Donnerstag, 3. August 2023

36. Rheingau Musik Festival vom 24.06. bis zum 02.09.2023

Sarah Willis (Horn) und das Havana Lyceum Orchestra (Leitung: José Antonio Méndez Padrón), Kurhaus Wiesbaden, 02.08.2023

Sarah Willis (Horn), José Antonio Mendez Padrón (Chefdirigent), Havana Lyceum Orchestra
(Foto: Ansgar Klostermann)

Mozart y Mambo

Sarah Willis (*1968) ist zwar eine echte US-Amerikanerin, aber dennoch in der ganzen Welt zuhause. Tokio, Moskau, London und Berlin gehören ebenso zu ihren Heimatstädten wie auch Havanna, das sie seit spätestens 2020 zu ihrem musikalischen Zentrum gemacht hat, zumal ihre Bekanntschaft mit dem erst 2016 gegründeten Havana Lyceum Orchestra (Mitbegründer war auch der musikalische Leiter José Antonio Méndez Padrón), die Liebe zur Kubanischen Musik, zum Kubanischen Salsa, den sie übrigens perfekt beherrscht, auf die Idee brachte, mit dieser Formation zusammen zu arbeiten. Heraus kamen bisher drei Alben im Rahmen eines Projektes, das den eingängigen Titel Mozart y Mambo trägt, und eine, wenn auch gewagte Verbindung zwischen der europäischen klassischen und der afrokubanischen Musikkultur herstellt.

 

Sarah Willis kittet scheinbar Unvereinbares

Dazu Willis, die das Orchester während eines Meisterkurses in Havanna kennenlernte: „Die haben Mozart gespielt mit Tanzrhythmen im Gefühl und im Körper …“ Und sie wagt die kühne Behauptung: „Mozart wäre ein guter Kubaner gewesen. In seiner Musik stecken sehr viel Improvisation, Tanz und Spaß.“

Nun denn, Sarah Willis ist nicht allein eine brillante Hornistin (nicht von ungefähr war sie die erste weibliche Blechbläserin bei den männerorientierten Berliner Philharmonikern), sondern auch eine professionelle Moderatorin und eine großartige Kommunikatorin. Sie versteht es, Menschen zusammenzubringen, zu motivieren und auch scheinbar Unvereinbares (Beispiel Mozart und Salsa) zu kitten.

Tatsächlich standen neben bekannten kubanischen Komponisten wie Richard Egüez (1923-2006) mit El bodeguero, ein mit spanischen, französischen und afrikanischen Stilen gespickter Charango, der unter Nat King Cole zu einem Welthit avancierte, Jorge Amado (*1997) mit Danza de las fugitivos, ein zeitgenössischer Leckerbissen der rhythmischen Überlagerungen, stampfenden und pochenden wie auch repetitiven, fluchtartigen, wilden und minimalistischen Elementen, ein Wolfgang Amadeus Mozart mit seiner Serenade  Nr. 6 D-Dur KV 239 (1778) und seinem wenig bekannten Konzertsatz für Horn und Orchester Es-Dur KV 370 (1781) auf dem Abendprogramm. Ein exorbitanter Kontrast. Aber nur scheinbar.

Havana Lyceum Orchestra - kleiner Ausschnitt (Foto: Ansgar Klostermann)

Ein Orchester im Tanzmodus

Denn tatsächlich spielte das Orchester, natürlich alles im Stehen und mit fließender und tanzender Bewegung, die Serenade wie auch den Konzertsatz wie eine Tanzsession. Mozart so noch nie gehört, könnte man meinen, wenn man nicht wüsste, dass der unbequeme, lebensfreudige und mitunter polternde Ausnahmekomponist den Tanz, das Feiern und die Ausgelassenheit der Feste liebte und in seiner Serenade, eine Art Faschingsschwank, voll zur Geltung kommen ließ. Der Konzert Satz für Horn Solo, eigentlich eine unvollendete Skizze, ein Fragment, das der Musikwissenschaftler Robert Levin (*1947) in den 1980er Jahren ergänzte, gehörte ebenso in die Rubrik leichte Kost, aber mit einem Schuss Ironie, wenn man bedenkt, dass Mozart im Jahre 1781 seinem Arbeitgeber Fürstbischof Colleredo nach heftigem Wortwechsel den Rücken kehrte und nach Wien wechselte, wo er der Enge und Spießigkeit Salzburgs zu entfliehen glaubte. Warum da nicht ein Hornkonzert skizzieren, obwohl eine Aufführung noch in den Sternen steht?

 

Ein Konzert wie eine Suite

Höhepunkt des Abends sollte das erst 2022 fertiggestellte Hornkonzert, Cuban Dances für Horn, Streicher und Percussion sein. Ein sechsteiliges Werk, entstanden nach einer Wettbewerbsausschreibung, das zum Ergebnis hatte, dass sechs hoch talentierte kubanische Komponisten ihre Kompositionen in das Konzert einbringen durften. Insofern ist das Werk eher eine moderne Suite mit unterschiedlichen Tänzen aus den verschiedensten Regionen Kubas: Darunter ein Salsa von Pepe Gavilondo, ein Mambo von Yuniet Lombida, ein Bolero von Jorge Aragon, ein Changüi von Ernesto Oliva, ein Guaguancó von Wilma Alba Cal sowie ein Cha-Cha-Cha von Yuniet Lombida und Ernesto Oliva.

Das alles ist ein Ergebnis des Projekts Mozart y Mambo, das Sarah Willis seit 2020 aktiv begleitet. Eigenen Aussagen zufolge mit vielen Unterbrechungen (Stichwort Corona) und teilweise auch technischen und geographischen Problemen. Immerhin ein interessanter Versuch, eine europäische Erstaufführung, mit kleinen Piecen von wirklich sehr jungen und begabten Komponisten, wenngleich das Horn insgesamt in der kubanischen Musik doch eher wie ein Fremdkörper wirkt. Aber das ist eine sehr subjektive Meinung.

Sarah Willis (Foto: Website Sarah Willis)

Eine kubanische Combo vom Feinsten

Richtig fetzig wurde es dann zum Schluss des Konzerts. Eine Neuner-Combo spielte von Chucho Valdez (*1941) den von der legendären (von Wim Wenders entdeckten) Formation Buena Vista Social Club – ein Highlight der 1990er Jahre – kreierten Mambo unfluenciado, ein Stück für Improvisations- und Rhythmuskünstler. Hier zeigte sich die Klasse der Instrumentalisten mit herrlichen Saxophon-, Trompeten, Geigen- und Klaviereinlagen. Aber man spürte auch die klassische Festgelegtheit von Sarah Willis. Will heißen, dass ihre improvisatorischen Einlagen sowie ihre Integration in das eingespielte Team sich doch eher auf ein freundliches Dabeisein reduzierten. Dafür war aber ihre Bereitschaft, überhaupt mitzumachen, echt bemerkenswert.  

Sarah Willis (Foto: Berliner Philharmoniker)

Das beste der Gattung kubanischer Tanz und eine sehr willkommene Entertainerin

Mit Guantanamera von Joseito Fernández (1908-1979), ein Hit der 1980er Jahre, und zweier Zugaben aus dem Projekt Mozart y Mambo, Eine Reise durch Kuba, ein groovender Rumba und ein Rondo alla Mambo, zu dem das Publikum tanzen durfte – und das wurde dankend angenommen – geriet der gut besuchte Friedrich-von-Thiersch Saal noch einmal in heftige Schwingungen. Sarah Willis, in diesem Jahr Focus-Künstlerin des RMF, ist wirklich eine Bereicherung des Festivals. Das Havana Lyceum Orchestra mit seinem Chefdirigenten José Antonio Méndez Padrón, dazu noch ein ausgezeichneter Trompeter, dürfte zum Besten der Gattung kubanischer Tanz auf der Welt gehören. Aber auch ihre Art der Interpretation internationaler Werke ist bemerkenswert, und könnte zu neuen musikalischen Bewertungen westlicher Tonkunst werden. Eine Formation mit aussichtsreicher Zukunft jedenfalls.

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