Montag, 3. Juli 2023

36. Rheingau Musik Festival vom 24.06. bis zum 02.09.2023

Sommerfest mit Feuerwerk, Schloss Johannisberg, 01.07.2023

WDR-Funkhausorchester, Mitte: Frank Strobel, links: Tamara Lukasheva (Foto Ansgar Klostermann)

Trotz Wetter – beste Stimmung

Illustre Gäste, drei Bühnen, kulinarische Genüsse und ein nicht ganz sommerliches Wetter empfingen das Publikum aus dem gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus. Es herrschte reges Treiben auf dem wunderschönen Areal des international renommierten Weingutes. Die Alt-Achtundsechziger Beat Box heizte die nicht nur kulturhungrige Menge im Spätlesereiterhof des Schlosses erst einmal richtig ein, bevor das Hauptprogramm, der eigentliche Knaller des Abends, eingeläutet wurde.

Aber Achtung. Das Wetter.  Pünktlich um 19.15 Uhr setzte der Regen ein und drohte, nicht wieder aufhören. Der Cuvéehof mit mehr als tausend Sitzplätzen wollte sich nicht so recht füllen. Man bot grüne Regencapes an, die Schirme wurden aufgespannt, und die Szene glich einer grünen Wiese mit schwarzen, gelben, roten und blauen Farbtupfern der Schirme. Eine lockere Stimmung trotzdem allüberall. Man scherzte und flachste, und als dann gegen 20.00 Uhr Michael Herrmann, Intendant, Geschäftsführer und Gründer des RMFs, das große Sommerfest offiziell eröffnete, hörte es auch schlagartig mit dem Regen auf.

Beat Box (Foto Ansgar Klostermann)

Mit Schirm, Charme und Entertainment

Frank Strobel und sein WDR-Funkhausorchester füllten die Bühne und Götz Alsmann, Fokus Gast in diesem Jahr, betrat gemeinsam mit der Jazz-Sängerin Tamara Lukasheva die Bretter, die die Welt bedeuten. Ein Dreiergespann, wie sich bald herausstellte, dass gelungener und perfekter nicht hätte zusammengestellt werden können. Hier passte alles. Man einigte sich auf Rockabilly, Swing und Calypso, arbeitete Schlager und Evergreens aus den 50er und 60er ab und garnierte das Ganze mit witzigen Anekdoten und selbstverständlich auch musikalischen Einlagen von Götz Alsmann.

Überhaupt, Götz Alsmann, er begrüßte das Publikum, wie gesagt ein grüner Teppich mit Blumen drauf, mit den Worten: „Sollte jemand da sein, der nicht persönlich von mir begrüßt wurde …“, und hatte damit selbst verständlich gleich die Lacher auf seiner Seite. „Nach Jahren der Ödnis, Dürre und Verzagtheit“ setzte er sinngemäß fort, wird ihnen das traditionsreiche Orchester des WDR-Köln heute Abend bestes Entertainment bieten und die Stimmung auf Hochglanz bringen. Und das erfüllte sich ohne Wenn und Aber. Die aus Odessa stammende Jazz-Sängerin Tamara Lukasheva brillierte gleich mit Is That Jazz von Gil Scott Heron und So danço Samba von João Gilberto. Tolle Stimme, leicht mit viel Swing und perfekter improvisatorischer Koloratur. Beide, Alsmann und Lukasheva, erwiesen sich als ausgebuffte Entertainer mit Charme und Humor.

Götz Alsmann, WDR-Funkhausorchester (Foto Ansgar Klostermann)

Was ist musikalischer Sachverstand?

Bemerkenswert die szenische Moderation – eigentlich erwartete man eine Pause, die man aber wegen der fortgeschrittenen Zeit ausfallen ließ –, als Alsmann meinte, Pausen seien eh schwierig, denn man müsse meistens Farbe bekennen, ob einem die Vorstellung bis jetzt gefallen habe. Was sagt man aber als musikalischer Nicht-Kenner zu einem Beethoven, Mozart, Wagner, Mahler, Stockhausen oder Vivaldi? Beethoven erhielt das Attribut „gewaltig“ (alle mussten theatralisch „gewaltig“ rufen), Mozart „zauberhaft“, Wagner „schwierig, schwierig, schwierig“, Mahler „Oau, Oau, Oau“, Stockhausen „aber ich weiß nicht“ und Vivaldi „klar, vier Jahreszeiten“. Ein humoriges Intermezzo mit viel Gelächter und sprachlichem Durcheinander. Überhaupt schaffte Alsmann – ihm unterstellt man zu Recht einen anarchischen Humor – die Stimmung schrittweise auf den Höhepunkt zu treiben und die regendurchnässte Menschenwiese aufs charmanteste mit zu nehmen.

 

Der Sommer von Astor Piazzolla

Astor Piazzollas Vier Jahreszeiten von Buenos Aires (ursprünglich für Klaviertrio geschrieben) schaffte natürlich einen sinnreichen Übergang zum Musikgeschehen. Sein Sommer wurde vom ersten Geiger Jérôme Benhaim, begleitet vom großen Orchester, mit Verve und tänzerischer Finesse interpretiert. Ein Tango, mit Ausflügen zu Vivaldis Sommerversion, der die Herzen entflammte. Überhaupt, zeigte sich das Orchester unter der Leitung von Frank Strobel in bester Laune. Ob Jazz, Tango, Filmmusik, Chansons oder klassischer Schlager, immer ist es auf dem Level der jeweiligen Musik und immer wird sie unter den Händen des Dirigenten zu einem Erlebnis.

Götz Alsmann, Tamara Lukasheva, WDR-Funkhausorchester (Foto Ansgar Klostermann)

Ein Trio exceptionale

Tamara blitzte auf mit Ohrwürmern wie:  It´s Too Darn Hot aus Cole Porters Kiss me Kate oder gar Fever von Eddy Cooley, ein Best of von 1956. Immer sang sie mit Herz und absoluter Hingabe. Natürlich musste Götz Alsmann auch singen und seine Ukulele bearbeiten. Seine Liebe zum deutschen Schlager machte er unverhohlen deutlich und sang Ich hab´ noch einen Koffer in Berlin, den Hildegard Knef zum Welthit machte, und: Das machen nur die Beine von Dolores von Gerhard Wendland aus den frühen 1950ern. Einfach nur klasse, wie er die beiden Superstars des 20. Jahrhunderts im 21. noch einmal metaphorisch in den Schatten stellt. Ohne Flachs. Das war echt Spitze.

Regenfrei, mit großer Vielseitigkeit, absolut inspirierend und ein entzücktes Publikum im großen Areal des Schlosses zurücklassend, gaben sich das Trio Exceptionale noch einmal die Kante mit Sunny von Bobby Hepp (1965), sowie einen Boogie-Woogie mit deutschem Text von Götz Alsmann. Dazu das swingende Orchester begleitet von einem tanzenden Dirigenten. Was will man mehr.

 

Ein Feuerwerk wie ein Gemälde

Und man konnte sogar noch einen draufsetzen. Das Feuerwerk. Pünktlich um 22.45 Uhr knallte es entsetzlich laut über die Höhen des Rheingaus. Martialische Musik von Beethoven, Ennio Morricone, Dmitri Schostakowitsch und Camille Saint Saëns begleitete eine farbereiche, lautstarke Serie von Blumen, Wasserfällen, Leuchtraketen und selten schönen, blitzenden und krachenden Kombinationen. Ein Leuchten und Knallen vor dem riesigen Vollmond, wie ein Gemälde aus der Hand von Gerhard Richter oder René Magritte. Einfach anarchisch schön, wie auch die Moderation von Götz Alsmann.

Waterproof (Foto Ansgar Klostermann)

Waterproof, die besten Rausschmeißer ever

Waterproof, ein Quartett aus Aschaffenburg, fiel schon im vergangenen Jahr durch ihren Funky-Pop-Rock auf. Sie spielten im Schlosshof noch einmal zum Ausklang auf, zogen vor allem die jüngeren noch Zurückgebliebenen in ihren Bann und schafften eine Tanzstimmung, die an die Walpurgisnacht erinnern könnte. Eine Stimmungskanone mit Hexentanz, Hip Hop, und vor allem Rhythmus, Rhythmus, Rhythmus vom Feinsten.

Ein Sommerfest, wie selten zuvor erlebt. Das Wetter. Ja das „miese Wetter“. Im Nachhinein möchte man meinen: Es war ein Segen für alle. Ein Auftakt nach Maß.       

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