Daniel Hope (Violine) und das Züricher Kammerorchester, Alte Oper Frankfurt, 11.02.2024 (eine Veranstaltung von PRO ARTE)
Züricher Kammerorchester (Foto: Harald Hoffmann) |
Dance – Dance
– Dance
DANCE! lautete das Motto des beschwingten Abends am Faschings-Sonntag im gut besuchten großen Saal der Alten Oper Frankfurt. DANCE nennt sich auch die neue CD, die der Geiger und musikalische Direktor des Züricher Kammerorchesters, Daniel Hope (*1973), in, wie er sagt, 20-jähriger Ideenarbeit endgültig für die Nachwelt zusammengestellt hat. Gemeinsam mit dem Züricher Kammerorchester, mit dem er seit 2016 zusammenarbeitet, führte er durch eine 700-jährige Reise der Tanz- und Volksmusiken der westlichen Welt. Achtzehn Werke unterschiedlichster Genres sollten es sein. Es war ein Kaleidoskop der verschiedenartigsten Bewegungsformen, äußerst kurzweilig, aber, leider, möchte man meinen, ohne reale Tanzeinlagen.
Daniel Hope (Foto: Harald Hoffmann) |
Die
Furien tanzen
Gleich zu Beginn der Furientanz aus Willibald Glucks (1714-1787) Oper Orfeo e Euridice (1774). Ein wilder und zugleich betörender Tanz mit Hornruf, der das Publikum so richtig in den Reigen der Tänze einführte. Nach dem Lamento di Tristan, ein eher freudiger Springtanz aus dem 14. Jahrhundert mit barocker Gitarre und Militärtrommel, von einem Unbekannten überliefert, eine kurze Ansprache Daniel Hopes.
Viel
Rhythmus
Mit kurzen,
prägnanten Erläuterungen und Anekdoten zu den einzelnen Kompositionen (Hope,
gebürtiger Südafrikaner und aufgewachsen in GB spricht ein exzellentes Deutsch) schaffte er gleich einen
engen Kontakt zum Publikum. Eine ungeheure Gabe dieses wunderbaren Violinisten,
der, das sei an dieser Stelle bemerkt, auch ein sehr kollegiales Verhältnis zum
Klangkörper pflegt. Das Züricher Kammerorchester (gegründet 1940 von dem legendären Edmond de Stoutz) besteht überwiegend aus Streicherinnen und Streichern, mit vier Bläsern (darunter zwei Hörnern, einem
Klarinettisten, einem Englisch Hornisten/Oboisten) sowie einem Perkussionisten.
In Schwarz-Rot gekleidet standen gut 30 Instrumentalisten auf der Bühne
(abgesehen von den Cellisten und dem Gitarren-Spieler versteht sich) und
bewegten sich im Rhythmus der musikalischen Ständchen. Ein zusätzlich
schwungvoller Effekt, der vielleicht (man denke an Teodor Currentzis
Aufführungen) noch intensiviert werden könnte.
Rigaudon,
Arie und Rondo
Georg Friedrich Händels (1685-1759) sogenannte Wassermusik, ein Rigaudon daraus, ein Volkstanz im Zweiertakt – für den Englischen König Georg I. im Jahre 1717 geschrieben und auf einer Bootsfahrt auf der Themse präsentiert, bereitete er dermaßen Freude, dass er dreimal wiederholt werden musste – leitete ohne Pause über zu einem Concerto grosso (vermutlich nach 1730) in Form einer Arie und einem Rondo von Evaristo Felice Dall´Abaco (1675-1743), also ein Zeitgenosse Händels aber auch Antonio Vivaldis. Und von beiden hatte dieses Stückchen denn doch etliches zu bieten. Herausragen hier die solistischen Einlagen der barocken Gitarre (?) und der Violine, in personam Daniel Hope.
Daniel Hope (Foto: Daniel Waldhecker) |
Fandango
und Sologeige
Nach einem Fandango
(1763) des Neapolitaners Nicola Conforto (1718-1793), ein erregender mit
Kastagnetten begleiteter Paar- und Liebestanz, der in damaliger Zeit wegen der körperlichen
Nähe der Tänzer zeitweise verboten wurde, folgte das bekannte B-Dur Rondo
(1775/77) von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791). Ein virtuoses Stück für
Sologeige, das Mozart damals für den berühmten italienischen Geiger Antonio
Brunetti geschrieben hatte. Hier brillierte Daniel Hope auf seiner Guarneri
des Gesù von 1742.
Deutsche und
rumänische Tänze
Nach einem Zwischenspiel mit zwei Tänzen (vier und fünf) aus Franz Schuberts (1797-1828) Fünf Deutschen Tänzen D 90 und Georges Bizets (1838-1875) Farandole aus seiner L´Arlesienne Suite Nr.2 (1872), ein marschähnlicher Reihentanz mit Militärtrommel, Horn, Klarinette und Oboe, auch „Marsch der Könige“ genannt, folgten zum Abschluss des ersten Teils des Abends Béla Bartóks (1881-1945) Sieben Rumänische Volkstänze (1915), die er in subtiler Kleinarbeit mit seinem Freund und Kollegen Zoltán Kodály (1882-1967) in Dörfern Ungarns und Rumäniens sammelte und hier in sieben Miniaturen kunstvoll verarbeitete. Ursprünglich für Klavier und Violine geschrieben, sollten sie eigentlich "nach Dorfschenke schmecken". In diesem Arrangement erinnerten sie allerdings eher an ein schickes Gourmet Restaurant.
Züricher Kammerorchester mit Daniel Hope (Foto: H.boscaiolo) |
Klezmer und
Ragtime
Heftig ging
es gleich zu Beginn des Zweien Teils zu. Mit Odessa Bulgar, einem
Bessarabischen, heute Moldawischen Klezmer wurde es jazzig und ausgelassen.
Über einem rasanten bordunähnlichen Teppich konnten die einzelnen Instrumente
witzige Soli improvisieren. Sehr lebendig und erheiternd. Dann folgte Ticklin´
Toes (1933) von der afro-amerikanischen Komponistin Florence Price
(1887-1953). Ein satter Ragtime mit Violin-Solo und fetziger synkopischer
Rhythmik, unterfüttert von Becken und Trommel.
Totentanz
und Can Can
Natürlich durften Jacques Offenbachs (1819-1880) Can Can aus Orpheus aus der Unterwelt (1858) und Camille Saint Saëns´ (1835-1921) Danse macabre (1874), ein Totentanz zwischen 0-Uhr (es beginnt mit 12 Glocken-Schlägen) und erstem Hahnenschrei, nicht fehlen. Zwei Ohrwürmer von großer Emotionalität und Expressivität. Hier glänzte vor allem das Kammerorchester.
Züricher Kammerorchester mit Daniel Hope (Foto: H.boscaiolo) |
Spitzentanz
und geballte Wucht
Innig dann
Peter Tschaikowskys (1840-1893) Pas de deux aus seiner Schwanensee Suite
(1876), ein Dialog zwischen Violine (Daniel Hope) und Violoncello (Nicola Mosca) von tiefster Romantik und
wunderbarer Klanglichkeit, um dann in Sergei Prokofjews (1891-1953) Tanz der
Ritter aus seiner Ballettsuite Romeo und Julia (1940) überzuleiten.
Hier vermisste man allerdings das große Orchester und die perkussiven Elemente
der Gegensätze. Sehr gut gespielt, aber es fehlt einfach die Wucht der Überzeugung.
Tarantella,
Tango und Bauerntanz
Bemerkenswert
die Erinnerung an den großartigen Erwin Schulhoff (1894-1942), der, von den
Nazis ermordet, leider in Vergessenheit geraten ist. Sein Alla
Tarantella (1924) glich einem Hummelflug und sprühte vor Lebensfreude.
Bekanntlich war Schulhoff ein ausgezeichneter Tänzer und in den Tanzbars ein
gern gesehener Gast. Sollte auch in den Konzerthäusern wieder der Fall sein.
Die Schlusspunkte setzten dann Astor Piazzolla (1921-1992) mit Escuela (1979), was übersetzt der Hai bedeutet. Piazzolla beschreibt hier im Tangostil seine Erfahrung als Hochseeangler mit einem Hai. Für Quintett mit Bandoneon geschrieben, fehlte in diesem Arrangement doch ein wenig das typische Flair der Tangoszene.
Mit Wojciech Kilars (1932-2013) Orawa (1986) fand die Reise durch unterschiedlichste Länder und kontrastierende Tanzstile ihr Ende. Ein energiegeladener, von Gegensätzen durchwobener Tanz aus der polnischen Hohen Tatra. Ein pochender, extrem akzentuierter Grundrhythmus wurde vom Streichertutti mit diversen Melodien begleitet. Ein gewaltiges Schlussstretta verlangte noch einmal von den Instrumentalisten alles. Kilar soll einmal gesagt haben, dass er mit dieser Komposition zufrieden sei. Dem kann man nur zustimmen.
Züricher Kammerorchester mit Daniel Hope (Foto: H.boscaiolo) |
Walzerzugaben
Stehende Ovationen
und trotz der sehr vorgerückten Zeit noch drei Zugaben. Natürlich von Dmitri Schostakowitsch
der Walzer Nr. 2, eine Filmmusik auf der Bühne zum Mittanzen, Brahms
Walzer Nr. 5 und schließlich, eine Seltenheit und ein Kleinod dazu, ein Walzer
von Benjamin Britten. Perfekt und ein glänzender Schlusspunkt unter diesen
Tanzabend.
Dennoch soll
eine Kritik nicht ausbleiben: In der Kürze liegt oftmals die Würze. Nicht alle
Arrangements waren für dieses Kammerorchester geeignet, worunter ich unter
anderem Bartóks Rumänische Tänze oder auch Piazzollas Escualo
zählen würde. Vorschlag: Wie wäre es, die einzelnen Stücke auch mal mit Tänzern
zu bereichern? Ansonsten ein kurzweiliger Faschingssonntag- Abend mit einem ausgezeichneten
Züricher Kammerorchester und einem wirklich liebenswürdigen und herrlich
spielenden Daniel Hope.
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