36. Rheingau Musik Festival vom 24.06. bis zum 02.09.2023
Martin Grubinger und das The Percussive Planet Ensemble, Rheingoldhalle Mainz, 27.08.2023
Martin Grubinger und The Percussive Planet Ensemble (Foto: Ansgar Klostermann)
Ein Knaller in Lautstärke und Leidenschaft
Martin
Grubingers letzter Auftritt als Fokus Gast im Rahmen des Rheingau Musik
Festivals (RMF) in brechender voller Rheingoldhalle war von Anfang bis zum
Finale, zweieinhalb Stunden später, ein Knaller. Sowohl in der Lautstärke als
auch an Leidenschaft und Virtuosität.
Ein Spiel nach Lust und Laune
„Wir haben heute
kein Programm“, meinte Grubinger in seiner bekannten Bescheidenheit, „Wir
spielen heute Abend alles, was wir immer schon gern gespielt haben.“ Und so
wurde allein das Motto der finalen Perfomance The Percussion Summit
2023 (Grubinger wird auch zum Ende der Saison die Bühne definitiv
verlassen) zum Leitfaden der 24 männlichen Musiker. Extra für diesen
Abend zusammengestellt als The Percussive Planet Ensemble (eine
Formation von Vater und Sohn Grubinger bereits 2011 gegründet, zu besonderen Anlässen
aber immer wieder neu zusammengestellt).
Eine gewaltige Big-Band mit vier Trompetern, vier Posaunisten und einem Saxophonisten, mit drei Tastenkünstlern an Flügel, Keyboard und E-Klavier, zwei E-Gitarristen (Bass- und Lied) sowie acht Perkussionisten an diversen Perkussionsinstrumenten, darunter Xylophon, Marimbaphon, Vibraphon, Pauken, Trommeln, Taikos, Bongos, Pipes und Becken sowie Crotales, Txalaparta (ein Holzschlaginstrument aus dem Baskenland) und Cajons. Und – natürlich Martin Grubinger höchstselbst.
Martin Grubinger und The Percussive Planet Ensemble (Foto: Ansgar Klostermann)
Projekt Percussion Summit geht voll auf
Tatsächlich war
ein Programm im Programmheft vorgesehen. Aber Grubinger wählte aus, ließ einiges
fallen oder ergänzte es mit Neuem. Egal. Sein Projekt Percussion Summit 2023
ging voll auf. Herauszuheben das Arrangement zu Astor Piazzollas Libertango
(1974), eine Interpretation mit Stilmittelauswahl aus der vielfältigsten Rhythmuskiste
des Schlagkünstlers. Immer aber Tango, und das war gut so. Oder auch The
Number of Fate, eine Komposition seines Vaters, Martin Grubinger sen., in
einem vertrackten 7/8 Takt, eingebauter Txalaparta (hier bedient von drei
Schlagzeugern der Band), einem Handtrommelsolo der Extraklasse, dem Freude
schöner Götterfunken in der Sprache von Tak-Tik-Nik-Tak-Nuk, wie auch immer,
und ausgedehnten solistischen Auftritten von Bass-Saxophon, Keyboard, Klavier,
alles in der Manier der bekannten Big-Band-Performances. Endlos Stoff für
Improvisations- und Vielseitigkeitskünstler.
Südamerikanisches Flair
Klar, auch
Michel Camillos Caribe und sein One more Once mussten sein, zwei
Stücke in südamerikanischer Manier zwischen Cha-Cha-Cha, Mambo, Salsa und Tango
Argentino. Alles in perfekter Abgestimmtheit, einem Zusammenspiel, wo jeder
einzelne Instrumentalist voll zu seinem Recht kommen konnte. Dazu zählten auch die
hanebüchen schnellen Sextolen Spiele der vier Perkussionisten aus den Reihen
des Ensembles, herausseziert aus den Kompositionen der Japanerin, Komponistin
und Marimba Spezialistin, Keiko Abe (*1937) und arrangiert in einem fantastischen
Ostinato.
Den Abschluss bildete Teen Town (1977) von dem E-Bassisten Jaco Pistorius (1951-1987), der dieses mit jazzigen Patterns gespickte Stück damals für seine Rockband Weather Report komponierte und tatsächlich damit Jazz-Rock Geschichte schrieb.
Martin Grubinger und The Percussive Planet Ensemble (Foto: Ansgar Klostermann)
Akrobatik, Hochleistungssport – unglaubliche Musikalität
Zwei Zugaben, das
erste aus Herbie Hancocks Watermelone Man und das zweite, wie es
bereits zur Tradition geworden ist, seine Akrobatik auf den Pipe Drums. Dieses
Mal in einem Dialog mit den dem ausgezeichneten Rock-Funk Drummer (Sein Name,
wie die seiner Mitstreiter sind leider nirgends angegeben und somit müssen sie
leider ungenannt bleiben).
Was bleibt.
Martin Grubinger gehört wohl zu den besten Multiperkussionisten unserer Zeit. Eigenen Aussagen zufolge trainiert er wie ein Hochleistungssportler, bis zu zwölf Stunden täglich, und muss dieser Belastung Tribut zollen. Er tritt mit 40 von der Bühne ab, was im Hochleitungssport bereits ein später Zeitpunkt ist. Verständlich allemal, wenn man ihn auf der Bühne beobachtet, seine rasend schnellen Bewegungen, seine Leidenschaft, seine Virtuosität, aber vor allem auch seine unglaubliche Musikalität und Einfühlsamkeit. Mit ihm zusammenzuspielen muss ein Genuss sein, was auf der Bühne erkennbar wird durch die Freude und Lust seiner Mitstreiter. Ja, Perkussion ist Battle, ist das gegenseitige Ausreizen, ja, es ist ein Wettkampf an den Geräten, mit den Gefühlen und den Emotionen.
Martin Grubinger und The Percussive Planet Ensemble (Foto: Ansgar Klostermann)
Perkussion baut Brücken, aber Allheilmittel ist sie
nicht
Sicher ist es eine Binsenweisheit, dass die Perkussion zu den ältesten Ausdruckformen der Menschheit gehören und insofern auch Brücken zwischen den unterschiedlichsten Kulturen zu schaffen befähigt ist. Auch ist die Musik im Allgemeinen und die Perkussion im Besonderen wichtiges Medium der Völkerverständigung, denn die Sprache der Musik ist international, ja global. Vermessen aber ist es, ihr eine politische Kraft gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zuschreiben zu wollen. Das ist pures Wunschdenken, und schadet der Musik mehr, als dass es ihr nützt. Die schlimmsten Rassisten, Antisemitisten und Nationalisten waren sehr häufig die besten Musiker, Komponisten und selbsternannten Philanthropen.
Auch Grubinger
sollte hier auf dem Erdboden bleiben und sich daran erfreuen, dass seine Musik,
seine Performances, sein persönliches sehr sympathisches Auftreten der internationalen
Verständigung durchaus hilfreich sein kann. Mehr aber auch nicht. Man wünscht
ihm für die Zukunft, zurzeit unterrichtet er als Professor für Multipercussion
an der Universität Mozarteum Salzburg den jungen Nachwuchs, alles Beste. Die
Bühne ist Teil seines Lebens. Er wird sie, das sei prognostiziert, sehr bald
wieder betreten. In welche Weise, das sei ihm selbstverständlich überlassen.
Martin Grubinger und in seinem Schatten sein Vater, Martin Grubinger sen. (an
diesem Abend als Dirigent und Motivator beschäftigt), haben die vergangenen
zwanzig Jahre die Welt der Perkussion beherrscht. Dafür sei gedankt. Die Zukunft
steht bekanntlich in den Sternen. Warten wir´s ab.
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