Montag, 2. Oktober 2023

Kronberg Festival vom 21.09. – 03.10.2023

Entdeckungen, Finale der Geigen- und Bratschenkurse, Casals Forum Kronberg, 01.10.2023

Casals Forum Kronberg (Foto: Andreas Malkmus und Lutz Sternstein)

Ein virtuoses musikintensives Kaleidoskop

Ein wirklich beeindruckendes Abschlusskonzert der neun Finalteilnehmerinnen und -Teilnehmer, ausgewählt von den sechs Dozenten des Festivals 2023 aus 160 Alumnen. Ein virtuoses und musikintensives Kaleidoskop unterschiedlichster Werke von Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts.

Joshua Brown (Foto: Classix Kempten)

100 Jahre zwischen Beethoven und Janáček

Steigen wir gleich ein mit dem US-Amerikaner Joshua Brown. Er entschied sich für Ludwig van Beethovens (1770-1827) Sonate Nr. 7 c- Moll op.30, 2 (1802). Er kommt aus der Meisterkursklasse Mihaela Martin und wurde begleitet von der Pianistin Megumi Hashiba.

Brown spielte aus dem viersätzigen Stück den Kopfsatz Allegro con brio, ein brillanter Sonatenhauptsatz mit höchsten technischen und musikalischen Anforderungen und den typischen Beethovenschen kontrastierenden Petitessen zwischen Marsch, Kontrapunkt, Kantilene oder auch tonartlichen Ausflügen. Vor allem das prächtige Zusammenspiel der beiden Künstler konnte hier vollkommen überzeugen.

Laura Liu (HEIR Heifetz Ensemble)


Die US-Amerikanerin Laura Liu spielte auf ihrer Viola das Allegro Amabile aus Johannes Brahms Sonate Nr. 2 Es-Dur op.120,2 (1894). Die Sonate ist eigentlich für Klarinette gedacht, wurde aber wegen des Mangels an guten Klarinettisten von Brahms später auch für Bratsche erweitert. Laura Liu, aus der Meisterklasse der bereits legendären Nobuko Imai wurde am Klavier von Yumiko Urabe begleitet. Auch hier ein sehr harmonisches Paar mit „liebreizendem“ Touch, so der Hinweis des Komponisten. Sehr melodiös und trotz melancholischer Anlage mit einer gewissen Gelöstheit und Heiterkeit vorgetragen.

Sueye Park (eigene Homepage)

Ein virtuoser Hammer aus der Hand des Nathan Milstein (1904-1992) folgte. Milstein, selbst Ausnahmegeiger seiner Zeit und in den 1920er Jahren unterwegs mit Größen wie dem Pianisten Vladimir Horowitz und dem Cellisten Gregor Piatgorsky – man nannte das Trio Die drei Musketiere – arrangierte gerne Werke bekannter Komponisten. So auch die berühmten 24 Capricen von Niccolo Paganini, die er Paganiniana für Violine solo nannte. Wann dieses Arrangement von ihm erstellt wurde, ist nicht bekannt, vermutlich aber in den 1930er Jahren. Die Südkoreanerin Sueye Park, erst 23 Jahre alt, wagte sich auf ihrer „ex Hamma“ Geige von 1753 an dieses brutale Unternehmen und, das sei vorweggenommen, sie meisterte es mit Bravour. Gar nicht maschinenhaft, wie so oft vorgetragen, sondern mit großer Hingabe und wunderbarer Akzentuierung der einzelnen Variationen. Es war ein Genuss, ihr zuzuhören.

Simon Zhu (eigene Website)


Mit Leos Janáčeks (1854-1928) einzig erhaltener Sonate für Violine und Klavier (1914) musste der aus Deutschland stammende Simon Zhu (Masterclass Vadim Guzman) und in der Korrepetition von Evgeny Sinaiski, diesem musikalischen Gewitter entgegenhalten. Und das gelang ihm ohne Abstriche. Janáček, eher als Opernkomponist und Kammermusiker bekannt, hat mit dieser Sonate großen Erfolg geerntet, vor allem, weil sie programmatisch konzipiert ist. Sie eine Reaktion auf den Weltkrieg und zugleich eine Replik auf ihn (er vollendet die viersätzige Sonate erst 1922).

Zhu spielte den 2. und den 3. Satz (Ballade und Allegretto). Eher ein Lied ohne Worte, man könnte auch von einem Nocturne sprechen, sowie ein volkstümlicher Tanz im Allegretto. Allerdings auch er unterbrochen durch ein introvertiertes Arioso. Tatsächlich ist die Sonate insgesamt eher von Nachdenklichkeit geprägt, denn sie endet nicht in einem Triumph, sondern in einem choralähnlichen Adagio. Wunderbarer Abschluss des ersten Teils mit perfektem Zusammenspiel der beiden Künstler.

Seohyun Kim (eigene Website)


Die Spätromantik lässt grüßen

Die erst 14-jährige Südkoreanerin Seohyun Kim (aus der Meisterklasse Mihaela Martin) hatte für ihren Vortrag die Solo-Sonate E-Dur Nr. 6 (1923) von Eugène Ysaÿe (1858-1931) ausgewählt. Der Ausnahmegeiger und Komponist Ysaÿe soll angeblich innerhalb 24 Stunden in seiner belgischen Villa sechs Sonaten konzipiert haben, darunter auch die genannte Nr. 6. Pablo Casals hielt eine Menge von diesem Künstlercharakter und meinte: „Er war ein Riese von einem Mann, aber ein graziöser Riese, der sich mit Leichtigkeit und ohne Mühe bewegte … Wenn er spielt, fühlte man sich als ein besserer Mensch.“ Seohyun Kim dagegen ist klein und zierlich, ihr Spiel ist technisch nahezu perfekt, aber noch nicht leicht und ohne Mühe. Aber dennoch ist ihre Musikalität herausragend. Sie strich ihre Saiten mit viel Emotion und großer Hingabe.

Karisa Chiu (eigene Website)


Gabriel Fauré (1845-1924) schrieb diese Sonate für Violine und Klavier A-Dur op.13 (1875/76) für seinen Freund Paul Viardot, dem Bruder seiner Geliebten Marianne. Die US-Amerikanerin Karisa Chiu, aus der Meisterklasse Miriam Fried, gelang in der Klavierbegleitung mit Miki Aoki eine zutiefst expressive Interpretation. Ein Andante im Rhythmus einer Barkarole, eine Gondoliere Fahrt mitten im Venezianischen Gewässer.

Jaren Ziegler (eigene Website)


Der weniger bekannte Louis Vierne (1870-1937) komponierte 1895 zwei Stücke op. 5 für Klavier und Viola. Le Soir und Légende. Der Brite Jaren Ziegler, auch er erst 18 Jahre alt (Masterclass: Tabea Zimmermann) wurde am Klavier von Mana Oguchi begleitet. Stilistisch stark von Fauré aber auch von Cesar Frank beeinflusst, wirkte seine Interpretation (er spielte lediglich Le Soir) verträumt, romantisch von tiefer Innerlichkeit beseelt.

Oliver Neubauer (eigene Homepage)


Es folgte der US-Amerikaner mit deutschem Namen, Oliver Neubauer, aus der Meisterklasse Mihaela Martin und der Korrepetition von Megumi Hashiba. Er hatte zur Vorlage Peter Tschaikowskys (1840-1893) Lensky´s Arie aus seiner Oper Eugen Onegin (1878). Hier gibt es vor allem Transkriptionen für Flöte und Klarinette. Das Arrangement für Geige stammt vom Violinisten Leopold Auer (1845-1930). Neubauer und Hashiba boten hier eine perfekte Zusammensetzung. Eine Arie von größter Intensität und herrlichem Timbre zweier Ausnahme Musiker. Beide bildeten musikalisch den Höhepunkt des Abends.

Dayoon You (BR-Klassik)

Zwar brillierte zum Abschluss noch der Südkoreaner Dayoon You (Masterclass: Kolja Blacher) und seine Korrepetitorin Dana Protopopescu mit Camille Saint Saëns (1835-1921) berühmter Introduction et Rondo Capriccio für Violine und Orchester op.28 (1864).  Ein, wie George Bernard Shaw dazumal ironisch feststellte, „gleichsam nach dem Parfüm des Salons duftendes Fluidum“, das dieses Werk umweht. Nun denn. Das Stück lebt von seinem leichtfertigen Charme mit viel Esprit der Pariser „Operettenszene“ um Jacques Offenbach, der zur gleichen Zeit mit seiner Opera-bouffe La Belle Helène Furore machte.

You strotzte nur so vor Selbstbewusstsein. Die Komposition passte nahtgenau auf ihn. Mit großer Gestik und brillantem Spiel überragte er bei Weitem seine Begleiterin, die eigentlich ein Orchester ersetzen sollte, aber leider etwas hölzern daherkam und, nicht sonderlich gut vorbereitet, eher dem Capriccio den Schwung zu nehmen drohte. You ließ sich aber durch Nichts beeindrucken. Er zog sein Ding durch und das mit großer Meisterschaft. Chapeau.

Alle Teilnehmer des Konzertabends Entdeckungen (Foto: Andreas Malkmus und Lutz Sternstein)

Kurzweilig und exzellent zusammengestellt

Fazit: Ein sehr kurzweiliger, musikalisch und programmatisch gut zusammengesetzter Vortragsabend mit exzellenten Künstlerinnen und Künstlern. Alle neun Musiker sind bereits vielfach international ausgezeichnet, haben einschließlich der 14-jährigen Seohyun Kim Competition und Konzert Erfahrung und sind für ihre Zukunft bereits bestens ausgestattet. Ihr Spiel ist überragend, wenn auch noch nicht makellos, was gut so ist. Dennoch sei die Interpretation von Oliver Neubauer mit seiner Klavierbegleiterin Megumi Hashiba besonders herausgehoben. Lensky´s Arie aus Tschaikowskys Oper Eugen Onegin gehörte mit Abstand zum Besten der Abendvorstellung.

 

   

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