Donnerstag, 26. September 2019


Troubadoure des Protests und Widerstands, Sirventés und La Mal Coiffée im Mozart Saal der Alten Oper Frankfurt, 25.09.2019

Im Rahmen des Musikfestes „Eroica – Musik als Bekenntnis“, 15.09.-28.09.2019

Sirventés und La Mal Coiffée: v.l.: Miriam Boisserie, Laetitia Dutech, Manu Théron, Ètienne Gruel, Marie Coumes, Gregory Dargent, Karine Berny (Foto: Alter Oper Frankfurt/Achim Reissner


Die Troubadoure, die "Schwertführer der Worte"

Troubadoure, vergleichbar mit den Minnesängern im mittleren Europa, bezeichnen sich gerne als die „gerechten Banditen“, weil sie ihre Balladen und gesungenen Gedichte dem einfachen Volk bzw. den Ohnmächtigen widmen, auf Missstände aufmerksam machen und für soziale Gerechtigkeit und kulturelle Identität plädieren. Während im mittleren und östlichen Europa der Minnesang außer Mode gekommen ist, ist die Kultur der Troubadoure noch heute lebendig und erfreut sich vor allem im südlichen Frankreich und darüber hinaus größter Beliebtheit.


Das Trio Sirventés mit Manu Théron, Gesang, Gregory Dargent, Oud, und Ètienne Gruel, Perkussion) sowie das Gesangsquartett La Mal Coiffée (Karine Berny, Myriam Boisserie, Marie Coumes und Laetitia Dutech), beide Formationen in Marseille ansässig sowie zwischen Nizza und Katalonien, Bordeaux und Piemont ein Begriff, haben es sich zur Aufgabe gemacht, ganz im Sinne der historischen Troubadoure des 12. und 13. Jahrhunderts, das Liedgut ihrer Heimat Okzitanien lebendig zu halten und in der Tradition der Troubadoure, die schon damals in Okzitanisch sangen, sowohl das Mittelalter in Erinnerung zu halten, als auch die Identität ihrer Sprache und Kultur zu pflegen, denn, so Manu Théron, künstlerischer Leiter dieses Abends, Komponist und Kultfigur seiner Heimat: Wer okzitanisch spricht, trifft eine politische und künstlerische Entscheidung für seine Identität.

Im Geiste der Troubadoure, was übersetzt auch Finder, Komponist und Verfasser bedeutet, singen sie Lieder ihrer Vorgänger, vier- bis achtstrophige Canzone in Versform mit epischem und lyrischem Charakter, gleichklingende Reime bei gleichem Metrum. Nie offen und radikal, sondern hintersinnig, satirisch-heiter, witzig und zweideutig. Kurz, sie benutzen das „Schwert des Wortes“ und das mit einem Schuss Nonsens, Komik und Parodie.

Freche Stimme und viel arabische Ornamentik


Zwei Gruppen hatten sich zusammengefunden, um extra für diesen Abend – eine Premiere – im leider kaum halbvollen Mozart Saal ein Arrangement von insgesamt 12 Liedern zu präsentieren, wovon neun auf alte Troubadour Dichtungen zurückgriffen und drei als spontane Eigenkompositionen extra für diesen Event angesagt wurden.

Ein Kaleidoskop quer durch die okzitanische Welt der satirischen Gauklerlieder der Troubadoure. Da ging es um "Menschen, die das Singen verlernt haben“ (3. Lied), mit exzellenter Oud Begleitung, Flamenco ähnlichem Gesang und frechen vokalen Quartett Einlagen; um das "Leiden des menschlichen Herzens“ (5. Lied), mit Oud Solo und virtuoser Perkussion; um ein "Gedicht gegen den Winter" (7. Lied), mit der voluminösen Mezzostimme von Marie Coumes; um "Meine Stadt“ – eine Persiflage auf die Stadt Frankfurt –, mit langem Sprechgesang Thérons und beeindruckendem Perkussionssolo; und las but not least um zwei Eigenkompositionen des Vokalquartetts zum Thema Regelverstöße, ein polyphones, kraftvolles Spiel mit ihren Stimmen in virtuoser Begleitung von Oud und Perkussion. Der abschließende „Protestsong“, eher lustig als rebellisch, zollte dem Publikum, das mitschwang und mitklatschte, großen Dank für die Einladung.

Ein Septett, das sein Metier verstand und mit frechen Stimmen von La Mal Coiffée, und dem innovativen, mit starker arabischer Ornamentik ausgestatteten Bariton von Manu Théron große gesangliche Kraft, Empathie und persönliche Überzeugung auf die Bühne brachte. Die perkussive und musikalische Unterstützung von Gregory Dargent an der Oud und diversen Schlaginstrumenten sowie Ètienne Gruel an Bongos, Becken und Trommeln war allein schon den Besuch der Troubadoure wert. Beide glänzten durch große Musikalität und technische Versiertheit.

Sirventés und La Mal Coiffée: v.l.: Miriam Boisserie, Manu Théron,  Laetitia Dutech, Marie Coumes, Ètienne Gruel,   Karine Berny, Gregory Dargent (Foto: Alte Oper Frankfurt/Achim Reissner)

Ein Vergnügen fürs Ohr mit viel Energie  


Wie sagte doch Théron: „Okzitanisch ist eine sehr musikalische Sprache, sehr schön zu singen. Es ist zwar schade, dass sie nicht das Vergnügen haben, die Bedeutung zu verstehen … Unsere Stücke sind vor allem auch ein Vergnügen für das Ohr.“ Alles das kann man unterstreichen. Man sollte den Protest und Widerstand, wie im Programm angekündigt, nicht zu ernst nehmen, sondern vor allem die Energie, die von ihrer Musik ausgeht mitnehmen.

Vielleicht wäre eine geschicktere Performance hilfreich gewesen, indem die Texte übersetzt und die Moderation von einem Dritten übernommen worden wäre. Manu Théron, durchaus mit Charisma gesegnet, machte viel Scherze auf der Bühne, konnte allerdings die Message des kritischen Humors kaum vermitteln. Die Erzählungen von Geschichten der einfachen Menschen in ihrer Umgebung, die von der offiziellen Berichterstattung ignoriert werden, müssen einfach gekannt werden, wenn die Musik ihre volle Wirkung erzielen soll.

Trotzdem, ein äußerst spannender Abend mit okzitanischer Dichtung, dem Flair der mittelalterlichen Troubadoure und dem wunderbaren Charme südfranzösischer Kultur.

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