Pariser Leben,
Solo Operette von und nach Jacques Offenbach (1819-1880) mit Michael Quast und Rhodri
Britton, Büsing Palais Offenbach, 15.10.2019
Offenbach am Main feiert seinen Enkel Jacques Offenbach zum 200. Geburtstag, 20.09. - 10.11.2019
Michael Quast (Foto: Kultur-Offenbach/C. Schutte) |
Eine Offenbachiade mit Gegenwartsbezug
Eine 3-D Büste von Jacques Offenbach steht auf der Bühne des großen Saals des Büsing Palais´, hergestellt nach dem Original auf dem Friedhof Montmartre in der Pariser Nordstadt. Gescannt vor Ort und in 46 Stunden von Studenten der HfG-Offenbach gedruckt, sieht sie dem Original verblüffend ähnlich. Mit dem Untertitel JACQUES OF 200 und von innen ausgeleuchtet wirkt sie wie ein Mahnmal aus vergangenen Zeiten mit Blick auf das Bühnengeschehen.
Wer Pariser Leben (1866) von Jacques Offenbach (1819-1880) kennt, der weiß, dass es neben Orpheus in der Unterwelt (1858) und Die schönen Helena (1864) zu seinen populärsten Operetten (besser: Offenbachiaden) gehört und gerade wegen seines frivolen, grenzwertigen Charakters sofort zum Publikumsschlager wurde. Gedacht für großes Orchester und 15 SängerInnen und SchauspielerInnen, Chor und Tanzformationen nicht mitgezählt, gehört diese Opera Buffa auf die große Bühne einer Oper oder zumindest eines großen Theaters. Nicht von ungefähr fand ihre Uraufführung am 31.10.1866 im 1000 Personen fassenden Pariser Theatre du Palais-Royal statt.
Als Ein-Mann-Theater mit Klavierbegleitung fragt man sich dann doch: Wie kann das gehen? Was ist mit den Tänzen, den Dialogen, den vielen Gesangsnummern,
den Couplets und den ariosen Ohrwürmern? Was mit dem Bühnenbild und der Inszenierung?
Was mit den instrumentalen Einlagen und Begleitungen? Und es geht tatsächlich! Mit
ganz eigener Textfassung (Michael Quast
und Rainer Dachselt), nach dem ursprünglichen Libretto von Henri Meilhac und
Ludovic Halévy, und musikalischer Bearbeitung von Rhodri Britton schälte das Duo-Infernale den Kern dieses Werks heraus:
ein witziges Spiel der Gefühle, eine amouröse Verwechslungskomödie mit viel
Tanz, Liebe, Täuschung und vor allem mit aktuellen Bezügen.
Gleich zu Anfang, der Ort ist der Ostbahnhof von Paris
(alles in der Vorstellung, denn lediglich ein Tisch und der Flügel stehen auf
der Bühne), singt, pfeift und schnauft Quast das Couplet: „Wir fahren immer pünktlich,
bei Hitze und bei Frost“ – ein Fingerzeig auf die Deutsche Bundesbahn, der mit
entsprechenden Lachern goutiert wurde.
Wenn die Mutter mit Macron ins Bett geht
Wie gesagt, es geht um Liebe, Drama, Wahnsinn, um eine „wilde
Truppe“ aus dem Rotlicht- und Dienstbotenmilieu, jede und jeder mit eigenen Schrullen
und Abgründen. Um einen schwedischen Baron, der endlich mal in Paris die Sau raus
lassen möchte: „ Ich will die Mädels hüpfen sehen“; um einen Betrüger, der sich
als Fremdenführer und Kenner der Szene ausgibt: „Ich werde sie führen, ihnen
alles servieren, jeden Genuss, den man mitmachen muss“; und last but not least um
einen stinkreichen, naiven Brasilianer, der das Savoir
vivre erleben will: „Ich bin aus Brasilien und steinreich, hab´ mir sehr
viel vorgenommen.“
Dazu gehört die Verwandlung des Dienstpersonals in reiche
Adelige, um den schwedischen Baron zu täuschen. Herrliche Wortspiele wie Major de Table für den Schuster Jean Frick
oder Madame de Malheur für die
Handschuhmacherin Gabrielle wechseln mit Menuetten, bayerischen Volksliedern
und Jodeleinlagen sowie hessischen, sächsischen wie auch Schwizerdütsch Dialekten.
Dazu Sprüche wie: „Auf dem Montmartre geht Paul Sartre ein und aus“, oder im „Élisée
Palast liegt Macron mit der Mutter im Bett“ (Ik hör dir trapsen). Das alles in
betrunkenem Zustand. Besser geht’s nicht.
Quast, übrigens hervorragend von Britton begleitet, ließ die
skurrile Tischgesellschaft im Stile von Rossinis Barbier von Sevilla lebendig werden. Seine Dialoge, Gesänge und Wortspiele
erklommen sämtliche Gipfel der Alpen. Großartig sein Arienduett mit
Stimmwechsel (Pauline und der Baron): „Die Liebe führt uns heiter auf die
Himmelsleiter. Lasst uns reiten in den Himmel, hinauf, hinauf, hinauf“, um dann
in tiefen schnarchenden Schlaf zu fallen. Auch das Couplet: „Wenn wir um Zehn spazieren
gehen“, mit Hüftknick, fou, fou, fou und toc, toc, toc gehörte zu den Höhepunkten dieses
Abends.
v.l.: Rhodri Britton, Michael Quast (Foto: Dagmar Klein) |
Wunderbar, so ist das … Leben!
Dramaturgisch wie ein Steigerungslauf dreht sich alles
zunehmend im Kreise. Alle sind besoffen. Mit dem Can-Can: „Jetzt geht’s los, hemmungslos!“ wird die Wende
eingeleitet. Das Schnarchterzett
(Baron, Fremdenführer Gardefeu und Bobinet sein Freund): „Gott ist mir übel,
mir platzt der Schädel, bring mir schnell einen – Kübel“, scheint die
alkoholisierte Pariser Gesellschaft auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
Das Maskenterzett aus Mozarts Don Giovanni als musikalischer Überbau tut
sein Übriges.
Im Finale kommen die Protagonisten irgendwie doch zu ihrem Recht. Im Chor-Song:
„Wo lebt man gut, wo lebt man süß, nur in Paris“, erheben alle noch einmal mit „Piff,
Paff, Puff“ ihre Stimme. Abgesehen vom schwedischen Baron Gondremark, der die
Kurtisane Métella lediglich zu Gesicht bekommt und vom vermeintlichen Fremdenführer "Genugtuung fordert" (was jedoch abgelehnt wird, weil alle keine Pariser, sondern
deutsche Emigranten sind), können alle singen: „Wunderbar, so ist das Pariser
Leben!“
Alles aus dem Munde, den Beinen und den Fingern eines Duos,
unverkleidet, ohne Netz und doppelten Boden. Eine Meisterleistung zweier Entertainer,
Michael Quast und Rhodri Britton, die nicht allein vom leider nicht zahlreich
erschienenen Publikum mit frenetischem Beifall und stehenden Ovationen belohnt
wurde, nein, man hatte auch den Eindruck, von der Büste Jacques Offenbachs ein
Augenzwinkern erkennen zu können.
Nächste Vorstellungen im Rahmen des Festes: 16.10 Cello & Cello, 23.10. Hoffmanns Erzählungen, 26.10. Buchvorstellung von Ralf-Oliver Schwarz,
27.10. Vater und Sohn, 04.11. Isaac Offenbach,
05.11. Orpheus in der Unterwelt
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