Gershwin Piano Quartet, Konzert in der Alten Oper Frankfurt, 09.02.2020 (Eine Veranstaltung von PRO ARTE Frankfurt)
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| v.l.: Benjamin Engeli, Stefan Wirth, Mischa Cheung, André Desponds (Fotos: Michaela Brosi) |
Klavier kann alles! Kann Klavier alles?
Erstmals in Frankfurt und überhaupt im Rhein Main Gebiet traten die vier Tastenkünstler, die sich vor 24 Jahren zurecht mit dem Namen George Gershwins schmückten, im großen Saal der Alten Oper Frankfurt auf, spielten natürlich Einiges von ihrem Namensgeber, aber auch Werke und Arrangements von Frédéric Chopin (1810-1849), Fazil Say (1970), Sergei Rachmaninow (1873-1943) sowie von Nik Bärtsch (*1971), einem ihrer Gründungsmitglieder.
Selbstverständlich sind Klavierquartette rar auf diesem Globus. Möglicherweise kann sich das Quartett sogar mit dem Siegel des Alleinstellungsmerkmals schmücken. Das aber hat auch so seine Grenzen und Schwierigkeiten. Denn es gibt so gut wie keine Klavierliteratur und erst recht keine Vorbilder dafür, wie Musik auf vier Flügeln zu gestalten ist und ihren klanglichen Reichtum quasi orchestral voll zur Entfaltung bringen kann.
Das allerdings gelang den vier Pianisten (Mischa Cheung, André Desponds, Benjamin Engeli, Stefan Wirth) aus dem Schweizer Nachbarland mit Bravour, wenn auch geschickt verkleidet. Denn zu den zehn Nummern gehörten vier solistische Auftritte, viele ihrer Arrangements verteilten die Notentexte geschickt von einem zum anderen Instrument, wobei ein quadrophoner Effekt erzielt wurde, und das Ganze wurde noch durch rhythmische, perkussive Einlagen (Klatschen, Trommeln) unterbrochen und mit viel Saitenpräparation abwechslungsreich gestaltet. Dazu noch eine gleichmäßig verteilte angenehme Moderation auf alle vier Akteure, ständig wechselnde Positionen und die Performance wurde zu einer perfekten Konzertnummer, ohne Längen und mit einer Menge musikalischer Höhepunkte.
Hervorzuheben gleich die Tango Fuge nach Astor Piazolla, eine Komposition von Stefan Wirth (*1975) nach einem Thema des Tango Königs. Keine Fuge im klassischen Sinne, sondern eher ein thematisches Nacheinander polytonal gestalteter Motive, rhythmisch zusammengehalten durch Schlagwerk und Klatschen. Sehr spannend und ein erster Höhepunkt des Abends.
Mit einer Suite aus Gershwins Porgy and Bess, ein Arrangement acht seiner Songs aus dessen "Folk Opera" von Stefan Wirth und Benjamin Engeli, endete der erste Teil des Abends, der, abgesehen von der Piazolla Fuge sich eher durch kontrolliertes Spiel, verhaltene Emotionen und mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks vorgetragener Werke auszeichnete als durch klangliche Innovationen und überzeugende Arrangements.
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| v.l.: Benjamin Engeli, André Desponds, Stefan Wirth, Mischa Cheung |
Vier Flügel – ein eigenes Genre
Ganz im Gegensatz dazu dann der zweite Teil des Konzertabends. Gleich das allseits bekannte Concerto in F (1925) für Klavier und Orchester von George Gershwin (1898-1937) – arrangiert von André Desponds und, nebenbei bemerkt, eine deutsche Erstaufführung, quasi taufrisch an das Licht der Öffentlichkeit gehoben, denn erst vor wenigen Tagen hat die Uraufführung in der Züricher Tonhalle Maag stattgefunden –, zeigte die Möglichkeiten auf, vier Flügel in ihrer Vielfalt zur Geltung zu bringen. Eine perfekte Verteilung der Instrumentierung, abwechslungsreiches Saitenspiel, feingliedrige Klangteppiche und extreme Akzentuierung führten neben räumlicher Tongebung und rhythmischer Ausdruckskraft auch zu gänzlich neuen Timbres der Klangentwicklung.
Diese herrliche Erstaufführung erhielt noch eine Ergänzung von André Desponds höchstpersönlich. Er spielte Chopins Etüde Nr. 1 C-Dur op.10 (1829), in allen Belangen perfekt, und machte daraus eine Jazz Session, eine improvisatorische Bearbeitung dieses höchst schwierigen Werkes von außerordentlicher Klasse. Völlig unaufdringlich, eng am Werk entlang, von bester Bebop-Qualität und großer pianistischer Meisterschaft.
Gleich darauf ein minimalistisches Werk von Nik Bärtsch: „352“ für vier Klaviere (2020) mit rhythmischen Verschiebungen, gnadenlos schnellen Repetitionen, ständig wechselnden Betonungen auf unterschiedlichen Taktteilen, präparierten Saiten und einem Cluster-Finale von großer Kraft und gewaltigem Donnerschlag. Auch dies eine deutsche Erstaufführung und ein Werk, extra für vier Klaviere geschrieben. Eine Musik im Stile von Steve Reich und Terry Riley, von großer Ausdrucksstärke und eine echte Werbung und Aufforderung an die zeitgenössischen Komponisten, doch mehr für dieses Genre zu schreiben.
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| v.l.: André Desponds, Benjamin Engeli, Stefan Wirth und Mischa Cheung beim Schlussapplaus |
Das Gershwin Piano Quartet – eine Entdeckung
Mit Gershwin Lieder aus dessen schier endlosem Repertoire von Broadway Songs endete dieser beeindruckende Konzertabend. Ohrwürmer wie Love is Here to Stay, Fascinating Rhythm oder als eine der Zugaben I got Rhythm zeigten die vier Tastenakrobaten noch einmal ihren Groove, ihre Hingabe an den Swing der 1920er Jahre und ihre improvisatorische Versiertheit, ganz im Sinne ihres musikalische Vorbilds George Gershwin, der sicher seine Freude an ihrem Spiel gehabt hätte. Das Publikum war begeistert und es ist zu erwarten, dass dieses Gershwin Piano Quartet nicht zum letzten Mal zu Gast in Frankfurt gewesen ist.
Dank sei auch PRO ARTE, das wieder einmal ein glückliches Händchen bei der „Entdeckung“ dieses Ensembles bewies.



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