Academy of St Martin in the Fields (Leitung: Adam Fischer) mit Beatrice Rana (Klavier), Alte Oper Frankfurt, 15.01.2024 (eine Veranstaltung von PRO ARTE)
Beatrice Rana (Foto: PRO ARTE-Programm) |
Englischer
Humor
Volles Haus
und große Erwartungshaltung im großen Saal der Alten Oper Frankfurt. Locker,
wie immer erscheinen die britischen Instrumentalisten auf der Bühne. Der Saal
applaudiert und wartet dann stumm auf den Dirigenten. Der lässt eine Weile auf
sich warten und erscheint dann im Laufschritt auf der Bühne. Allerdings muss
die Konzert-Ouvertüre zu Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ (1826) von Felix
Mendelssohn Bartholdy noch auf sich warten, denn ein Handy schrillt in den
Raum. Adam Fischer dreht sich zum Publikum, lächelt und grüßt freundlich
den vermeintlichen Missetäter. Alles lacht. Es dauert, bis der Klingelton beendet
ist. In der Zwischenzeit kommuniziert er mit dem Saal. Englischer Humor pur.
Flirrende
Traumwelten
Dann die Eröffnung der Ouvertüre mit den magischen vier Bläserakkorden und dem folgenden Elfenreigen. Wir sind in die flirrende Traumwelt des Elfenreiches versetzt. Von burlesker Derbheit, höfischem Festtagsglanz bis zur Liebesleidenschaft, alles drin. Ein Einstieg nach Maß in einen denkwürdigen Abend und einer außergewöhnlichen Pianistin der noch jungen Generation.
Beatrice Rana (Foto: Simon Fowler) |
„Das
Concert ist unvergleichlich“
Es ist die
erst 30-jährige Italienerin Beatrice Rana, die sich gleich zwei Klavierkonzerte
der bereits reiferen Komponisten, Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) und Felix
Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), vorgenommen hatte. Zunächst das 20. von Mozart,
in d-Moll KV 466 (1785). Bekanntlich schwärmte bereits Josef Haydn von dieser
Komposition wie auch von der Person Mozarts, der dieses Werk höchstpersönlich
am 11. Feb. 1785 im Wiener Casino „Zur Mehlgrube“ vortrug: „Das Concert ist
unvergleichlich“ schrieb sein Vater Leopold nach Salzburg, und ergänzte, dass
Haydn vom „größten Komponisten“ sprach, den „ich von Person und Namen nach
kenne“.
Unprätentiös
und sachlich
Beatrice Rana, in kräftig grüner Robe, setzt bekanntlich erst relativ spät im Laufe der Exposition mit einem eigenen Thema ein. Ihr Spiel ist unprätentiös, sehr sachlich und zunächst von geringem Esprit begleitet. Ihre eigenwillige Kadenz im Kopfsatz erscheint von ihr persönlich zu sein, denn Mozart hat dazu keine Vorlage gegeben. In der Regel spielt man die von Beethoven. Aber Rana spielt hier wohl ein eigenes Ideenkonstrukt, und das sehr durchdacht und mit großer Virtuosität. Der Sonatenhauptsatz klingt aus mit leisen pochenden d-Moll Akkorden und geht nahtlos in die Romanze des zweiten Teils über. Sie ist in B-Dur geschrieben in die Form eines Couplets gefasst. Ein ausgedehntes Andante, in dem vor allem der Dirigent die dialogisierenden Parts mit Blick und Gestik zusammenhält, denn Rana neigt ein wenig zur Eile. Hier zeigt sich bereits die Klasse Adam Fischers, der vorausschauend mit genialischem Überblick, die Musik gestaltet.
Beatrice Rana (concerti.de) |
Ein
fulminantes Selbstportrait
Das Allegro
assai des Finalsatzes, eine Verbindung von Rondo und Sonatensatz, gehört zum Besten, was Mozart je komponiert hat. Das scheint auch das Orchester
so zu sehen, denn es spielt hier mit flottem Tempo und leichtgängig ein höchst
anspruchsvolles Notenwerk mit größter Präzision und tiefer Musikalität zugleich.
Gleichberechtigt mit dem Klavier sind die Dialoge von außergewöhnlicher
Schönheit und Anmut. Ranas Kadenz ist ein fulminantes, emotionales
Selbstportrait. Hier zeigt sie nicht allein ihre technische Brillanz, sondern
auch große Musikalität.
Ein Hit
des 19. Jahrhunderts
Nach der ausgedehnten Pause steht Mendelssohns erstes Klavierkonzert in g-Moll auf dem Programm. Wieder einmal läuft Fischer wie ein Langstreckenläufer auf die Bühne und schafft so Entspanntheit und Aufmerksamkeit zugleich. Glücklicherweise fehlt jetzt das störende Handygeschrille, aber das Geschwätz einiger Zuhörer lässt ihn wieder einmal pausieren, bevor es gleich in die Vollen geht. Eng verzahnt sind auch hier Orchester und Klavierpart. Gleich geht es los mit einem energiegeladenen, dramatischen Auftritt der Solistin nach einer knappen aber eindrucksvollen Orchesterintroduktion. Mendelssohn hat hier quasi einen Hit des 19. Jahrhunderts geschaffen, voller Energie, Selbstbewusstsein und vor allem Fantasie. Es gab kaum ein Konzert bis zur unseligen Nazizeit, das dieses Werk nicht auf seinem Programm hatte.
Academy of St. Martin in the Fields (Foto: PRO ARTE-Programm) |
Poetisches
Erlebnis mit furiosem Ende
Tatsächlich
strotzt es nur so von Einfällen und virtuosen Ideen. Hier fühlte sich Beatrice Rana
sichtlich wohler als bei Mozart. Auch ihre einfühlsame Interpretation des E-Dur
Andante des zweiten Teils im Stile eines Nocturnes gehörte dazu.
Wunderbare Dialoge mit den Blech- und Holzbläsern machten diesen langsamen Teil
zu einem poetischen Erlebnis. Das abschließende Presto geriet unter ihren
Händen zu einem perlenden Prestissimo. Ohne Frage, ein furioses Ende mit
brillant gebrochenen Akkordläufen und schwierigsten beidhändigen Martellato-Oktav-Passagen.
Ausufernder Beifall ließ die Apulierin noch zu einem herrlichen Chopinschen Nocturne bewegen. Dann war sie auch schon im Off der Bühne verschwunden.
Mozart
oder/und Mendelssohn Bartholdy?
Die Jupiter
Sinfonie, die letzte aus Mozarts Händen, sollte den Abschluss des
denkwürdigen Abends bilden.
Davor aber
die Beantwortung der Frage, warum die Gegenüberstellung von Mozart und
Mendelssohn Bartholdy? Ganz einfach. Beide galten in ihrer Zeit als
Überflieger, beide waren schon als Kind weltberühmt und beide schafften in
ihrer recht kurzen Lebenszeit gut 600 Werke bei Mozart und ca. 750 bei
Mendelssohn. Aber. Die Zeitgenossen wie Robert Schumann, Johann Wolfgang von
Goethe, Franz Liszt oder auch Carl Friedrich Zelter waren sich einig darin,
dass Mendelssohn Bartholdy wohl der besser von beiden gewesen sei.
Und das wegen seiner unglaublichen kompositorischen Vielseitigkeit, seiner famosen klavieristischen Technik sowie seines überdurchschnittlichen Intellekts. Wie auch immer. Ein Vergleich hinkt in der Regel. Denn beide waren und sind Ausnahmeerscheinung in der Welt der Musik.
Adam Fischer (Foto: PRO ARTE-Programm) |
Göttlich
vollkommen
Kommen wir
zur sogenannten Jupiter Sinfonie. So genannt, weil sie erst viele Jahre
später diesen Zusatz erhielt. Nach dem Musikwissenschaftler Kurt Pahlen soll
der Pianist Johann Baptist Cramer (1771-1851) sie erstmals in den 20er Jahren
des 19. Jahrhunderts so genannt haben, um ihre „göttliche Vollkommenheit“ zu dokumentieren.
Tatsächlich ist sie unter KV 551 archiviert und firmierte lange unter dem
Beinamen „Die Sinfonie mit der Schlussfuge“. Allerdings hat sich der Beiname
Jupiter seit 1820 allgemein durchgesetzt.
Viersätzig,
gehört sie zum ausgereiftesten und vorausschauensten Werk aus der Hand des
Meisters. Man vergleicht sie mitunter mit der Neunten von Beethoven, als
Zusammenfassung dessen, was die Sinfonik in dieser Zeit überhaupt sagen konnte,
quasi ein Schlusswort für diese Gattung.
Monumentalität
und Anmut in Einem
Sie ist tatsächlich eine schwierige Sinfonie mit wenig eingängigen Melodien, vielen ausschweifenden Modulationen und langatmigen Passsagen, vor allem im Andante cantabile des zweiten Satzes. Auch das Menuett des dritten Satzes, eher ein majestätisch daherkommendes Scherzo, fällt eher durch chromatische und fallende Melodie-Linien auf, denn als tänzerisches Zwischenspiel. Schließlich das dominierende Fugato des Schlusssatzes, ein Molto Allegro, nach dem diese Sinfonie lange ihren Namen erhielt. Hier wiederum glänzte alles vor Monumentalität und Anmut gleichermaßen.
Academy of St. Martin in the Fields (Foto: ASMF-Website) |
Wie die
Unendlichkeit des Weltraums
An dieser Stelle
muss Adam Fischer hervorgehoben werden. Er machte aus dem fast 40-minütigen
Werk durch seine subtile bis an die Performance grenzende Leitung seines Klangkörpers
ein spannendes, kurzweiliges und fantastisches Spiel mit Raum und Zeit. Lassen
wir noch einmal Kurt Pahlen sprechen: „Hier kann uns Mozart selbst als Gott
erscheinen, der nach freiem Willen Sternenbilder in der Unendlichkeit des Weltraums
schafft, zusammenfügt und lenkt.“ No comment.
Tosender
Beifall zu Recht und eine Zugabe zum Abschied. Das Air von Johann
Sebastian Bach. Immer wieder ein Erlebnis der besonderen Art, die ASMF
mit seinen großartigen Instrumentalisten, wie auch Dirigenten. Vielen Dank Adam
Fischer, vielen Dank Beatrice Rana.
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