Rudolf Buchbinder
(Klavier) und die Wiener Symphoniker,
Alte Oper Frankfurt, 14.01.2020 (eine Veranstaltung von PRO ARTE Frankfurt)
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| Rudolf Buchbinder, Wiener Symphoniker (Foto: PRO ARTE) |
Ein Marathonlauf durch alle Klavierkonzerte Beethovens
Alle Fünf Beethoven Klavierkonzerte an zwei Abenden: Ein Mammutprogramm möchte man meinen, das sich der 73-jährige „bekennende Beethoven Bewunderer“, Rudolf Buchbinder, da aufgehalst hat. Aber mitnichten. Er bot nicht allein eine sportliche Leistung der Extraklasse, sondern das auch mit außergewöhnlicher Kraft, präziser Leistung und überwältigender Routine.
Aber da gab es ja auch noch die Wiener Symphoniker, ein eingespieltes Team von ca. 60 Ausnahmemusikern und Musikerinnen, die diesem Ausnahmepianisten zur Seite standen und alles unternahmen, dass dieser Marathonlauf durch sämtliche Klavierkonzerte mit Bravour absolviert werden konnte.
Der zweite und letzte Abend des Zyklus´ bestand aus dem Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15,
zwischen den Jahren 1793 und 1801 entstanden (die Kadenz erst 1809 für seinen
Freund Erzherzog Rudolf), das noch stark an den Vorbildern Josef Haydn und
Wolfgang Amadeus Mozart orientiert ist, sowie aus dem letzten, dem Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73, das
zwischen 1809 und 1810 komponiert und erstmals (Beethoven war mittlerweile
nahezu taub) nicht von ihm selbst, sondern im Januar 1811 von seinem Freund, Gönner
und Pianisten, dem Fürsten Lobkowitz, in kleinem Kreis uraufgeführt wurde, im
November dann im Leipziger Gewandhaus mit Friedrich Schneider am Klavier die
erste öffentliche Aufführung erfuhr. Der Komponist und Pianist Carl Czerny hat
sie dann im Januar 1812 im Theater am Kärtnertor den Wienern zum ersten Mal zu
Ohren gebracht. Alle Vorstellungen von größter Begeisterung begleitet.
Rudolf Buchbinder und sein Team wussten von Anfang an zu
überzeugen. Hunderte Male gespielt verstand man sich quasi blind. Das Dirigat
des Meisters vom Flügel aus war weitgehend überflüssig. Der Ton stimmte, vor
allem die Abstimmung der Dynamik, der Feinheiten in der Phrasierung, in der
typischen Beethovenschen Akzentuierung einzelner Noten, die plötzlichen Sforzati
an unbetonten Taktteilen – kurz: Alles, was der Musik einen schwungvollen und
dramatischen Zug verleiht, wurde bestens
erfüllt.
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| Rudolf Buchbinder, Wiener Symphoniker (Foto: PRO ARTE) |
Zwei in allen Belangen unterschiedliche Klavierkonzerte
Das galt vor allem für das Erste der beiden Konzerte. Eine Interpretation in allen Einzelteil
stimmig: Im Allegro con brio mit
großer Souveränität und klanglicher Wärme, im Largo samtweich und von majestätischer Klarheit und im abschließenden
Rondo mit fantastischem Tempo, ausdrucksstarkem
Kontrast und perfekten Wechseln zwischen Legato, Portato und Stakkato.
Rundherum gelungen möchte man meinen, so elegant und präzise wie das unprätentiöse
Auftreten des Meisters in anthrazitfarbenem Frack und wohl gelegtem grauem Haar.
Erst die Fünfte
machte deutlich, dass ein Orchester in dieser Größenordnung ohne einen
Dirigenten kaum auskommt. Bei aller Brillanz des Vortrags waren die Einsätze
teilweise ungenau, der Deckel des Flügels verhinderte die Sicht zu den
Bratschisten, Cellisten und Kontrabässen. Auch die Bläser waren davon betroffen
und huschten mitunter verschreckt über ihre Einsätze. Die Doppelbelastung des
Pianisten als Interpret und Dirigent schien hier seine Grenzen zu finden. Die
von Beethoven geforderte „Sinfonische Einheit“ zwischen Solist und Orchester
bekam einige Risse. Die quasi improvisierten Stellen vor allem im Allegro des ersten Satzes klangen etwas
verschwommen, der Horneinsatz verzögert und die scharfen Akzentuierungen und
spontanen Aha-Momente – leider Fehlanzeige.
Großartige dagegen das Adagio un poco moto des zweiten Satzes.
Eine Lyrik zum Dahinschmelzen. Dichtung und Wahrheit im Paket. Mit einem
Hammerschlag setzte Buchbinder einen finalen Einstieg, der alles Vorherige in
den Schatten stellte. Ein Rondo
furioso, ganz im Sinne Beethovens, seine Helden zu loben (in Es-Dur sind auch neben seiner 3. Sinfonie auch vier seiner
Klaviersonaten geschrieben) und ein Machtwort für die Zukunft (Beethoven befand
sich in seiner produktivsten Schaffensphase: parallel komponierte er unter
anderem die Fünfte, Sechste und Siebente Sinfonie) auszusprechen.
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| Rudolf Buchbinder, Wiener Symphoniker (Foto: PRO ARTE) |
Routiniert und dennoch an jeglicher Novität interessiert
Zweifellos gehört Rudolf
Buchbinder zu den Besten seiner Zunft. Er ist routiniert, aber immer noch
auf der Suche nach Neuem und Außergewöhnlichem, er ist ein großer Denker an den
Tasten, jeder Ton ist unter seinen Fingern wohldurchdacht, und dennoch fehlen
ihm nicht spontane und improvisatorische Elemente. Wenn er davon spricht, dass
er selbst Stücke, die er schon hunderte Male aufgeführt hat, immer noch stets
wie eine Novität liest, dann nimmt man das ihm unbenommen ab. Buchbinder ist
ein Phänomen und dürfte im Jahre 250 nach Beethovens Geburt einer seiner
würdigsten Vertreter sein.
Die außergewöhnliche Konstellation als Interpret und Dirigent
ist allerdings diskussionswürdig. Ein etwas anders besetztes Orchester (lediglich
drei Celli, drei Kontrabässe und sechs Bratschen, eine gedämpfte Pauke etc. sind zu wenig für ein sinfonisches Klavierkonzert, wie das Fünfte),
ein Dirigent als Vermittler zweier Klangkörper – es könnte durchaus die
besonderen Qualitäten der beiden renommierten Spitzenkönner etwas mehr herausheben.
Herzlicher Beifall und – natürlich – keine Zugabe.



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