Montag, 9. Oktober 2023

Flashdance, Musical nach dem gleichnamigen Film von 1983, Buch, Musik und Songtexte von Robby Roth und Robert Cary, Premiere im Staatstheater Wiesbaden, 08.10.2023

Denia Gilberg, Tim Speckhardt (Foto: Christine Tritschler)

Eine Hit-Geschichte des Rock-Pop

Flashdance gibt es als Musical seit 2008 und wurde seitdem mit großem Erfolg weltweit in verschiedenen Versionen aufgeführt. Handlung und Musik orientieren sich weitestgehend am Film (Regie: Adrian Lyne) und dessen Soundtrack (Giorgio Moroder), der mit mehr als 20 Millionen verkauften Tonträgern zum eigentlichen Erfolg dieser Produktion beitrug. Songs wie Flashdance …What a Feeling (Titelmusik), Maniac, I love Rock´n Roll, oder auch Gloria sind in die Hit-Geschichte des Rock-Pop eingegangen und gehören noch heute zu oft gehörten und getanzten Songs.

 

Lebe deinen Traum

Die Handlung ist schnell erzählt, denn es geht schlicht um die Tanz-Karrierewünsche einer Schweißerin (Alex Owens) irgendwo in den USA, die mit Hilfe ihres Chefs (Nick Hurley) tatsächlich einen Vortanztermin am renommierten aber fiktiven Pittsburgh Conservatory of Dance bekommt und tatsächlich darin aufgenommen wird. Dazwischen sind natürlich viele Handlungsszenen nach dem Schema Liebe, Drama, Wahnsinn eingebaut. Lange Liebes- und Traumszenen, ein kindliches Alter Ego der Hauptdarstellerin (Alex als Kind), eine totkranke Ballettlehrerin (Frau Hannah Campanelli), der ewige Widerspruch von Arm und Reich, von Gut und Böse, alles drin, nach dem amerikanischen Leitslogan: „Du schaffst das mit Leidenschaft und Besessenheit. Lebe deinen Traum.“  

Denia Gilberg (Foto: Christine Tritschler)

Ein Parforceritt durch 30 Szenen

Ein Parforce-Ritt durch 30 Szenen mit viel Herzschmerz, Missverständnissen natürlich und sozialen wie persönlichen Konflikten. Gut drei Stunden atemloses Fortschreiten mit einem enthusiasmierten Publikum und hysterischen Schreieinlagen. Jede Szene gefolgt von einer Klatschorgie. Was konnte da noch eigentlich schief gehen.

Denia Gilberg (Foto: Christine Tritschler)

Die Erfolgsträger des Musicals

Die Wiesbadener Flashdance-Premiere wurde inszeniert und choreographiert von Iris Limbarth. Frank Bangert (musikalische Leitung), Britta Lammers (Bühne), Heike Korn (Kostüme) und Michael Hahn (Licht) standen ihr mit etlichen Helfern beiseite und man kann durchaus ein sehr positives Fazit ziehen.

Denn dieses Team schaffte es, das teilweise sehr junge Publikum drei Stunden bei der Stange zu halten. Eine Szene jagte die nächste, wobei die Besetzung der Rollen den eigentlichen Ausschlag des Erfolgs dieser Vorstellung ausmachten. Da wäre an erster Stelle Denia Gilberg zu nennen, die die Schweißerin und Tänzerin der Alex Owens zu spielen hat. Klein, sehr sportlich, mit guter Sopranstimme schaffte sie es glänzend, ihre sehr unterschiedlichen Stimmungen auf die Bühne zu transportieren: ein Wechselspiel von Träumen, Verzweiflung, Hoffnung und Zuversicht. Das allerdings gelang ihr durchweg überzeugend. Die kurzen Szenen mit ihrem stummen kindlichen Alter Ego (Malou Shehu) waren herzzerreißend und krönten zusätzlich ihren sehr differenzierten Part.

Anna Okunowski, Ensemble (Foto: Christine Tritschler)

Sehr amerikanisch, die Tränen flossen

Dann ihr Partner Tim Speckhardt als Nick Hurley. Auch er brillierte durch überzeugende Handlung und mit einem guten Bariton von hohem Stimmumfang. Seine Rolle als reicher Unternehmer, Gönner der Armen und Strippenzieher des Glücks war typisch für den amerikanischen Traum von Gerechtigkeit und Menschliebe. Den schier unlösbaren Widerspruch von notwendiger unternehmerischer Entscheidung und moralischer Philanthropie löste er durch seine Kündigung und, wie sollte es anders sein, durch die bedingungslose Liebeserklärung an Alex. Beide singen: „Unsere Zukunft leuchtet hell und klar. Unser Traum wird wahr.“ Amerikanischer geht´s zwar nicht. Aber die Tränen flossen dennoch.

Daniel Windrich, Victoria Reese, Ensemble (Foto: Christine Tritschler)

Der Vorteil der Mittelmäßigkeit

Zu erwähnen noch die Tänzerinnen und Freundinnen der Alex (Anna Okunowski als Tess). Sie sang im Stil einer Femme fatale I love Rock´n Roll und das (vor allem am Schluss der Premiere) mit hauchender Altstimme und untergründiger Gestik. Auch Victoria Reese als Gloria ist zu nennen, die als Busenfreundin von Alex sich zu einer großen Enttäuschung entwickelt (sie verkauft sich an den Zuhälter Joe alias C.C. (von Daniel Windrich leidlich gut verkörpert), wird aber von Alex „gerettet“ und singt als Höhepunkt ihrer Rolle den berühmten Song Gloria. Mit viel Herzblut, aber mit mäßiger Mezzo-Stimme.

Die Figur des Jimmy (Cecinho Feiertag) ragte noch aus dem großen Tanz- und Sängerteam heraus. Er, der Freund von Gloria, hat angeblich wenig Talent, seine Witze sind lau und sein Entertainment von gestern. Er geht nach New York und muss erkennen, dass seine eigentliche Heimat das Harrys ist, die Bar, in der sich seinesgleichen alltäglich trifft. Auffallend bei seiner Rolle ist seine Selbstkritik, sein Einsehen in seine Mittelmäßigkeit. Sein Boogie-Woogie-Song mit guter Tenorstimme: „Folge nur deinem Stern“ und die Liebesszene mit der geläuterten Gloria waren zumindest schauspielerisch sehr sehenswert.

Cecinho Feiertag, Daniel Windrich, Denia Gilberg, Nis Hansen, Karim Oukail
(Foto: Christine Tritschler)

Neigung zum Klischee

Überhaupt waren alle 30 Bühnenakteure voll bei der Sache. Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder entsprechend seiner Rolle. Dabei wechselten die Kostüme, mal sexy, mal von billigem Tand, mal als Arbeiterkluft. Hier spielte gerade bei Alex die Garderobe eine entscheidende Rolle. Changierte sie doch zwischen Exklusiv elegant, erotisierend bis zum Arbeiter Drillich. Auch waren die Tänzerinnen angemessen kostümiert, farbig und rollenaffin. Platzbedingt musste die Choreographie angepasst werden, was den Freiraum der Bewegungen naturgemäß einschränkte. Leider, denn die Bewegungsmuster neigten zum Klischee, was allerdings durch geschickte Lichteffekte, ständige Szenenwechsel (großes Lob an die Bühnenarbeiter) und farbige wie erotische Kostümierungen auszugleichen versucht wurde.

Denia Gilberg, Tim Speckhardt, Ensemble (Foto: Christine Tritschler)


Musik – ein wesentlicher Faktor des Erfolgs

Kommen wir abschließend noch zur Musik. Wie gesagt, die eigentlichen Hits wurden in Englisch gesungen, was passte. Alle anderen Songs in Deutsch, was dagegen nicht immer passte. Die Texte grenzten leider oft ans Banale. Viele herkömmliche Schlagertexte sind da einfach besser. Auch das Ensemble, ein Oktett mit u.a. Klavier, vier Perkussionisten, Trompete, Bass und Gitarre brillierte durch gute Songbegleitung. Es war allerdings nicht sichtbar, was schade ist, denn die Vermutung lag nahe, ein Tonband würde die Gruppe ersetzen. Die Acht durften aber am Ende der Vorstellung auf der Bühne erscheinen. Großes Lob an sie, denn sie trugen wesentlich zur Lebendigkeit des Geschehens auf der Bühne bei.

Malou Shehu, Denia Gilberg (Foto: Christine Tritschler)

Zeitlos rockige Musik

Warum heute noch Flashdance? Thematisch wohl eher nicht mehr zeitgemäß, ein Retro-Weg in die 1980er Jahre, dafür musikalisch immer noch gut zu hören. Eine rockige Musik, die zeitlos, vermutlich noch in hundert Jahren das Tanzbein schwingen lässt. Nicht umsonst die millionenfach verkauften Soundtracks und die heute noch millionenfachen Aufrufe zum Beispiel in YouTube.

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