaktigen Thema und 32 Variationen. Ein an die barocke Chaconne angelehntes Werk von außerordentlicher Kraft und Virtuosität auf kaum 11 Minuten konzentriert. Hier gelang dem Interpreten wohl die beste Vorstellung dieses Abends. Deutlich die Aufteilung der einzelnen Variationen hervorhebend, zwischen gebrochenen Akkorden (1-3),  Staccato Triolen (4-6), Trillerpassagen (7-9), Polyphonie (17-19) und dramatischer Replik (31-32), verstand er es vor allem in technisch brillanter Manier, dieses komplexe Werk voller Dramatik bis zum ausgedehntem Septakkord im Schlusscrescendo im Spannungsbogen zu halten. Das überraschende Ende in einem ausklingenden Piano ließ denn auch das Publikum zu Beifallsrufen hinreißen.

Kontrastreich und expressiv im klassischen Stil


Kristian Bezuitenhout (Foto: Achim Reissner)

Die folgende Nr. 18 op. 31 Nr. 3 in der heroischen Tonart Es-Dur gehalten, ließ ebenfalls wie die Nr. 17 einige Wünsche offen. Sie ist viersätzig mit Scherzo und Menuett gestaltet, gehört aber nicht, wie die Vorgängerin zu den modifizierten Satztypen mit poetischer Attitüde. Hier geht es eher klassisch zu.

Dennoch wird im ersten Allegro-Satz das Es-Dur stets hinausgezögert und findet auch am Ende der thematischen Vorstellung ab Takt 16 keine echte Stabilität, was den besonderen Reiz ausmacht. Das Scherzo wiederum mit seinen Staccato-Artikulationen gehört in die Rubrik Sonatenhauptsatzform, ganz klassisch, und das Menuett mit Trio in einem Moderato grazioso wirkt wie ein typischer  Rokoko-Tanz im Dreivierteltakt. Auffallend an dieser Sonate ist, dass ihr ein langsamer Satz fehlt, eine absolute Neuheit bei Beethoven.

Das sehr virtuose Finale im Presto con fuoco, ebenfalls in klassischer Sonatenhauptsatzform, vom Komponisten „sehr schnell“ in seiner Ausführung gefordert, aber lediglich in mittlerer Geschwindigkeit vom Pianisten gespielt, wirkte weniger wie eine wilde Jagd – wegen der Hörnerfanfaren im Mittelteil wird die Sonate auch Jagd-Sonate genannt –, sondern eher wie eine Etüde ohne expressive Wirkung. Nicht ganz fehlerfrei vorgetragen, schien das Instrument auch gerade hier ein wenig überfordert zu sein. Vieles wurde verschluckt und die Dreiklangsbrechungen und Kontraste verschwammen oft zu einem bruitistischen Toncluster. Das Hammerklavier, das gehörte zur Erkenntnis dieses Abends, verzeiht nicht den kleinsten Fehler und erst recht keine Unachtsamkeit.

Die Zugabe wiederum, das Largo aus Beethovens Es-Dur Sonate op. 7 (1796/97), ein doppelhematischer liedhafter Satz in C- und A-Dur aus dem herrlichen Frühwerk, das schon starke individualistische Züge Beethoven trägt, konnte dagegen sehr gefallen. Wie Bezuidenhout auf den Leib geschnitten, brachte er hier seine Seele und sein Temperament vollständig zur Wirkung. Viel Beifall für den Spezialisten auf dem Hammerklavier. Dennoch kann man nicht verhehlen, besonders froh darüber zu sein, dass sich Entwicklung des Klaviers bis zum heutigen Konzertflügel doch sehr positiv auf die Interpretation vor allem der Werke Beethovens ausgewirkt hat.

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