Antoine Tamestit
(Viola) und Masato Suzuki (Cembalo)
spielen Johann Sebastian Bach (1685-1750), Mozart Saal der Alten Oper
Frankfurt, 25.10.2019 (Eine Veranstaltung der Frankfurter Bachkonzerte e. V)
Masato Suzuki, Antoine Tamestit (Foto: Frankfurter Bachkonzerte e.V.) |
Ein Zyklus mit
ungewöhnlicher Besetzung
Es sind die drei
Sonaten für Viola da Gamba (BWV 1027/1028/1029), die Johann Sebastian Bach
wohl in seiner Zeit in Köthen um die 1720er Jahre geschrieben hat, die Antoine
Tamestit (*1979) und sein Masato Suzuki (*1981) für das Programm des
denkwürdigen Abends in der Alten Oper ausgewählt haben. Eine ungewöhnliche
Besetzung in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist das Cembalo, weit entfernt vom
ursprünglichen Gebrauch als Generalbass, jetzt ein selbstständiges geführtes Instrument
im gleichwertigen Dialog mit der Melodiestimme der Viola, damals ein Novum. Und
zweitens spielt Tamestit nicht auf einer Viola da Gamba (sie müsste, wie der
Name schon sagt, zwischen den Beinen gehalten werden), sondern auf seiner
Bratsche: eine Stradivari aus dem Jahr 1672.
Was aber kein Problem ist, denn selbst Johann Sebastian Bach
war ja bekannt für seine Neufassungen und das buchstäbliche Recyceln älterer Kompositionen.
So sind diese drei Sonaten auch für Violine, Flöten und Klavierbegleitung vorhanden.
Allerdings in der Kombination Bratsche und Cembalo wohl einmalig zumindest in
dieser personellen Zusammensetzung.
Denn was das Künstlerduo – sie stellten sich abwechselnd in
äußerst charmanter Weise vor – musikalisch auf die Bühne zauberte, gehörte schon
in die Kategorie außergewöhnlich, unerhört und erstaunlich. Eine perfekte
Dreistimmigkeit (die Drei galt zu Bachs Zeiten noch als göttliche Zahl), an der
selbst Bach, der bekanntlich die Bratsche in seiner Leipziger Zeit zu schätzen
begann, seine Freude gehabt hätte. Dazu passend die Bemerkung Tamestits, der
übrigens die Violine wie das Violoncello beherrscht, er sehe beim Spiel nicht
nur Farben, sondern verbinde die Tonarten auch mit Ereignissen: das G-Dur (BWV
1027) mit der Geburt, das g-Moll (BWV 1029) mit dem Lebenskampf, das D-Dur (BWV
1028) mit der Sonne und das d-Moll (die Suite
Nr. 2 für Violoncello solo) mit Trauer,
Schmerz und Tod.
Tonarten, die das Leben zwischen Geburt und Tod beschreiben
Masato Suzuki (Foto: Marco Borggreve) |
Insofern hätten er und sein Freund Masato das Programm in
einer Weise zusammengestellt, das eine Lebensphase Bachs (seine erste Frau
Barbara starb bereits 1720 in Köthen) in allen Facetten beschreibt. Wie schon
erwähnt, traten beide auch noch solistisch auf die Bühne.
Masato Suzuki, quirlig und immer freundlich lächelnd, präsentierte
die Französische Suite Nr. 5 (BWV
816), die vorletzte der insgesamt sechs Suiten, die Bach übrigens seiner
zweiten Frau Anna Magdalena (er heiratete sie 1722) widmete und die, nicht von
ungefähr, in G-Dur, der Tonart der „Geburt“,
gesetzt ist. Von Allemande bis Gigue, zwischen Zwei- und
Vierstimmigkeit, zwischen Tänzen und Fuge (die abschließende Gigue enthält sogar noch eine vierte
Stimme) zog Suzuki auf seinem zweimanualigen Cembalo – ein Nachbau von Willem
Kroesbergen aus dem Jahre 1650 – im wahrsten Sinne alle Register und verstand
es vorzüglich, Metrik und Rhythmus melodisch zusammenzufügen und lebendig
werden zu lassen.
Die abschließende Gigue
allerdings, äußerst flott vorgetragen, geriet ihm ein wenig außer Kontrolle. Melodisch
und mit feinen Figuren ausgedeutet dagegen die Courante und die Bourrée.
Suzuki verstand es feinfühlig, die Tücken des Cembalos gegenüber dem Klavier – letzteres
verzeiht eher mal Fehler – durch atmende Fermaten zu meistern und die sehr
schwierige Suite mit Eleganz und Kompaktheit vorzustellen.
Von tiefer Trauer in höchste Verzückung
Antoine Tamestit (Foto: Birkenholz.web) |
Antoine Tamestit wagte sich an Bachs Suite Nr. 2 d- Moll für Violoncello (BWV 1008). Erinnern wir uns an
seine Assoziation von Trauer, Schmerz und Tod. Bekanntlich gibt es zu dieser
Suite keinen Autograph, lediglich Abschriften mit eigenen Phrasierungen und Notenauslassungen
in den Menuetten. Tamestit transponierte
das äußerst schwierige Werk zusätzlich noch auf seine Stradivari und machte aus
der Zweiten von insgesamt sechs Cellosuiten ein interpretatorisches Meisterstück
voller Kraft und Hingabe. Oft mit
geschlossenen Augen ließ er sein Instrument mit seidigem Glanz in den Farben
des Rokoko brillieren. Seine Interpretation der beiden Menuette erinnerte an liedhafte Volkstänze und die abschließende Gigue mit ihrer punktierten Notierung
und komplexen Doppelgriffigkeit an ein melancholisches Rondo. Bach soll die Cellosuiten für den eigenen Gebrauch
komponiert haben. Tamestit hätte ihn mit seiner Bratsche vermutlich aus tiefer
Trauer in höchste Verzückung versetzt.
Ein Werk und ein Duo, die in die Zukunft schauen
Die abschließende Sonate Nr.
2 in D-Dur (BWV 1028) schaute schon
in die Zukunft des modernen, galanten Stils, der erst mit Bachs Söhnen zum
Tragen kommen wird. Vierteilig angelegt mit ausdrucksstarkem Zwiegespräch im Adagio, virtuosem Siciliano im Allegro, Schreittanz im Andante sowie abschließendem Allegro mit schwierigen Solokadenzen beider Instrumente,
bewies das Duo-Tamestit-Suzuki noch einmal seine interpretatorische und musikalische Ausnahmestellung:
eine einmalige und zukunftsweisende Zusammensetzung.
Die Zugabe, das Largo aus Bachs c-Moll Sonate für Violine und
obligates Cembalo (BWV 1017), zeigte einmal mehr, welch hinreißende Farben die
Bratsche zu erzeugen vermag. Die Begeisterung des Publikums im gut besuchten
Mozartsaal war denn auch entsprechend.
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