2 x Hören / Mozart, Kristian Bezuidenhout (Hammerklavier) spielt und bespricht die Klaviersonate c-Moll KV 457, Moderation Dr. Markus Fein, Alte Oper Frankfurt, 09.06.202
Kristian Bezuidenhout (Foto: Website) |
Der Höhepunkt der Gattung Klaviersonate
Es sollte die letzte Sonate in Wolfgang Amadeus Mozarts (1756-1791) Klavierschaffen sein und, neben der parallel entstandenen C-Dur Fantasie, seinen Höhepunkt in dieser Gattung darstellen. Es handelt sich sich dabei um die Klaviersonate c-Moll KV 457 von 1784, ein dreisätziges Werk, das den Sturm und Drang des Kopfsatzes im Allegro molto, die überreichen Verzierungen des Adagios sowie die Leidenschaftlichkeit der bizarren Synkopik des Finalsatzes im Allegro assai für damalige Zeiten in innovativster Weise aufs Notenpapier brachte, und, gemeinsam mit der etwas später entstandenen Fantasie (1785), vor allem die frühe Kompositionsweise von Ludwig van Beethoven (1770-1827) eklatant beeinflussen sollte.
Matt aber farbenreich
Der Mozartsaal der Alten Oper Frankfurt war sehr gut gefüllt. Hat sich doch mittlerweile das erlebnis- und erkenntnisreiche Format des 2 x Hören herumgesprochen, das der Intendant des Hauses und Musikkenner par excellence, Dr. Markus Fein, in der nun zweiten Saison in unregelmäßiger Reihenfolge anbietet.
Eingeladen hatte er den südafrikanischen Pianisten und Fachmann für historische Aufführungspraxis, Kristian Bezuidenhout (*1979), der Mozarts Klaviersonate zunächst auf einem Hammerklavier nach Jakob Bertsche von 1815 (vom Wiener Klavierbauer Robert Brown - im Saal anwesend - nach dem Original wieder hergestellt) spielte. Gut 20 Minuten interpretierte er das Werk auf einem nach heutigen Ohren etwas matt und leise klingenden Instrument, wobei durch die sechs Pedale (heutzutage sind es lediglich drei) durchaus in einzelnen Partien ein besonderer Farbenreichtum herauszuhören war. Dennoch, so scheint es, wirkt das Stück auf einem voluminösen modernen Konzertflügel wesentlich eindringlicher und insgesamt doch überzeugender, worüber sich allerdings trefflich streiten lässt.
Kristian Bezuidenhout (Foto: H.boscaiolo) |
Das Hammerklavier – das Beste aus Mozarts Zeiten
Das Werkstattgespräch sollte dann gleich mit dieser Frage eingeleitet werden. Drei Tasteninstrumente standen auf der Bühne: ein Cembalo, ein Steinway und besagter Hammerflügel. Bezuidenhout spielte auf allen dreien nacheinander die ersten zweiundzwanzig Takte des Allegro Molto bis zum Seitenthema. Das Cembalo, wo die Seiten angezupft werden, konnte dem einleitenden Raketendonner nicht standhalten. Der Steinway ließ die Saalwände erzittern und kam, so Fein, wie ein LKW daher, während die Takte auf dem Hammerflügel, bleibt man bei der LKW-Metapher, wie mit angezogener Handbremse wirkten. Bitte nicht zu laut, zu expressiv, zu schnell etc. Natürlich auch vom Pianisten so gewollt. Er, ein begeisterter Anhänger vor allem dieses Instruments, lobte es über die Maßen und betonte dessen technische Angepasstheit an die spezielle Musik Mozarts.
Seine Charakterisierung der drei Sätze sollte allerdings zu Denken geben. Denn der erste Satz sei, so sein Urteil, ein ausgeprägtes Orchesterwerk, der zweite Satz, das Adagio, ein Gesangsstück, vergleichbar mit einer Mozart Opernarie (dazu später), und das Finale ein Ausbund an Improvisation und in seiner synkopierten Linienführung, fast schon auf die Moderne verweisend. Eigentlich alles Charakterzüge, die besonders für den modernen Flügel sprechen. Oder?
Kristian Bezuidenhout (Foto: Marco Borggreve) |
Grenzen des Hammerklaviers
Die Erklärungen der Besonderheiten eines Hammerklaviers, mit einer mobilen Kamera sichtbar gemacht, zeigten vor allem den Unterschied zwischen den Mechaniken eines Hammer- und modernen Konzertflügels auf. Die Wege beim Hammerklavier sind kürzer, die Tastatur flacher und die Hämmer sind mit Leder statt mit Filz überzogen. Jeder Anschlag wird unmittelbar auf die Hämmer übertragen und die Differenzierung der Klangfarben wird hauptsächlich durch die Pedale bewirkt, die allerdings eher das Klangvolumen vermindern statt erweitern. So bleibt zum Beispiel in der Schluss-Coda des ersten Satzes lediglich ein Säuseln übrig, wenngleich trotz des piano, nach jeder Taktsequenz ein aufreibendes forte gefordert ist, was den Kontrast zum abschließenden pianissimo verdeutlichen soll. Das aber kann mit dem Hammerklavier in dieser Weise nicht realisiert werden.
v. l.: Dr. Markus Fein, Kristian Bezuidenhout, Malion Quartett, dritte v. r. Daria Tymoshenko (an der Leinwand: Mozarts Autograph) (Foto: H.boscaiolo) |
„La Nozze di Bezuidenhout“
Das Adagio des zweiten Satzes, eine Art Rondo mit rhapsodischen Ausschmückungen ist bereits vom Pianisten selbst als besonders gesanglich hervorgehoben worden. Hierzu hat sich Markus Fein wieder einmal eine Welturaufführung einfallen lassen.
Eingeladen hat er das Malion Quartett (ein noch sehr jungen Streichquartett, das 2018 in Frankfurt gegründet wurde) mit der Mezzosopranistin Daria Tymoshenko. Sie haben die ersten 16 Takte in ein opernhaftes Arioso für Streichquintett und Stimme verwandelt. Fein spricht von „La Nozze di Bezuidenhout“ (Tatsächlich komponierte Mozart zu dieser Zeit den La Nozze di Figaro. Die Entführung aus dem Serail hatte er gerade erst fertiggestellt). Nicht schlecht, dieses Arrangement von Antonia Keßler, aber lediglich ein Beweis mehr, wie melodiös nahezu alle Mozart Werke überhaupt sind. Insofern könnte man alle seine Sonaten durchaus für Gesang umschreiben, vor allem aber seine langsamen Sätze. Eine schöne Abwechslung aber allemal.
v. l.: Dr. Markus Fein, Kristian Bezuidenhout, Malion Quartett, dritte v. r.: Daria Tymoshenko (an der Leinwand: Mozarts Autograph) (Foto: H.boscaiolo) |
Drei Interpretationen extrem
Der dritte Satz der Sonate, das Allegro assai, wurde begleitet durch drei Klangbeispiele, die Fein seinem Freund Bezuidenhout vorspielen ließ. Die erste war von Glenn Gould, der diesen Satz mit unglaublichen Figuraturen erweiterte und daraus einen barocken Manierismus fabrizierte. Abgelehnt! Weit entfernt von Mozart, meinte der Gefragte. Dennoch war Mozart gerade erst seinen barocken Vorbildern entwachsen. Dann eine sehr orchestrale Version für zwei Klaviere. Es stellte sich heraus, das sie von Edward Grieg stammt. Durchaus akzeptabel für den Pianisten, wenngleich zu sehr dem Romantischen verpflichtet. Abschließend eine Adagio-Version von Grigori Sokolov. Bei dieser Interpretation stockt selbst Kristian Bezuidenhout der Atem. Warum nicht!? - seine Antwort nach längerer Pause, wenngleich Mozart nicht so gedacht haben mag. Aber dem Interpreten sind grundsätzlich keine Grenzen gesetzt. Es sei denn, er widerspreche dem Kern des Werks, und verfälsche es in seinem Wesen.
v. l.: Dr. Markus Fein, Kristian Bezuidenhout, Malion Quartett, links: Daria Tymoshenko (Foto: H.boscaiolo) |
„Wir hängen an deinen Händen“
Die abschließende Frage an den Pianisten, welches Publikum er sich wünsche - eine m. E. zwischen Rhetorik und Suggestion - beantwortet Bezuidenhout mit einer Lobeshymne an die Musik Mozarts, die mit ganzen Herzen zu genießen sei. So bleibt Fein nichts anders übrig, als das zweite, zum besseren Hören vorgesehene Spiel der Sonate mit den Worten einzuleiten: „Wir hängen an deinen Händen und an deinen Lippen.“
Tatsächlich spielt er die Sonate jetzt schneller und ausdrucksstärker als zu Anfang. Seine Rubati und Kunst-Pausen minimieren sich vor allem im ersten und letzten Satz. Herrlich auch sein Adagio, dessen Figuraturen ihm nahezu perfekt gelingen (einige werden noch hinzugefügt und gehören nicht zur Partitur). Aber auch der fast jazzige Schlusssatz muss hervorgehoben werden, den er rasend schnell mit gekonnten Repetitionen vorträgt, um Längen besser als in der Introduktion des Werkstattabends. Wie hätte sich seine Interpretation wohl auf dem Steinway angehört?
v. l.: Dr. Markus Fein, Kristian Bezuidenhout, Malion Quartett, links: Daria Tymoshenko (Foto: H.boscaiolo) |
Ein Fan des Hammerklaviers
Langer herzlicher Beifall und wieder einmal eine Vorstellung mit vielen Extras, empathischer Musik- bzw. Mozart-Begeisterung. Leider zu viel in englischer Sprache (Bezuidenhout sprach schnell und nicht immer verständlich), aber dennoch, wie immer kenntnis- und erkenntnisreich (es wurde sogar das erst 1990 gefundene Autograph dieser c-Moll Sonate auf der Leinwand gezeigt, das wie ein wildes Durcheinander von schier unendlich vielen Ideen wirkte, und vom Mozarteum Salzburg im Jahre 1991 für sage und schreibe 840.000 Dollar von Sotheby´s erstanden wurde).
Zwei kurzweilige Stunden mit einem Fan des Hammerklaviers, Kristian Bezuidenhout, und einem begeisterten und begeisternden Moderator, Dr. Markus Fein..
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