An English Christmas, Weihnachts-Chorkonzert mit dem Figuralchor Frankfurt, der Kammerphilharmonie Frankfurt (Leitung: Paul Leonard Schäffer) sowie Peter Gijsbertsen (Tenor) und Martin Lücker (Orgel), Alte Oper Frankfurt, 10.12.2023 (eine Veranstaltung der Frankfurter Museumsgesellschaft e. V.)
Figuralchor Frankfurt (Foto: Homepage, LIVENESS) |
Englische Weihnacht mal ganz anders
Mal Englisch
sollte es sein, und das war eine ausgezeichnete Idee. Denn zehn
Weihnachtslieder, Kantaten und Christmas Fantasien von berühmten und weniger
berühmten Komponisten der Insel waren nicht nur ein Besuch dieses Konzerts in
der Alten Oper Frankfurt wert, sondern auch eine wirkliche Bereicherung der Weihnachtslieder
Kultur. Mal nicht Jingle Bells oder White Christmas, wie üblich,
sondern ausgesuchte, selten gehörte, aber deshalb nicht weniger schöne und interessante
Lieder und Chorwerke von bekannten Komponisten, wie Benjamin Britten
(1913-1976), Gustav Holst (1874-1934), Ralph Vaughan Williams (1872-1958) und
weniger bekannten wie Samuel Coleridge-Taylor (1875-191) oder auch Henry
Balfour Gardiner (1877-1950).
Freut
euch und jauchzet dem Herrn
Der Figuralchor mit gut 60 Sängerinnen und Sängern, die Frankfurter Kammerphilharmonie, unter der Leitung von Paul Leonard Schäffer, mit insgesamt 21 Instrumentalisten, vorwiegend Streichern, begrüßten das reichlich erschienene Publikum mit einer traditionellen Weihnachtshymne Gaudete, Freut euch, Christus ist geboren, im gregorianischen Stil, unisono unterlegt mit Orgel und Streicherteppich. Flott und fröhlich wechselte man zu Deck the Halls with boughs of holly (Schmückt den Saal mit Stechpalmenzweigen). Unterstützt von Triangel, Becken und Rasseln ließ dieser Song eines Unbekannten innerlich mitsingen. Dann von Samuel Coleridge-Taylor das Jubilate Deo, Jauchzet dem Herrn alle Welt, ein Choral in D-Dur op.18 (1899) nach einem katholischen liturgischen Text. A capella und nur mit dezenter Orgeluntermalung. Eingeleitet von einer Fanfare am Klavier (doppelt besetzt) und Tremoli der Streicher singen zunächst die Soprane As I sat on a sunny Bank (als ich auf einer sonnigen Bank saß), gefolgt von den Tenören und Baritonen. Sehr lebendig mit wirklich guten Stimmen aus dem Chor. Mit Away in a Manger (Im Stall in der Krippe) ein wunderschönes Wiegenlied, a capella durchweg im piano und voller Hingabe gesungen, wurde der Einleitungsteil des Konzerts beendet.
Figuralchor Frankfurt (Foto: Homepage, LIVENESS) |
Ein
bisschen Ritterspiel und Antonin Dvořák
Die
Kammerphilharmonie spielte von Edvard Elgar (1857-1934) eines seiner
erfolgreichsten Stücke, die Serenade für Streicher e-Moll op 20 (1892).
Elgars dreisätziges Werk ist stark beeinflusst von mittelalterlichen
ritterlichen Tugenden (er liebte Rittergeschichten), wie auch von Antonin Dvořáks Serenade op. 22, der er einiges abgelauscht hat.
Schon als 20-jähriger schuf Elgar das Gerüst dieser Serenade, als er noch unter
Dvořáks Dirigat seine Geige spielte, und nannte sein dreiteiliges
Werk Song Song, Elegie und Finale. Erst später wechselte er zu Allegro
piacevole, Larghetto und Allegretto.
Eine expressive, sehr phrasierungsreiche Interpretation der 16 Streicher unter einem gestenreichen, aufmunternden Dirigat von Paul Leonard Schäffer.
Kammerphilharmonie Frankfurt (Foto: Homepage) |
Eine
amerikanische Ballade findet ins English Hymnal
Mit Ralph
Vaughan Williams Oh Little Town of Bethlehem (Oh kleine Stadt Bethlehem)
folgte eines der beliebtesten Weihnachtslieder des englischsprachigen Raumes. Elvis
Presley, Bob Dylan oder auch Ella Fitzgerald haben diesen Song für sich
arrangiert. So auch Vaughan Williams. Er unterlegte diese ursprünglich
amerikanische Ballade mit einer englischen anglikanischen Melodie, die man nach
ihrem Herkunftsort Forest green bezeichnet. Dieser Chorsatz wurde
erstmals 1906 im English Hymnal (englisches Gesangbuch) publiziert. Zu hören war
ein herrliches homophon gestaltetes Chorwerk.
Weihnachts-Potpourri
Gustav Holsts
Christmas Day dagegen ist eine Choral Fantasie mit verschiedenen alten
Weihnachtsliedern. Ein Potpourri durch das Weihnachtsgeschehen. Hier ist alles
vertreten, der Figuralschor, das Streicherensemble mit vielfältiger Perkussion,
das vierhändige Klavier und die Orgel. Herrliche Wechselgesänge, solistische
Einlagen, häufigen Tonart- und Stimmungswechseln. Vor allem das Finale, Good
Christian men, rejoice (gute Christenmenschen, freuet euch) ein piú Lento
im dreifach piano für Sopran und Altstimmen, ein Gedicht aus Gesang, Orgel,
Klavier und Streicher.
Klassiker der Chortradition
Mit Evening Hymn von Henry Balfour Gardiner endet der zweite Teil des Abends. Gardiner komponierte die Hymne nach dem lateinische Komplet Te lucis ante terminum (Bevor des Tages Licht vergeht) im Jahre 1908. Es gilt als sein bekanntestes Werk und zählt zu den Klassikern der englischen Chortradition. Vierstimmig mit registerreicher Orgelunterlegung zählt diese Hymne zu den edlen ihres Genres. Lange Phrasen, häufige dynamische Wechsel und Harmonien Vielfalt machen dieses Werk zu einem Hörgenuss. Großes Lob an dieser Stelle an den Figuralchor, den Dirigenten Paul Leonard Schäffer und den Organisten Martin Lücker.
Peter Gijsbertsen (Foto: Maurice Lammerts van Bueren) |
Kantate oder Oratorium
Höhepunkt
der Englischen Christmas war unbestritten Benjamin Brittens Saint Nicolas,
eine Kantate für gemischten Chor, Tenor Solo und Kinderchor, Klavier, Streicher,
Orgel und Schlagzeug. Erzählt wird die Geschichte des heiligen Nikolaus von
Myrna. Komponiert hat Britten sie im Jahre 1948 für eine schulische
Festveranstaltung. Die Uraufführung fand im Juni 1948 im Rahmen des von ihm mitbegründeten
Aldebourgh-Festivals statt.
Ein
Buffo-Tenor der Extraklasse
Eigentlich hat das Werk eher Züge eines Oratoriums in dem sich rezitativische und ariose Teile abwechseln. Auch die Dauer von gut einer Stunde weist darauf hin. In neun Episoden wird das Leben und Sterben des Bischofs, von der Geburt bis zum Tod, beschrieben. Im Mittelpunkt steht der Erzähler und Protagonist in der Gestalt des Tenors, hier gesungen von dem ausgezeichneten Peter Gijsbertsen, ein Buffo Tenor der Extraklasse, ein Tamino auf der Bühne, möchte man meinen. Der Kinderchor wurde leider ersetzt von einem kleinen zarten, stimmschwachen Jungen aus der Frankfurter Domsingschule. Warum nicht ein kleiner Jungenchor für das: „Lobet Gott den Herrn“ in der zweiten Episode? Ein hymnischer Kinderruf wäre perfekt gewesen.
Zwischen
Arien, Rezitativen und barocken Stilmitteln
Mystisch die
Introduktion Chores, wie auch die Einführung von Peter
Gijsbertsen: „Seht, über lange Zeit von sechzehnhundert Jahren komm ich und
steh in Andacht mit euch“.
Ein Tenor zum
Hinschmelzen mit klaren Höhen, warmem Schmelz im Mittelbereich und ausgesprochen
guter sprachlicher Artikulation. Wie gesagt, in der zweiten Episode (Nikolaus´ Geburt) singen lediglich Sopran und Altstimmen, und der Junge wiederholt
viermal: „God be glorified“. Erst mit dem Einsatz des Tenors wird der Lobgesang
überhaupt hörbar.
Die dritte
Episode gehört ausschließlich dem Tenor-Solo, der Gott sein Leben weiht. Ariose
Stellen wechseln hier mit Rezitativen. Ein absoluter Hinhörer.
Die Reise nach Palästina ist Bestandteil der vierten Episode. Hier dominiert der Männerchor. Ein ständiges auf und Ab symbolisiert die Wellen des Meeres, die Wetter, Sturm, Blitz und Donner. Das abschließende Tenor-Solo: „Oh Gott, wir sind schwach, und sündig voller Fehl“ verdeutlicht noch einmal die Gottesfürchtigkeit des Protagonisten in wunderbar ariosen melodischen Linien. Für die Rolle des Bischofs von Myrna wählt der Komponist eine vierstimmige Fuge für die Gemeinde und lässt mit einem hymnischen Choral das feierliche Ereignis ausklingen.
vorn v. l. Alexandra Cygan, 1. Violine, Hagit Halaf (Konzertmeisterin), Domsängerknabe NN, Paul Leonard Schäffer, Peter Gijsbertsen (Foto: H.boscaiolo) |
Drei Kinder
im Feuerofen
Nikolaus
im Gefängnis gehört
allein dem Tenor-Solisten, alias Nikolaus, einer der beeindruckendsten Episoden
dieses Oratoriums. Nikolaus erweckt die „drei gepökelten Knaben“ wieder zum Leben
(erinnert sei hier an das Buch Daniel, Kapitel drei, der Wurf der drei Männer
in den Feuerofen). Sehr stimmungsvoll mit Sopran und Alt Solopartien und einem
abschließenden Halleluja. Gedacht eigentlich für die drei geretteten Knaben, Johann,
Tim und Mark, hier aber reduziert auf den Knaben der Frankfurter Domsingschule.
Leider unhörbar, aber glücklicherweise von Chor und Tenor ergänzt. Mit einem
fröhlichen Zwischenspiel des Ensembles endet diese Episode und wird durch seine
Wunderwerke fortgesetzt. Hier werden wechselweise seine Taten besungen, mal von
einzelnen Chorstimmen aus dem Bariton, Alt oder Sopran, mal vom gesamten Chor. So
konnte sich der Figuralchor beweisen und das tat er in bester Manier.
Fasset
neuen Mut
Die neunte und letzte Episode handelt vom Tod des Nikolaus. Jetzt brillieren noch einmal Chor und Tenor-Solist Peter Gijsbertsen. In einem hymnischen Gemeindegesang, dem 100. Psalm „Herr, unerforschlich ist der Weg den deine Wunder gehen“, endet das unglaublich spannungsgeladene Werk, begleitet von Orgel, Klavier, Schlagzeug und Streicher. Ein gewaltiges Finale mit größter Zuversicht: „Ihr Heiligen, fasset neuen Mut, der Sturm, den ihr fürchtet ist voller Gnade und wird Segen über euch bringen.“ Wahrlich ein Segen für die Zukunft.
v. l.: Alexandra Cygan, 1. Violine, Hagit Halaf (Konzertmeisterin), Domsängerknabe NN, Paul Leonard Schäffer, Martin Lücker, Peter Gijsbertsen (Foto: H.boscaiolo) |
Inspirierend,
aufmunternd, einfühlsam
Großer
Beifall für einen durchaus gelungenen Weihnachtsabend im englischen Stil mit
einem brillant aufgelegten Figuralchor, einer Kammerphilharmonie Frankfurt,
klein aber fein, einem außergewöhnlichen Tenor, Peter Gijsbertsen, für
den es sich allein lohnte, dieses Konzert besucht zu haben, einem Martin
Lücker an der Orgel, mit großer Registerfreude und bester Einfühlsamkeit,
sowie last but not least einem Dirigenten und musikalischen Leiter, Paul Leonard
Schäffer, der inspirierend, aufmunternd und mit höchster Aufmerksamkeit und
guter Voraussicht das riesige Aufgebot auf der Bühne organisierte und durch die
komplexe Welt der unterschiedlichsten Weihnachtschorlieder führte.
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