Troubadoure des Protests und Widerstands, Sirventés und La Mal Coiffée im Mozart Saal der Alten Oper Frankfurt, 25.09.2019
Im Rahmen des Musikfestes „Eroica – Musik als Bekenntnis“,
15.09.-28.09.2019
Sirventés und La Mal Coiffée: v.l.: Miriam Boisserie, Laetitia Dutech, Manu Théron, Ètienne Gruel, Marie Coumes, Gregory Dargent, Karine Berny (Foto: Alter Oper Frankfurt/Achim Reissner |
Die Troubadoure, die "Schwertführer der Worte"
Troubadoure, vergleichbar mit den Minnesängern im mittleren Europa, bezeichnen sich gerne als die „gerechten Banditen“, weil sie ihre Balladen und gesungenen Gedichte dem einfachen Volk bzw. den Ohnmächtigen widmen, auf Missstände aufmerksam machen und für soziale Gerechtigkeit und kulturelle Identität plädieren. Während im mittleren und östlichen Europa der Minnesang außer Mode gekommen ist, ist die Kultur der Troubadoure noch heute lebendig und erfreut sich vor allem im südlichen Frankreich und darüber hinaus größter Beliebtheit.
Das Trio Sirventés
mit Manu Théron, Gesang, Gregory Dargent, Oud, und Ètienne Gruel, Perkussion) sowie das
Gesangsquartett La Mal Coiffée (Karine Berny, Myriam Boisserie, Marie
Coumes und Laetitia Dutech),
beide Formationen in Marseille ansässig sowie zwischen Nizza und Katalonien,
Bordeaux und Piemont ein Begriff, haben es sich zur Aufgabe gemacht, ganz im
Sinne der historischen Troubadoure des 12. und 13. Jahrhunderts, das Liedgut
ihrer Heimat Okzitanien lebendig zu halten und in der Tradition der
Troubadoure, die schon damals in Okzitanisch sangen, sowohl das Mittelalter in
Erinnerung zu halten, als auch die Identität ihrer Sprache und Kultur zu
pflegen, denn, so Manu Théron, künstlerischer Leiter dieses Abends, Komponist
und Kultfigur seiner Heimat: Wer okzitanisch spricht, trifft eine politische
und künstlerische Entscheidung für seine Identität.
Im Geiste der Troubadoure, was übersetzt auch Finder,
Komponist und Verfasser bedeutet, singen sie Lieder ihrer Vorgänger, vier- bis
achtstrophige Canzone in Versform mit epischem und lyrischem Charakter,
gleichklingende Reime bei gleichem Metrum. Nie offen und radikal, sondern
hintersinnig, satirisch-heiter, witzig und zweideutig. Kurz, sie benutzen das
„Schwert des Wortes“ und das mit einem Schuss Nonsens, Komik und Parodie.
Freche Stimme und viel arabische Ornamentik
Zwei Gruppen hatten sich zusammengefunden, um extra für
diesen Abend – eine Premiere – im leider kaum halbvollen Mozart Saal ein
Arrangement von insgesamt 12 Liedern zu präsentieren, wovon neun auf alte
Troubadour Dichtungen zurückgriffen und drei als spontane Eigenkompositionen
extra für diesen Event angesagt wurden.
Ein Kaleidoskop quer durch die okzitanische Welt der
satirischen Gauklerlieder der Troubadoure. Da ging es um "Menschen, die das
Singen verlernt haben“ (3. Lied), mit exzellenter Oud Begleitung, Flamenco
ähnlichem Gesang und frechen vokalen Quartett Einlagen; um das "Leiden des
menschlichen Herzens“ (5. Lied), mit Oud Solo und virtuoser Perkussion; um ein "Gedicht gegen den Winter" (7. Lied), mit der voluminösen Mezzostimme von Marie Coumes; um "Meine Stadt“ – eine
Persiflage auf die Stadt Frankfurt –, mit langem Sprechgesang Thérons und
beeindruckendem Perkussionssolo; und las but not least um zwei
Eigenkompositionen des Vokalquartetts zum Thema Regelverstöße, ein polyphones,
kraftvolles Spiel mit ihren Stimmen in virtuoser Begleitung von Oud und Perkussion.
Der abschließende „Protestsong“, eher lustig als rebellisch, zollte dem
Publikum, das mitschwang und mitklatschte, großen Dank für die Einladung.
Ein Septett, das sein Metier verstand und mit frechen
Stimmen von La Mal Coiffée, und dem
innovativen, mit starker arabischer Ornamentik ausgestatteten Bariton von
Manu Théron große gesangliche Kraft, Empathie und persönliche Überzeugung auf
die Bühne brachte. Die perkussive und musikalische Unterstützung von Gregory
Dargent an der Oud und diversen Schlaginstrumenten sowie Ètienne Gruel an
Bongos, Becken und Trommeln war allein schon den Besuch der Troubadoure wert.
Beide glänzten durch große Musikalität und technische Versiertheit.
Sirventés und La Mal Coiffée: v.l.: Miriam Boisserie, Manu Théron, Laetitia Dutech, Marie Coumes, Ètienne Gruel, Karine Berny, Gregory Dargent (Foto: Alte Oper Frankfurt/Achim Reissner) |
Ein Vergnügen fürs Ohr mit viel Energie
Wie sagte doch Théron: „Okzitanisch ist eine sehr
musikalische Sprache, sehr schön zu singen. Es ist zwar schade, dass sie nicht
das Vergnügen haben, die Bedeutung zu verstehen … Unsere Stücke sind vor allem
auch ein Vergnügen für das Ohr.“ Alles das kann man unterstreichen. Man sollte
den Protest und Widerstand, wie im Programm angekündigt, nicht zu ernst nehmen,
sondern vor allem die Energie, die von ihrer Musik ausgeht mitnehmen.
Vielleicht wäre eine geschicktere Performance hilfreich
gewesen, indem die Texte übersetzt und die Moderation von einem Dritten
übernommen worden wäre. Manu Théron, durchaus mit Charisma gesegnet, machte
viel Scherze auf der Bühne, konnte allerdings die Message des kritischen Humors
kaum vermitteln. Die Erzählungen von Geschichten der einfachen Menschen in
ihrer Umgebung, die von der offiziellen Berichterstattung ignoriert werden,
müssen einfach gekannt werden, wenn die Musik ihre volle Wirkung erzielen soll.
Trotzdem, ein äußerst spannender Abend mit okzitanischer
Dichtung, dem Flair der mittelalterlichen Troubadoure und dem wunderbaren Charme
südfranzösischer Kultur.
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