Mittwoch, 15. Mai 2024

L´Arpeggiata, Alte-Musik-Ensemble, Leitung Christina Pluhar, Alte Oper Frankfurt, 14.05.2024 (eine Veranstaltung der Frankfurter Bachkonzerte e.V.)

L´Arpeggiata (Foto: Michael Uneffer)

Alla Napolitana

Alla Napolitana lautete das Motto dieses Konzerts mit dem Ensemble L´Arpeggiata, das mit sechs Sängerinnen und Sängern, acht Musikerinnen und Musikern an barocken Instrumenten, einer Tänzerin, und natürlich mit der Gründerin, Leiterin und Theorbe Spielerin, Christina Pluhar, die Bühne des gut besetzten großen Saals der Alten Oper Frankfurt bevölkerte. Eine buntgemischte, farbenfrohe, lockere und heitere Musikanten-Gesellschaft, die sofort gute Stimmung verbreitete.

 

Eine Toccata, die ihrem Namen alle Ehre macht

Bekanntlich hat sich das Ensemble auf die Musik des 17. Jahrhunderts kapriziert, allein ihr Name spricht Bände, denn er bezieht sich auf eine gleichnamige Toccata von Giovanni Girolamo-Hieronymus Kapsberger (1580-1651), ein italienisch-deutscher Lautenist und Komponist der Spät-Renaissance, der durchaus Sinngeber dieser doch einmaligen Formation ist. 

Seit 2000 besteht es, hat eine Menge Preise und Auszeichnungen abgeräumt, tritt auf der ganzen Welt auf, nur in Frankfurt zum ersten Mal. Großes Lob an dieser Stelle an die Frankfurter Bachkonzerte e. V., die dieses Konzert  gemeinsam mit der Alten Oper ermöglichte.

Christina Pluhar (Foto: Michal Novak)

„Musik, in der ich mich zuhause fühle“

Was aber ist ihre Besonderheit? Die liegt wohl hauptsächlich an der Gründerin des Ensembles, Christina Pluhar (*1965), die  sich der Musik des 17. Jahrhunderts verschrieben hat, sich in die Archive und Bibliotheken begab und noch begibt, um nach den zahllosen Komponisten dieser Zeit zu forschen, ihre Musik wieder lebendig werden zu lassen und sie in die heutige Zeit zu versetzen, oder gar zu übersetzen. Denn oft sind die Quellen unvollständig, lediglich mit einem einfachen Generalbass beziffert und knapp für Stimme und einem Instrument gefasst, denn in dieser Zeit gehörte das Extemporieren (heute würde man von Improvisation sprechen) eines Sängers oder Musikers zum täglichen Handwerk.

Pluhar musste also das Improvisieren, Instrumentieren und Arrangieren zu ihrer Berufung machen. Lassen wir sie selbst sprechen: „Im Laufe der langen Karriere von L´Arpeggiata habe ich immer wieder versucht, unsere Programme so viel wie möglich zu variieren, aber auch immer wieder zu zeigen, dass meine eigentliche Liebe und Leidenschaft der italienischen Musik des 17. Jahrhunderts gilt. Das ist die Musik, in der ich mich zu Hause fühle.“ (aus dem Programm).

Christina Pluhar (Foto: Warner Classics)

Unkonventionell und Außergewöhnlich

Dazu aber braucht sie Musiker und Sänger mit außergewöhnlichen Talenten und Fähigkeiten. Denn sie müssen Spielfreude, Lust am Improvisieren, Experimentierfreude mitbringen und vor allem das Unkonventionelle und Außergewöhnliche lieben.

All diese Eigenschaften waren auf diesem Konzert hautnah zu erleben. Man müsste eigentlich alle Akteure namentlich auflisten, denn ausnahmslos gebührt ihnen das Prädikat besonders wertvoll. Achtzehn Stücke, Canzone, Tarantellas, Saltarellos, Alemanas, Pastorales, Caccias, von acht namentlich bekannten und zwei anonymen Komponisten, darunter vier instrumentale Stücke und drei Gesänge mit Tanz, boten eine Melange durch den frühen Barock bzw. die späte Renaissance.

L´Arpeggiata Ensemble (Foto: H.boscaiolo)

Liebe-Drama-Wahnsinn

Nahezu alle Stücke, kaum länger als drei bis vier Minuten, waren arrangiert oder als Accompagnato aufbereitet. Von Anfang an eine wohldurchdachte Auswahl zwischen Tutti und Soli. Mal im Duett, im Quartett oder auch rein solistisch. Jeder Sänger durfte mal ran, und alle glänzten ausnahmslos, nicht allein durch ihre Stimme, sondern auch durch ihr schauspielerisches Talent. Man musste die Texte ihrer Lieder nicht verstehen (hier geht es eh um Liebe-Drama-Wahnsinn im besten Sinne), um die Emotionen, Gefühlslagen und das Begehren nicht mitzuerleben zu dürfen.

Herauszuheben an dieser Stelle vielleicht die drei Gesangs- und Tanzpartien mit dem männlichen Altisten bzw. Counter Vincenzo Capezzuto (der Countertenor Valer Sabadus musste kranheitsbedingt absagen) und der Tänzerin Anna Dego. Beide ein kongeniales Paar, dass ständig umeinander wirbt, aber nie zusammenkommt. Absolut mitreißend. Ihr Tanz erinnerte zeitweise an den spanischen Flamenco (ohne Kastagnetten), oder einem Fandango nach italienischer Art, lebendig, werbend und voller Vitalität. Erinnern wir uns: Neapel befand sich im 17, Jahrhundert unter spanischer Herrschaft.

L´Arpeggiata, v. l. vorne stehend: Luciana Mancini, Vincenzo Capezzuto, 
Céline Scheen, Anna Dego, Hugo Oliveira,
Benedetta Mazzucato, Alessandro Giangrande 
(Foto: H.boscaiolo)

Meisterhaftes Spiel auf historischen Instrumenten

Ebenso die acht Instrumentalisten. Herausragend unter ihnen der Zink Spieler Doron Sherwin, der sein Instrument, das im Klang zwischen Trompete und Oboe liegt, virtuos beherrschte und bestens auf die Sänger eingestimmt war. Auch der Perkussionist David Mayoral gehört in diese Kategorie. Mit wenig perkussiven Gegenständen, wie Tambourin, Rassel, Trommel, überzeugte er durch unglaubliche Rhythmik und ausgefeilte Technik, vor allem am Tambourin. Das sollte genügen, ohne die Qualität der anderen zu schmälern, denn sie waren alle durchweg Meister ihrer Instrumente bzw. Meister ihrer Stimme. 

Letztgenannte sind nicht allein in diesem Ensemble zuhause, sondern stehen durchweg auf Opernbühnen, singen Oratorien, Passionen und gestalten Lieder-Abende. Alle beherrschen die barocken Koloraturen meisterhaft und glänzen durch ihr schauspielerisches Vermögen. Filmreif mitunter.

L´Arpeggiata (Foto: H.boscaiolo)

Eine angenehm führende Hand

Den Abschluss des Abends bildete La Veglia (die Mahnwache) für sechs Stimmen, von Cristoforo Caresana (1640-1709). Eine Erzählung über die Geburt Jesu und seinen schlussendlichen Verrat. Schwerpunkt in diesem sechsteiligen Drama ist das Lomber Spiel, ein mittelalterliches Kartenspiel für drei Personen, dem heutigen Skat, aber auch dem Tarock Spiel verwandt. Gesanglich ein Genuss, konnten doch die sechs Stimmkünstler noch einmal ihr ganzes Repertoire an stimmlichen Finessen auspacken. An dieser Stelle auch großes Lob an Christina Pluhar, die zeitweise dirigierte (vor allem bei den Tutti), aber überwiegend auf ihrer Theorbe akkompagnierte. Sie stand wohltuend im Hintergrund, obwohl man ihre angenehm führende Hand spürte.

v. l. stehend: Luciana Mancini, Vincenzo Capezzuto, Doron Sherwin,
Céline Scheen, Anna Dego, Hugo Oliveira,
Benedetta Mazzucato, Alessandro Giangrande
Foto: H.boscaiolo

Beschwingt, heiter, locker

Keine wirkliche Zugabe, obwohl vehement gefordert. Dafür aber eine spontane Wiederholung der vorletzten Nummer Pizzicarella mia mit Vincenzo Capezzuto und Anna Dego. Nur ausgelassener und von den übrigen Sängerinnen und Sängern: Céline Scheen (Sopran), Luciana Mancini (Mezzo), Benedetta Mazzucato (Alt) Alessandro Giangrande (Tenor) sowie Hugo Oliveira (Bassbariton) aktiv unterstützt. Ein Tanzspektakel, dem sich noch Doron Sherwin zugesellte, mit einer Tarantella, die sich gewaschen hatte.

Ein Ensemble L’Arpeggiata, das sich bestens präsentierte, und das man immer wieder erleben möchte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen