Donnerstag, 10. August 2023

36. Rheingau Musik Festival vom 24.06. bis zum 02.09.2023

Daniel Hope (Violine) und Sylvia Thereza (Klavier) im Fürst-von-Metternich Saal auf Schloss Johannisberg, 08.08.2023

Daniel Hope und Sylvia Thereza (Foto: Ansgar Klostermann)

Vielseitig und kosmopolitisch

Daniel Hope gehört wohl zu den vielseitigsten und kosmopolitischsten Violinisten weltweit. In Durban (Südafrika) von irischen Einwanderer-Eltern geboren wuchs er in Paris und London auf und lebt seit vielen Jahren in Deutschland. Seit 2017 besitzt er den deutschen Pass mit Standort Berlin. Seine Karriere ist gigantomanisch und würde Seiten füllen. Es muss reichen, wenn man seine momentanen Tätigkeiten als Artistic Director der Frauenkirche Dresden (seit 2019) sowie seine Präsidentschaft des Bonner Beethoven-Hauses (seit 2020), in der Nachfolge von Joseph Joachim und Kurt Masur, anführt.

Der erweiterten Öffentlichkeit ist Hope auch bekannt durch seine Konzertreihe Hope@Home, die er während der Corona-Krise live über ARTE gemeinsam mit Künstlern und Musikern aus seinem Berliner Wohnzimmer anbot und dabei große Zustimmung erfuhr. Hopes Projekte sind vielseitig, immer aber darauf ausgelegt, jungen talentierten Künstlern eine Plattform zu bieten.

 

Eine Plattform für eine noch unbekannte Pianistin

Zurzeit ist Daniel Hope Focus-Gast auf dem 36. RMF mit insgesamt fünf Konzert-Auftritten. Eines davon mit der brasilianischen Pianistin Sylvia Thereza, in Europa weitgehend unbekannt und erstmals im Rheingau vertreten. Hopes engagierte die Professorin für Klavier und Schützling der legendären Maria João Perez für seine geplante CD unter dem Titel America und verstand es wieder einmal, eine blutjunge Pianistin einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen, wobei sich natürlich die Örtlichkeit des Schlosses bestens eignet.

Ein voller Fürst-von-Metternich Saal erlebte ein Kaleidoskop von sehr unterschiedlichen Komponisten wie Kompositionen. Von Antonin Dvořák, über Aaron Copland bis George Gershwin, alles vorhanden. Mal Exilwerke, mal Werke amerikanischen Ursprungs, immer aber kleine Besonderheiten, die die engen Verknüpfungen von Europa und Amerika illustrierten und musikalisch ausloteten. Dazu eine Moderation des Künstlers, gespickt mit Wissen und Anekdoten.

Daniel Hope und Sylvia Thereza (Foto: Ansgar Klostermann)


Viel Folklore mit Flüchtigkeitsfehlern

Gleich zu Beginn von Dvořák (1841-1904) die Sonatine für Klavier und Violine op.100 (1893), ein kindgerechtes Werk für seinen 10-jährigen Sohn und seine 14-jährige Tochter, die es zu Weihnachten 1893 quasi uraufführten. Ein helles von amerikanischen Folklore Elementen durchzogenes vierteiliges Paradestückchen, das der Vater während seines zweijährigen Aufenthaltes in New York (1892-94) seinen Sprösslingen zum Geschenk machte.

Hope und Thereza spielten sich leider um Kopf und Kragen. Augenscheinlich hatte man die Sonatine unterschätzt und sie einfach mal so vom Blatt präsentieren wollen. Flüchtigkeitsfehler noch und nöcher waren die unausweichliche Folge.

 

Zwischen klassischer Geradlinigkeit und schrägem Jazzrhythmus

Besser wurde es erst mit Aaron Coplands (1900-1990) Nocturne (1926). Ein Abendständchen voller Synkopen und Blue-Notes. Ein Stück, von dem der US-amerikanische Dirigent Walter Damrosch (1862-1950), nach Hope, einmal gesagt haben soll: „Wer mit 23 (!) solch eine Musik schreibt, der wird in fünf Jahren zum Mörder.“ Man konnte beruhigt sein. Dieses Notturno hatte es zwar in sich – als ein Meisterwerk zwischen klassischer Geradlinigkeit und schrägem Jazzrhythmus –, aber Mordgedanken? Fehlanzeige.

Maurice Ravel (1875-1937) kannte Aaron Copland persönlich und war tatsächlich 1925 für vier Monate in den USA, wo er erstmals Gershwin am Klavier erlebte. Hin und weg von dieser Musik versuchte er sich in seiner Sonate für Klavier und Violine Nr. 2 G-Dur (1927) am Jazzidiom im zweiten Satz: Blues Moderato, von dem ein Musikkritiker gesagt haben soll, „es (sic) sei, als würde man einem Croissant zuhören“ (O-Ton Hope). Tatsächlich dominierten repetitive Elemente, Pizzikati und ostinates Pochen. Durchsetzt von scharfen Dissonanzen konnte man doch Gefallen an der Interpretation finden.

 

Ein Opernstar mit Hang zur Tradition

Mit der Fantasy Suite 1803 (2022) von Jake Heggie (*1961) wurde es spannend. Wer ist Jake Heggie? In Amerika angeblich einer der bekanntesten „Opernstars“ mit einer erklecklichen Anzahl von Bühnenwerken, darunter Moby Dick (2010) und It´s a Wonderful Life (2016). Die Suite fällt insofern etwas aus dem Rahmen. Sie ist ein Auftragswerk des Beethoven Hauses Bonn (Daniel Hope) und ist inspiriert von Beethovens Aufenthalt im Theater an der Wien 1803. Denn er sollte dort im Auftrag von Emanuel Schickaneder eine Oper schreiben (Thema: Vestas Feuer), woraus aber nichts wurde. Stattdessen führte das Projekt zu seiner Oper Fidelio.

Heggie nahm sich dieses Ereignisses an und schreibt dazu: Nach dem frühen Tod seines Vaters habe er Halt in Beethoven gefunden. „Allein die Tatsache, dass es diese Musik gab – das gab mir damals Hoffnung.“ Ebenfalls entstand in dieser Zeit die berühmte Kreutzersonate op.47 (1802/03), die ursprünglich dem Geiger George Bridgetower gewidmet war, aber wegen Streitigkeiten um eine Frau, die Beethoven sehr schätzte, wieder getilgt wurde. Beethoven sprach sie dann dem Violinisten Rodolphe Kreutzer (1766-1831) zu.

All das wird in dieser gut 17-minütigen vierteiligen Suite thematisiert: Liedhaft mit ganz eigenen modalen Tonskalen, gar nicht recht tänzerisch, sondern eher wie eine Eloge anmutend. Einzig das menuettartige bewegte Mittelstück fällt da ein wenig aus dem Rahmen, dagegen herrscht im Schlussteil das Seufzermotive vor, tief traurig, mit großer Empathie von beiden Künstlern vorgetragen. Spannung dennoch bis in die Haarspitzen.

Daniel Hope (Foto: Ansgar Klostermann)


Emigration als Flucht und aus Karrieregründen

Mit Erich Zeisl (1905-1959) und Hanns Eisler (1898-1962) werden zwei Emigranten aus dem Nazi-Deutschland vorgestellt. Zeisl, österreichischer Jude, emigrierte zunächst 1938 nach Paris, um sich dann in den USA niederzulassen. Seine Karriere allerdings bekam einen Knacks. So konnte er sich weder über die Filmmusik Hollywoods noch über seine Orchesterwerke, Opern oder Chormusiken durchsetzen. Aus seinem Opernfragment Hiob (Libretto: Joseph Roth) spielte das Duett Menuchims Lied (1939), ein leidvolles Poem, voller Sehnsucht und Trauer. Ohne Pause folgte dann Eislers Lied an den kleinen Radioapparat (1942). Der Text von Bertold Brecht aus seiner Hollywood Lieder Sammlung (1942/43) besteht aus Worten an das Radio als einzige Verbindung zwischen Exil und Heimat. Es endet damit: „Versprich mir, niemals stumm zu sein.“ Ein wunderbares Lied von nur gut einer Minute. Dafür herzzerreißend. Ein Hilferuf aus dem Exil.

Miklós Rósza (1907-1995) dagegen war kein Flüchtling. Er verließ seine Heimat Ungarn, weil er sich in Hollywood besser Chancen versprach, was ihm auch glückte. Mit der Musik zu Ben Hur (1959, Regie: William Wyler, mit Charlton Heston in der Titelrolle) wurde er unsterblich in den Olymp der Filmmusik-Komponisten (er erhielt 1960 den Oscar für die beste Filmmusik) aufgenommen. Das Liebesthema daraus spielte das Duett Hope/Thereza, trotz fehlendem Riesen-Orchester (denn dafür ist es geschrieben), voll lyrischer Gefühligkeit und mit wunderbarer Ausdruckskraft.

 

Daniel Hope und Sylvia Thereza (Foto: Ansgar Klostermann)

Viel Neues aber wenig Außergewöhnliches

Den Abschluss bildete, wie sollte es anders sein, Georg Gershwin (1898-1937). Drei Ohrwürmer Ain´t Necessarily So, Summertime (aus: Porgy and Bess) sowie I Got Rhythm (aus: Girl Grazy) ließen allerdings, was Rhythmus und Leichtigkeit angeht, Einiges zu wünschen übrig. Auch hier schlichen sich wieder einige Flüchtigkeitsfehler ein, was vor allem im Waltz des I Got Rhythm schon eine wenig störte.

Dem Publikum gefiehl´s und mit drei Zugaben von Heitor Villa-Lobos: The Dance of the White Indian (1936), eine Soloeinlage von Sylvia Thereza, extrem repetitiv und höchst virtuos, einem Tango von Carlo Kardell sowie von Billy Joel And So it goes (1983) – nach dem Motto: Wir wissen nicht was kommt (O-Ton Hope) –, wurde das Publikum in den ungemütlichen regnerischen Abend entlassen. Viel Neues aber wenig Außergewöhnliches.

 

 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen