Donnerstag, 17. Oktober 2019


Cello & Cello, Katharina Deserno und Manuel Lipstein spielen Cello-Duos von Jacques Offenbach und andere Werke, Sparkasse Offenbach, 16.10.2019

Offenbach am Main feiert seinen Enkel Jacques Offenbach zum 200. Geburtstag, 20.09 – 10.11.2019
Katharina Deserno (Foto: Website von Katherina Deserno)

Von brillant bis sehr schwierig


Vor flächigem Glasfenster mit Blick auf die Frankfurter Skyline saßen zwei noch sehr junge Violoncellisten: Katharina Deserno (*1982), ihres Zeichens Professorin an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) in Frankfurt, und Manuel Lipstein, erst 18 Jahre alt und bereits mit unzähligen Preisen als Interpret und Komponist ausgestattet. Verfolgt wurden beide vom kritischen Blick der 3-D Büste Jacques Offenbachs – eine Leuchtkunstwerkkopie der Studenten der HfG –, der ja bekanntlich seinerzeit zu den besten Cellisten der bekannten Welt gehörte und als Wunderkind mit Franz Liszt, Felix Mendelssohn-Bartholdi und Artur Rubinstein musizieren durfte.


Das Programm, das Katharina Deserno und Manuel Lipstein vorstellten bestand aus den drei letzten der dreizehn Cello-Duos (op. 52 von 1846, op. 53 und op. 54 von 1847) von Jacques Offenbach (1819-1880) sowie einer Eigenkomposition Guitarresco (2016) des Multitalents Lipstein und einer Romanze 7 Rosen für Cello solo (2018) von Violeta Dinescu (*1953).

Opus 52 besteht aus drei Duetten. Sie werden als „Trois Duos brillants“ bezeichnet. Deserno und Lipstein wählten das mittlere in D-Dur daraus, eine dreiteilige Sonate mit einleitendem Allegro maestoso, einem Andante als Mittelstück und einem abschließenden Scherzo. Noch merkte man beiden ihre Nervosität an, ein wenig Klappern, ein harter, zu harter Strich mit viel Fortissimo und viele kleine Ungenauigkeiten. Dennoch lebte dieses Stück mit liedhaften Partien im Stile Robert Schumanns und virtuosen Einlagen à la Liszt und Fréderic Chopin vom jugendlichen Überschwang und der Empathie der beiden Virtuosen.

In des Fußstapfen des Wunderkinds


Lipstein, selbst vielerorts als Wunderkind bezeichnet, leitete seine Komposition Guitarresco mit seinen Probenerfahrungen ein: „ Üben macht nicht immer Spaß. Deshalb habe ich die Gewohnheit, einfach einmal hinzuzupfen (sic.). Meine Mutter spielt Gitarre. Und da kam ich auf die Idee, eine Zupfkomposition für Cello zu schreiben.“ Tatsächlich erinnerte Vieles an ein virtuoses Gitarrenstück mit komplizierten Griffkombinationen, Blue notes, Dezimenläufen und akkordischen Schlägen. Man hörte hier schon seine technische Brillanz heraus, wenngleich das Stück doch recht wenig Struktur aufwies und eher als spontane Improvisation bezeichnet werden müsste.

Manuel Lipstein (Foto: Britta Berg)

Auch opus 53 besteht aus drei Duetten, woraus die Beiden das mittlere in a-Moll spielten. Ihre Bezeichnung geht bereits eine Stufe höher, denn sie werden mit „Trois Duos difficiles“ (drei schwierige Duette) betitelt. Hier serviert Offenbach wohl eine typische Salonmusik mit variativem Charakter, steigernd bis zu schwierigen und technisch anspruchsvollen Passagen. Deserno bemerkte hierzu mit hintergründigem Humor, dass Offenbach neben seiner musikalischen Ausnahmestellung auch schauspielerisches und geschäftliches Talent mitbrachte, um zum Gesprächsstoff der Salongesellschaft zu werden. So sei er während einer seiner schwierigen Cello-Passagen unvermittelt zusammengebrochen. Ein fingierter Ohnmachtsanfall, der ihn vor allem bei den ihn zärtlich umsorgenden Damen spätestens dann zum absoluten Helden werden ließ, nachdem er aus der vermeintlichen Ohnmacht erwachte und zum Entzücken der Gesellschaft weiterspielte, als ob nichts geschehen sei. 
Deserno, sichtbar schwanger, kommentierte hierzu, dass sie selbst gerade außer Atem sei. Wollte sie damit andeuten, dass bei einem eventuellen Ohnmachtsanfall ihrerseits – der natürlich nicht eintrat – weder Schauspielerei noch Geschäftssinn im Spiele sei?

Eine Ode an die Liebespaare


Ihre Romanze 7 Rosen für Cello Solo, ein poetisches Stück nach einem Liebesgedicht von Bert Brecht: „Sieben Rosen hat der Strauch, sechs gehören dem Wind, aber eine bleibt, dass auch ich noch eine find“, gehörte mit zum Eindrucksvollsten des Abends. Mit wunderbarer Dynamik, differenziertem Strich, herrlichen Tremoli, treibenden Glissandi, voller Gesang und Hingabe ließ Deserno ihr ganzes Können aufblitzen und das von Pentatonik und arabischer Ornamentik geprägte Werk zu einer Ode an alle Liebespaare werden.

Aus dem abschließende Opus 54, wiederum dreiteilig mit dem Obertitel „Trois Duos très difficiles“ (Drei sehr schwierig zu spielende Duette) wählten die Cellisten das erste in B-Dur/g-Moll aus. Lipstein ergänzte in seiner Einleitung noch, dass der Obertitel mit „pour les artistes“ (nur für Virtuosen) erweitert sei. Brillanz also auf höchstem Niveau. Die Violoncelli sollten zwitschern wie Vögel, Geigen und Gitarren imitieren, wie Dudelsäcke klingen und in den höchsten Tönen wie in den tiefsten Bässen glänzen.

Mit Mut und Begeisterung


Anforderungen also, die kaum zu erfüllen sind, wessen sich beide auch bewusst waren. Mit größter Empathie und tiefer Hingabe stürzten sie sich in die extrem virtuose und musikalisch äußerst anspruchsvolle Sonate, mit religiösem Touch im Adagio, einer homophonen, choralähnlichen Liturgie, und einem abschließenden Rondo, gespickt mit Sechzehntel-Vorschlägen, komplexer Rhythmik und vor allem mit höchsten technischen Anforderungen. Hier hat Offenbach „alles reingepackt, was so geht“ (Deserno). Und dem war auch so. Dieses opus 54 gehört auch heute noch zum Non plus ultra der Violoncelloliteratur.

Nicht alles konnte überzeugen, aber der Mut des Duos Deserno/Lipstein und ihre Begeisterung für Offenbachs Musik machte Vieles wett. Man hatte sogar bei ihrer vom begeisterten Publikum geforderten Zugabe – sie wiederholten das Scherzo aus dem Opus 52 –, den Eindruck, dass sie sich endlich freigespielt haben. Hier fanden sie zueinander und bewiesen ihre Extraklasse. Auch die 3-D Büste Jacques Offenbachs, in Rosa beleuchtet, schien zufrieden zu lächeln.

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