Magische Stimmen der mongolischen Steppe mit dem Hatan Ensemble und dem Tengerton Quartett, Alte Oper Frankfurt, 26.01.2024
Hatan Ensemble (Foto: André Frese) |
Exotische
Klangfarben
Es sind
keine Unbekannten auf dem internationalen Musikmarkt, die beiden Ensembles
Tengerton und Hatan. So treten sie seit Jahren mit großem Erfolg auf kleineren
und größeren Festivals auf, um ihre Musik auch im Westen bekannt zu machen. In
der Alten Oper Frankfurt allerdings ist es ihr Debüt. Und das, das sei
vorweggenommen, ist ihnen vollauf gelungen.
Was aber ist
das Besondere an ihrer Musik. Tatsächlich ist die Form ihrer Gesänge
durchaus mit der Liedform westlicher Gattungen vergleichbar. Was sie
fundamental unterscheidet aber ist ihre Instrumentation, ihre Gesangstechnik
sowie ihre Klangfarbigkeit.
Mix aus
Geschichte und neuer Souveränität
Aber kommen wir zum Konzertgeschehen. Zunächst trat das Frauenquartett Hatan auf die Bühne. In bunter Tracht mit leuchtenden Farben saßen sie an ihren Yalgas, das sind Wölbbrettzithern von einem harfenähnlichen Klang. Mit Havar, einem Frühlingslied von lieblichem Charakter, stimmten die vier Frauen das zahlreich erschienene Publikum im Mozartsaal der Alten Oper Frankfurt in einen wirklich exotischen Klanggenuss ein. Es folgten noch drei Lieder wie AYZ, ein dreiteiliges flottes Scherzo, Wüste Gobi und Hatan. Letztgenanntes ist geschichtsträchtig konnotiert und beschreibt in einer Art epischer Erzählung über den Buddhismus, Dschingis Khan und die Reiterkrieger der Mongolen mit viel Perkussion, aber vor allem durch Ober- und Untertongesang zwischen Pfeifen, Schnalzen und Brummen, die Wiedererlangung der Souveränität der Mongolei nach 1990. Beeindruckend allemal.
Hatan Ensemble (Foto: André Frese) |
Voller
Eindringlichkeit und Kraft
Dann die
Männer. Ein Quartett-Tengerton von großer Ausstrahlung. Allein die Instrumentation
ist von besonderer Art. Vier unterschiedlich große Pferdekopfgeigen, auch Morin
Khuur genannt, plus einer Laute (Tovshuur), sowie einer archaisch anmutenden Natur-Trompete
mit dem Klang eines Englisch Horns. Ebenfalls in traditioneller Tracht war ihr
Spiel und Gesang gleich zu Beginn mit Ser Ser von außerordentlicher
Eindringlichkeit und Kraft. Zu bemerken sei an dieser Stelle, dass die
Pferdekopffideln zweisaitig bespannt, dagegen die vom Elder Statesman des
Quartetts, Uunganbaata Tsend-Ochir, entwickelte Bassgeige dreisaitig
bespannt waren. Ihr Kharkhiraa (ein sehr tiefer wie auch sehr hoher Khöömii
bzw. Kehlkopfgesang) ging durch Mark und Bein. Ebenso ihr Lied über ein
mongolisches Nomadenfest, Yamaanii Boodog, irgendwie einem Boléro
ähnlich, oder Altai Tuuls, ein gesungenes Epos mit Tanzeinlage (Biyelgee),
dazu Mundorgel, Flöte, vielen Rhythmuswechseln und einer Tänzerin von großer
Anmut. Nicht allein eine Augenweide, sondern auch ein gesangliches Highlight.
Tengerton-Quartett (Foto: OtGO 2023) |
Bestes Khöömii
Es pfiff und brummte in höchsten Höhen und tiefsten Tiefen, dazu ein durchgehendes Ostinato in minimalistischer Manier. Sogar die Akteure auf der Bühne hatten ihren Spaß daran. Höhepunkt allerdings Jamsaa Oryo, ein „Blues“ für Laute und Gesang. Ein Vierviertel-Takt Song von großer Strahlkraft und einem Solisten, Yesun Erdene-Bat, mit einem sonoren Bariton und gleichzeitig mit allen Khöömii-Techniken - von tief, nasal, pfeifend, gepresst, Brust-, Nasen-, Gaumen-Einsatz - bestens vertraut.
Zwischen
Trance und Rock-Pop Stimmung
Alle acht
Ensembleteilnehmer gestalteten den Abschluss des Abends mit Busguin Zaya,
eine witzige Erzählung über eine Frau, die in eine weit entfernte Region eingeheiratet
hat. Hier kommen alle genannten Instrumente zur Geltung. Auch ein Duett
zwischen Mann und Frau gehört dazu. Großartig dann Hunnu. Eine
Hommage an die Hunnen, kriegerisch einerseits, aber durchbrochen von einem
Schamanentanz, beschwörend und verzaubernd. Lange Terzreihen mit
Untertongesängen versetzten hier auch den letzten Zuhörer in eine Art
Trance-Zustand. Jalam Khaan sollte die verschiedenen
Pferdegangarten symbolisieren. Hier herrschte eine Rock-Pop Stimmung vom gemütlichen Trab bis zum schnellstem Galopp.
Tsagaan Suvraga, ein Lied über die Steilhänge der Wüste Gobi entpuppte sich als Gondellied, ruhig und fließend. Die archaische Trompete und zwei Wölbbrettzithern bestimmten hier den musikalischen Fortgang.
Tengerton-Quartett (Foto: OtGO 2023) |
Zwischen
Archaik und Moderne
Das Publikum goutierte die 90 Minuten mit frenetischem Beifall. Tatsächlich konnten beide Ensembles vor allem im Gesang und der Beherrschung der doch archaischen Instrumente voll überzeugen. Die Struktur der Lieder und Gesänge ähnelten denn doch sehr europäischer Gepflogenheiten, wie ABA-Liedform, typische Drei- und Viervierteltakt Rhythmen, wozu auch die Taktbetonungen (auf erstem wie dritten Schlag) gehörten. Auch charakterisierten die Stücke lange Bordune und ausschweifende Ostinati wie auch minimalistische Gesangslinien. Alles durchaus bekannt, zumal alle acht, bzw. mit Tänzerin alle neun Akteure seit mehr als zwanzig, einige sogar mehr als dreißig Jahre in Deutschland leben und nur zu Zwecken der Musik-Forschung in ihre Heimatländer fahren.
Tengerton und Hatan Quartette mit Tänzerin (3. v. l.) im Mozart Saal der Alten Oper Frankfurt Foto: H.boscaiolo |
Noch nie
gehört: Diese Stimmen
Dennoch, bemerkenswert die Zusammenstellung der hier eigentlich nie gespielten Instrumente wie zweisaitige Pferdefibeln und Wölbbrettzithern (mit Harfenklang), ebenso wie die speziellen dreisaitigen Lauten und die archaische Trompete (wie gesagt im Klang eines Englisch Horns), alles zusammen erst einmal absolut exotisch und von ausgesprochen farblicher Vielfalt. Aber, und das war das Besondere dieses Abends: Die Stimmen. Unglaublich, und noch nie in dieser Perfektion gehört. Nicht von ungefähr ist das Khöömii bzw. der Kehlkopfgesang im Jahre 2010 von der UNSECO zum immateriellen Welt-Kulturerbe ernannt worden.
Die sehr umtriebige Birgit Ellinghaus – sie hat auch eine überaus nette Einführung zum Konzert gegeben – hat zu Recht im Programmheft herausgestrichen, wie wichtig es für die internationale Kultur und Musik ist, die mongolischen Klangwelten zu erhalten.
Tengerton und Hatan Quartette mit Tänzerin (3. v. l.) im Mozart Saal der Alten Oper Frankfurt Foto: H.boscaiolo |
Kommunikation
und Alltag
Interessant
an dieser Stelle die Bemerkung, den Gesang und den Tanz weniger als religiöse
und mystische Praxis zu interpretieren, wie es die New-Age-Bewegung gerne möchte,
sondern eher als das zu begreifen, was sie sind, nämlich das Khöömii als
eine Art Kommunikation, als komplexe Gesangstechnik, und den Biyelgee-Tanz
als Ausdruck des Alltagslebens, wie der Hausarbeit (Hand-, Schulter- und
Rumpfbewegungen), des Brauchtums und der ethnischen Besonderheiten. Dem gibt es
nichts hinzuzufügen. Die Vorstellung im Mozart Saal zeigte eindrucksvoll, wie regionale
Folklore auch außerhalb der Örtlichkeit effektvoll und imponierend zubereitet werden kann.
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