L´Arpeggiata, Alte-Musik-Ensemble, Leitung Christina Pluhar, Alte Oper Frankfurt, 14.05.2024 (eine Veranstaltung der Frankfurter Bachkonzerte e.V.)
L´Arpeggiata (Foto: Michael Uneffer) |
Alla Napolitana
Alla Napolitana lautete das Motto dieses Konzerts
mit dem Ensemble L´Arpeggiata, das
mit sechs Sängerinnen und Sängern, acht Musikerinnen und Musikern an barocken
Instrumenten, einer Tänzerin, und natürlich mit der Gründerin, Leiterin und Theorbe
Spielerin, Christina Pluhar, die Bühne des gut besetzten großen Saals der Alten
Oper Frankfurt bevölkerte. Eine buntgemischte, farbenfrohe, lockere und heitere
Musikanten-Gesellschaft, die sofort gute Stimmung verbreitete.
Eine Toccata, die ihrem Namen alle
Ehre macht
Bekanntlich hat sich das Ensemble auf die Musik des 17. Jahrhunderts kapriziert, allein ihr Name spricht Bände, denn er bezieht sich auf eine gleichnamige Toccata von Giovanni Girolamo-Hieronymus Kapsberger (1580-1651), ein italienisch-deutscher Lautenist und Komponist der Spät-Renaissance, der durchaus Sinngeber dieser doch einmaligen Formation ist.
Seit 2000 besteht es, hat eine Menge Preise und Auszeichnungen abgeräumt, tritt auf der ganzen Welt auf, nur in Frankfurt zum ersten Mal. Großes Lob an dieser Stelle an die Frankfurter Bachkonzerte e. V., die dieses Konzert gemeinsam mit der Alten Oper ermöglichte.
Christina Pluhar (Foto: Michal Novak) |
„Musik, in der ich mich zuhause fühle“
Was aber ist
ihre Besonderheit? Die liegt wohl hauptsächlich an der Gründerin des Ensembles,
Christina Pluhar (*1965), die sich der Musik des 17. Jahrhunderts
verschrieben hat, sich in die Archive und Bibliotheken begab und noch begibt,
um nach den zahllosen Komponisten dieser Zeit zu forschen, ihre Musik wieder
lebendig werden zu lassen und sie in die heutige Zeit zu versetzen, oder gar zu
übersetzen. Denn oft sind die Quellen unvollständig, lediglich mit einem einfachen
Generalbass beziffert und knapp für Stimme und einem Instrument gefasst,
denn in dieser Zeit gehörte das Extemporieren (heute würde man von
Improvisation sprechen) eines Sängers oder Musikers zum täglichen Handwerk.
Pluhar musste also das Improvisieren, Instrumentieren
und Arrangieren zu ihrer Berufung machen. Lassen wir sie selbst sprechen: „Im
Laufe der langen Karriere von L´Arpeggiata habe ich immer wieder versucht,
unsere Programme so viel wie möglich zu variieren, aber auch immer wieder zu
zeigen, dass meine eigentliche Liebe und Leidenschaft der italienischen Musik
des 17. Jahrhunderts gilt. Das ist die Musik, in der ich mich zu Hause fühle.“
(aus dem Programm).
Christina Pluhar (Foto: Warner Classics) |
Unkonventionell und Außergewöhnlich
Dazu aber
braucht sie Musiker und Sänger mit außergewöhnlichen Talenten und Fähigkeiten.
Denn sie müssen Spielfreude, Lust am Improvisieren, Experimentierfreude mitbringen und vor
allem das Unkonventionelle und Außergewöhnliche lieben.
All diese Eigenschaften waren auf diesem Konzert hautnah zu erleben. Man müsste eigentlich alle Akteure namentlich auflisten, denn ausnahmslos gebührt ihnen das Prädikat besonders wertvoll. Achtzehn Stücke, Canzone, Tarantellas, Saltarellos, Alemanas, Pastorales, Caccias, von acht namentlich bekannten und zwei anonymen Komponisten, darunter vier instrumentale Stücke und drei Gesänge mit Tanz, boten eine Melange durch den frühen Barock bzw. die späte Renaissance.
L´Arpeggiata Ensemble (Foto: H.boscaiolo) |
Liebe-Drama-Wahnsinn
Nahezu alle Stücke,
kaum länger als drei bis vier Minuten, waren arrangiert oder als Accompagnato
aufbereitet. Von Anfang an eine wohldurchdachte Auswahl zwischen Tutti und Soli.
Mal im Duett, im Quartett oder auch rein solistisch. Jeder Sänger durfte mal
ran, und alle glänzten ausnahmslos, nicht allein durch ihre Stimme, sondern auch
durch ihr schauspielerisches Talent. Man musste die Texte ihrer Lieder nicht
verstehen (hier geht es eh um Liebe-Drama-Wahnsinn im besten Sinne), um die
Emotionen, Gefühlslagen und das Begehren nicht mitzuerleben zu dürfen.
Herauszuheben
an dieser Stelle vielleicht die drei Gesangs- und Tanzpartien mit dem männlichen
Altisten bzw. Counter Vincenzo Capezzuto
(der Countertenor Valer Sabadus musste kranheitsbedingt absagen) und der
Tänzerin Anna Dego. Beide ein
kongeniales Paar, dass ständig umeinander wirbt, aber nie zusammenkommt. Absolut
mitreißend. Ihr Tanz erinnerte zeitweise an den spanischen Flamenco (ohne
Kastagnetten), oder einem Fandango nach italienischer Art, lebendig, werbend
und voller Vitalität.
L´Arpeggiata, v. l. vorne stehend: Luciana Mancini, Vincenzo Capezzuto, Céline Scheen, Anna Dego, Hugo Oliveira, Benedetta Mazzucato, Alessandro Giangrande (Foto: H.boscaiolo) |
Meisterhaftes Spiel auf historischen
Instrumenten
Ebenso die acht Instrumentalisten. Herausragend unter ihnen der Zink Spieler Doron Sherwin, der sein Instrument, das im Klang zwischen Trompete und Oboe liegt, virtuos beherrschte und bestens auf die Sänger eingestimmt war. Auch der Perkussionist David Mayoral gehört in diese Kategorie. Mit wenig perkussiven Gegenständen, wie Tambourin, Rassel, Trommel, überzeugte er durch unglaubliche Rhythmik und ausgefeilte Technik, vor allem am Tambourin. Das sollte genügen, ohne die Qualität der anderen zu schmälern, denn sie waren alle durchweg Meister ihrer Instrumente bzw. Meister ihrer Stimme.
Letztgenannte sind nicht allein in diesem Ensemble zuhause, sondern stehen durchweg auf Opernbühnen, singen Oratorien, Passionen und gestalten Lieder-Abende. Alle beherrschen die barocken Koloraturen meisterhaft und glänzen durch ihr schauspielerisches Vermögen. Filmreif mitunter.
L´Arpeggiata (Foto: H.boscaiolo) |
Eine angenehm führende Hand
Den Abschluss des Abends bildete La Veglia (die Mahnwache) für sechs Stimmen, von Cristoforo Caresana (1640-1709). Eine Erzählung über die Geburt Jesu und seinen schlussendlichen Verrat. Schwerpunkt in diesem sechsteiligen Drama ist das Lomber Spiel, ein mittelalterliches Kartenspiel für drei Personen, dem heutigen Skat, aber auch dem Tarock Spiel verwandt. Gesanglich ein Genuss, konnten doch die sechs Stimmkünstler noch einmal ihr ganzes Repertoire an stimmlichen Finessen auspacken. An dieser Stelle auch großes Lob an Christina Pluhar, die zeitweise dirigierte (vor allem bei den Tutti), aber überwiegend auf ihrer Theorbe akkompagnierte. Sie stand wohltuend im Hintergrund, obwohl man ihre angenehm führende Hand spürte.
v. l. stehend: Luciana Mancini, Vincenzo Capezzuto, Doron Sherwin, Céline Scheen, Anna Dego, Hugo Oliveira, Benedetta Mazzucato, Alessandro Giangrande Foto: H.boscaiolo |
Beschwingt, heiter, locker
Keine
wirkliche Zugabe, obwohl vehement gefordert. Dafür aber eine spontane
Wiederholung der vorletzten Nummer Pizzicarella
mia mit Vincenzo Capezzuto und Anna Dego. Nur ausgelassener und von
den übrigen Sängerinnen und Sängern: Céline
Scheen (Sopran), Luciana Mancini (Mezzo),
Benedetta Mazzucato (Alt) Alessandro
Giangrande (Tenor) sowie Hugo
Oliveira (Bassbariton) aktiv unterstützt. Ein Tanzspektakel, dem sich noch Doron Sherwin zugesellte, mit einer
Tarantella, die sich gewaschen hatte.
Ein Ensemble
L’Arpeggiata, das sich bestens präsentierte, und das man immer wieder erleben
möchte.
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