37. Rheingau Musik Festival vom 22.06 bis zum 07.09.2024
Sommerfest ohne Feuerwerk, Schloss Johannisberg, 29.06.2024
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WDR-Funkhausorchester mit James Blachly und Vladimir Korneev (Foto: Ansgar Klostermann) |
Illustre Gäste auf pittoreskem Areal
Wieder einmal illustre Gäste, drei Bühnen, kulinarische Genüsse von vier Kochzelten, beste Weine und Sekt in Hülle und Fülle auf dem pittoresken Areal von Schloss Johannisberg. Aber vor allem, und das auch wieder einmal, ein Programm der Superlative. Mit dem altbekannten und bewährten WDR Funkhausorchester. Dieses Mal unter der Leitung und der Moderation von James Blachly (*1980), einem europäischen Newcomer, der allerdings in seiner Heimat, den USA, größte Erfolge feiert und sich durch die Unterstützung junger Komponisten (er komponiert auch selbst), unter anderem auch in Afrika, bereits international einen Namen gemacht hat. Von seinem Grammy Award ganz zu schweigen, den er 2021 für die Ersteinspielung von The Prison von Ethel Smith (1902-1996) gewann.
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Beat Box (Foto: H.boscaiolo) |
Der Duft der Leichtigkeit
Ihn und sein Orchester ergänzte ein Sänger von außergewöhnlicher Strahlkraft. Vladmir Korneev (*1987). Ein Bariton, ein Tenor? Egal. Auf jeden Fall ein Entertainer mit Charme, ohne Schirm und Melone. Dazu aber später.
Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit der ankommenden Gäste, wie jedes Jahr spielte die altbekannte Beat Box, vier in die Jahre gekommene Musiker und eine sehr attraktive exotische Sängerin, im Spätlesereiterhof ihren softem Blues, dieses Mal aus den 70ern. Man traf sich, aß gemeinsam erste Happen aus den Gourmetküchen und genoss den Duft der Leichtigkeit. Leider schwankte das Wetter zwischen Hitze, Böen, Schwüle und Regen und niemand wusste so recht, ob aus dem Fest auch ein rauschendes werden wird.
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Vladimir Korneev mit WDR Funkhausorchester (Foto: Ansgar Klostermann) |
Liebeserklärung und Figaros Hochzeit
Bereits um 19.00 Uhr (also eine halbe Stunde früher als geplant) lud man deshalb zum Hauptprogramm in den Couvéehof, da Blitz und Donner angesagt. Die Stimmung war bestens, der Ministerpräsident von Hessen, Boris Rhein, gab eine „Liebeserklärung an das Rheingau Musik Festival“ ab, und mit der Mozartischen Ouvertüre aus Figaros Hochzeit begann ein fast zweistündiges Spektakel.
Kurze Moderation und kreative Leichtigkeit
Die Moderation des New Yorker Superstars blitzte zwar nicht vor Wortwitz, dafür aber lag in der Kürze auch eine gesunde Würze. Es folgten zwei slawische Tänze aus op. 49 und op. 72 von Antonin Dvořák, ein Presto Furiant und eine Dumka, ein trauriges Volkslied. Beide mit größter Energie und bester Dynamik vom mittelgroßen WDR Orchester vorgetragen. Auch zeigte sich hier bereits das gestenreiche und motivierende Moment des Dirigenten, der das, besser sein Orchester mit ausgesprochener Verve und kreativer Leichtigkeit durch das musikalische Programm führte.
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Vladimir Korneev und James Blachly, WDR Funkhausorchester Foto: H.boscaiolo |
Zwischen Rasputin und erotischem Charme
Dann der Hauptdarsteller des Abends, Vladimir Korneev. Seine äußere Erscheinung changiert ein bisschen zwischen Rasputin und Nikolaus II. aus der Familie Romanow. Er ist von Hause aus Georgier, aber bereits mit sechs Jahren nach Deutschland gekommen und hat hier nicht allein den Gesang, sondern vor allem den französischen Chanson lieben gelernt. Und den beherrscht er phänomenal. Ansonsten sprüht er vor Charme und hat bereits mit seinem ersten Song Youkali aus dem Jahre 1935 von Kurt Weill (1900-1950), ein Tango Habanera von expliziter Erotik, die Herzen nicht allein der Frauen gewonnen. Seine Stimme ist der pure Schmelz, weich wie Butter. Dazu aber auch eine brillante Begleitung des bestens aufgelegten Orchesters, das leider nicht immer optimale elektronische Unterstützung erfuhr. Kurz: etwas zu hart bei den Streichern und bei den Bläsern leicht übersteuert. Aber was soll´s.
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Vladimir Korneev und James Blachly, WDR Funkhausorchester Foto: H.boscaiolo |
Liebe zu Edith Piaf
Nach dieser Einführung gestand Korneev seine ungebrochene Liebe zu Edith Piaf (1915-1963), aus deren schier endlosem Repertoire er unter anderem Sous le ciel de Paris, La vie en rose und im zweiten Teil Milord, La foule und Mon manège à moi in eigenwilliger Interpretation, aber mit unglaublicher Schönheit der Stimme und tänzerischer Leichtigkeit vortrug. Dazu erzählte er kurze Geschichten über das Leben seiner verehrten Edith und band seine Lieder in ganz persönliche Zusammenhänge.
Zwischendrin noch von Michel Legrand (1932-2019) Les Moulins de mon Coeur aus dem Jahre 1976 und von Serge Lama (*1943) Je suis malade aus dem Jahre 1973. Ein absolutes Best-of dieser Veranstaltung. Dazwischen noch, nicht zu vergessen, die Seguidilla (Tanz der Nachbarn) aus Manuel de Fallas (1876-1946) Der Dreispitz (1919), sowie eine romantische Melodie aus I´m in the mood of love von Kenny G aus dem Jahre 2006, arrangiert vom ersten Geiger des WDR Funkhausorchesters. Ein Doppel-Intermezzo zum ausspannen. Oder? – Die ersten Tropfen fallen - Kommt doch noch der angesagte Weltuntergang? Statt ausspannen, Anspannung? Noch nimmt man es gelassen zur Kenntnis und genießt noch einmal die wunderbare Zugabe aus Edith Piafs La Foule. Beste Performance, das Orchester wippt und der Dirigent tanzt. Alles umarmt sich und die Welt ist in Ordnung, wie es sich für ein Sommerfest gehört.
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Waterproof (Foto: Ansgar Klostermann) |
Stimmung – Einheizen – Dinieren - Flucht
Man strömt zu den Gourmetzelten, während sich das Quintett Waterproof, diesmal ein Gemisch aus Hardrock, Hip-Hop und 80er Jahre Pop, mit einer Sängerin à la Tina Turner, im Schlosshof daran macht, das dinierende Publikum einzuheizen, was auch absolut gelingt.
Aber das Unheil naht. Blitz und Donner scheinen das erwartete Feuerwerk ersetzen zu wollen. Die Tropfen werden dicker und aggressiver. Erste Fluchterscheinungen, die Schirme öffnen sich, Hüte werden aufgesetzt, die Regencapes zieht man über die edlen Kleidungsstoffe. Kaum ist es 21.30 Uhr, da muss der Höhepunkt des jährlichen Sommerfestes abgesagt werden. Zu gefährlich, das Wetter hat einen Strich durch die Rechnung gemacht. Schade, schade, schade.
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Schloss Johannisberg-Atmosphäre (Foto: Ansgar Klostermann) |
Keine Gnade vom Wettergott
Ein schwüler, amüsanter, leichter und erotisierter Abend endet im schnöden Donner des Wettergottes. Der Vorhang fällt, alles in heller Aufregung, vielleicht bekommt man ja noch die zweite Halbzeit des EM-Fußballspiels zwischen Deutschland und Dänemark mit, denn auch dort, in Dortmund, musste ein halbe Stunde unterbrochen werden, weil es vom Himmel wie aus Kübeln goss.
Ein Sommerfest voller Schwung, woran auch das Wetter nichts zu ändern vermochte. Übrigens, auch Deutschlands Fußballmannschaft ist trotz des Wetters eine Runde weiter.
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