Calmus Ensemble, Bach for five, Alte Oper Frankfurt, 02.05.2024 (eine Veranstaltung der Frankfurter Bachkonzerte e.V.)
Calmus Ensemble, v. l.: Jonathan Saretz, Elisabeth Mücksch, Friedrich Bracks, Maria Kalmbach, Michael B. Gernert Foto: Alte Oper Frankfurt |
Von den Comedian
Harmonists zu Calmus
Ein Gesangs Quintett
mit vielen Facetten, hat es doch seit seiner Gründung im Jahre 1999 viele Metamorphosen
durchlebt. Aus dem Thomaner Chor Leipzig bereits 1996 entwachsen, wollten die Gründer
im Stil der Comedian Harmonists Karriere machen. Merkten alsbald aber,
dass ihre Stärken bei Johann Sebastian Bach liegen. Sie gaben sich den Namen
Calmus, das sind die initialen ihrer Gründer Arnold, Ludwig, Martin, Ulrich,
Sebastian mit einem C davor, ergänzten ihr Ensemble fast 20 Jahre durch eine
Frauenstimme, um sich dann im Jahre 2022 endgültig zu häuten.
Repertoireerweiterung
Seit dieser Zeit ist das Ensemble besetzt mit Elisabeth Mücksch (Sopran), Maria Kalmbach (Alt), Friedrich Bracks (Tenor) Jonathan Saretz (Bariton) sowie Michael B. Gernert (Bass). Lediglich Friedrich Bracks (*1983), seit 2020 Mitglied, und Maria Kalmbach (*1989), seit 2021 Mitglied, haben die Vorgängerformation überstanden. In dieser Formation mit zwei Frauen und drei Männern, haben sie nicht nur das Repertoire ihres geistigen Urvaters Johan Sebastian Bach (1685-1750) enorm erweitern können, sondern sind auch in andere Epochen und Stile ihrer Gattung vorgedrungen. Vom Barock über die Romantik bis zur Neuen Musik, dem Folk, Pop und Jazz gehört jetzt alles zu ihrem Programm.
Calmus Ensemble, v. l.: Michael B. Gernert, Maria Kalmbach, Jonathan Saretz, Elisabeth Mücksch, Friedrich Bracks, Foto: Anne Hornemann |
Bach for five
Den
Konzertabend im Mozart der Alten Oper Frankfurt gestalteten sie allerdings ausschließlich
mit Werken von Johann Sebastian Bach. Bach for Five lautete das Motto
des Abends. Ein Programm, das allerdings bereits seit drei Jahren besteht, aber
erstmals in Deutschland komplett zur Aufführung kommt. Insofern war das
gestrige Konzert zugleich auch eine Deutschlandpremiere.
Trotz
Arrangements: 100-Prozent Bach
Zwölf Werke
waren es, und irgendwie durchweg bearbeitet oder collagiert, denn bekanntlich
hat Bach keine Werke für Gesangsquintette geschrieben. Sollte das Motto nicht
besser Bach by Five lauten? (O-Ton: Friedrich Bracks). Insofern wurde das
Publikum vorwiegend mit Bearbeitungen konfrontiert. Aber, wie versicherte doch
Friedrich Bracks in einer kurzen Begrüßungsansprache: „Wir singen zu
100-Prozent Bach.“ Und das taten sie
denn auch. So bestanden die beiden Collagen Kyrie – Erbarm dich, und Wer
nur den lieben Gott lässt walten, zum Beispiel jeweils aus fünf
zusammengestellten Bachkompositionen, darunter reine instrumentale Choral- oder
auch Orgelvorspiele.
v. l. Friedrich Bracks, Maria Kalmbach, Elisabeth Mücksch, Michael B. Gernert, Jonathan Saretz (Foto: H.boscaiolo) |
Jesu
meine Freude –
Freude fürs Publikum
Zum qualitativen
Höhepunkt gehörte zweifellos die Motette Jesu meine Freude (BWV 227),
elfteilig mit sechs Chorälen, zwei Chören, zwei Terzetten und einer Fuge in der
Mitte. Sehr kurzweilig, spannungsgeladen und auch mit Sinn für Performance. So
traten die Solisten des Cantus firmus hervor, wanderten mitunter über
die Bühne, oder die Gruppe wechselte, beispielsweise im Terzett, die
Positionen. Herausragend hier vor allem die Sopranistin, Elisabeth Mücksch,
mit ihrer glockenhaft klaren, warm temperierten Stimme, und der Bass, Michael
B. Gernert, nie aufdringlich, dafür aber klar und ausgewogen in der Tiefe.
Er musste des Öfteren den Part des Basso Continuo übernehmen. Ein Violoncello
oder ein Fagott hätten es nicht besser gekonnt. Jesu meine Freude war
ein Hörgenuss und auch eine Freude für das Publikum.
Viel
Lebensfreude
Bemerkenswert auch das Miserere mit Bachs Präludium und Fuge Nr. 22 aus dem Wohltemperierten Klavier Nr. 1 (BWV 867), das textlich und gesanglich arrangiert von Heribert Breuer (*1945) zu einem fünfstimmigen Erlebnis wurde. Erfrischend auch die vier Lieder aus Schemellis-Gesangbuch (Georg Christian Schemelli, 1680-1762, war ein Freund Bachs, hatte ein Gesangsbuch von 69 Chorälen veröffentlicht mit „Melodien“ von J. S. Bach): Die güldne Sonne, Voll Freude und Wonne, Liebster Herr Jesu, ich halte treulich still sowie Dir, dir Jehova, will ich singen. Sie dokumentierten die Lebensfreude dieser Zeit, an der auch Bach durchaus teilhatte. Auch diese Lieder wurden selbstverständlich für Quintett bearbeitet und das vom Gründungsmitglied des Ensembles Ludwig Böhme (*1979), der übrigens auch Teil der Namensgebung von Calmus ist.
v. l.: Maria Kalmbach, Elisabeth Mücksch, Friedrich Bracks, Michael B. Gernert, Jonathan Saretz (Foto: H.boscaiolo) |
Außergewöhnliche
Stimmen
Großartig
die Interpretation von Alleluja, eine Fuge aus: Lobet den Herrn, alle
Heiden (BWV 230) sowie die Schlussfuge des Abends: Alles, was Odem hat,
lobet den Herrn, aus: Singet dem Herrn ein neues Lied (BWV 225).
Echte Bravourstücke für außergewöhnlich gute Sänger. Und das waren sie alle
fünf. Ihre Stimmen habe großen Umfang, harmonieren im Timbre bestens
miteinander, keiner ragt in besonderer Weise heraus. Ihre Dynamik wie ihre
Interpretationsauffassung sind hervorragend und ihre Präsenz ist zudem äußerst sympathisch.
Bach – (k)eine
Herausforderung
Gerade die
kontrapunktisch höchst komplexen Fugen beherrschten sie mit Leichtigkeit und
dennoch mit ausgesuchter Intensität. Zwei Stunden Bach, eine Herausforderung.
Ihre beiden Zugaben entfernten sich denn doch vom Barock, aber mit Max Regers
(1873-1916) Nachtlied op.138 blieben sie dennoch in der Gattung Choral
zumindest. Lediglich ein lateinamerikanisches Swing-Ständchen Tico-Tico no Fubá als Rausschmeißer führte noch einmal
auf Abwege. Ein Ensemble mit Ausnahmestimmen und einem wirklichen
Ausnahmeprogramm, ein Unikat auf der Gesangsbühne.
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