Montag, 18. November 2024

2 x Hören / Schubert, Sonate für Arpeggione und Klavier a-Moll D 821, Anastasia Kobekina (Violoncello), Maria Kurtynina (Klavier, Dr. Markus Fein (Moderation)

Maria Kurtynina, Anastasia Kobekina
Foto: H.boscaiolo

Eine ganz besondere Veranstaltung

Mittlerweile muss man sich frühzeitig bemühen, um noch Tickets für diese Veranstaltung zu ergattern, denn die Idee des 2 x Hören, von Dr. Markus Fein entwickelt, gehört zu den besonderen Veranstaltungen in der Alten Oper Frankfurt. Dieses Mal kredenzte er im wahrsten Sinne ein extrem bekanntes, und viel gespieltes kammermusikalisches Werk von Franz Schubert (1797-1828), obwohl in der instrumentalen Besetzung ein Unikat (wer kennt heute noch die Arpeggione?), die Sonate für Arpeggione und Klavier a-Moll D 821 (1824), mit zwei wunderbaren Künstlerinnen, der Cellistin Anastasia Kobekina und der Pianistin Maria Kurtynina.


Foto: H.boscaiolo

Große Eleganz und romantischer Gestus

Zunächst spielten die jungen Instrumentalistinnen, Anastasia Kobekina gerade einmal 29 Jahre und Maria Kurtynina 26 Jahre alt, das etwa 20 minütige dreisätzige Werk vollständig. Das mit großer Eleganz und tief romantischem Gestus. Bekanntes und weniger Bekanntes darunter, denn da heute die Arpeggione nahezu unbekannt ist (dazu später), wird es auf allen möglichen Instrumenten vorgetragen. Darunter die Violine, Bratsche, Klarinette, Querflöte, Kontrabass, oder auch Violoncello und Gitarre, statt des Klaviers.


Lust und Leid

Der brechend volle Mozartsaal war bereits begeistert, ja enthusiasmiert nach diesem Einstieg. Aber es sollte noch besser werden. Dr. Markus Fein verstand es als Moderator, die Emotionalität der beiden Künstlerinnen quasi fortzuspinnen und lobte deren Hingabe, Poesie und technische Akrobatik. Das zu Recht. Das aber in der Absicht, das Feeling der Beiden während der Interpretation herauszukitzeln. Kobekina hebt den Kontrast zwischen Lust und Leid, Weinen und Lachen hervor, während Kurtynina die komplexe Simplizität der melodischen Anlage lobt, die sie an Mozart erinnere, obwohl dieser nie ein Werk für Cello-Solo geschrieben habe.


Anastasia Kobekina, Maria Kurtynina, Dr. Markus Fein
Foto: H.boscaiolo

Charakter und Spielanweisung

Dr. Markus Fein lässt im Folgenden, weil er es so liebt, vor allem die ersten Takte des Allegro in verschiedenen Spielanweisungen vortragen, mal nach Beethoven, akkordisch, heroisch, mal nach der Wiener Klassik, à la Mozart, mit klarer Agogik, ohne Rubato und romantischer Ausschmückung, dann in der Atmosphäre eines Wiener Heurigen Lokals, mit derbem Tanzrhythmus. Vital und ausgelassen. Die typische Schubertsche Auslegung des Partitur Textes macht schlussendlich das Wesen dieser Komposition zwischen Poesie, Melancholie, Weltverdruss und Zerrissenheit deutlich.


Anastasia Kobekina, Maria Kurtynina, Dr. Markus Fein
Foto: H.boscaiolo

Schubert heißt singen

Dr. Fein ergänzt diese Erkenntnis durch einige Zitate von Schubert und seinen Freunden kurz vor Beendigung der Komposition: So schreibt Schubert an den Maler und Freund, Moritz von Schwind (1804 – 1871), sinngemäß, er fühle sich zerrissen, niedergeschlagen und ergänzt, „meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer“. Und an den Dichter Franz von Schober (1796-1882) sinniert er: „Unglück ist der einzige Reiz, der noch übrig bleibt“.

Ja, Zerbrechlichkeit, meint Kobekina, ist ein Markenzeichen seiner Musik, insofern unterscheide er sich diametral von seinen romantischen Zeitgenossen. Das begleite auch ihre Vorbereitung mit seinen Werken, die sie eigentlich nur über das Singen ergründen könne. Tatsächlich lässt der Moderator an dieser Stelle einen kurzen Trailer ablaufen, in dem Kobekina als 10-jährige Schülerin in einem Chor mit großer Leidenschaft singend zu sehen ist. Die Lacher sind auf ihrer Seite.


Dr. Markus Fein, Anastasia Kobekina, Maria Kurtynina
Foto: H.boscaiolo

Zwei historische Instrumente

Jetzt der Wechsel zu zwei ungewöhnlichen Instrumenten auf der Bühne. Ein Forte Piano, Baujahr 1805, das zwischen Cembalo und Hammerklavier angesiedelt ist, mit zartem fast süßlichem Klang und natürlich ein Arpeggione. Dieses Instrument entpuppt sich als Zwischending von Gitarre und Violoncello. Man nennt es auch „Guitarrenvioloncello“, oder auch „Gitarre-Violoncell“, so zumindest bezeichnete es der Wiener Geigenbauer Johann Georg Stauffer (1776-1853), der dieses außergewöhnliche Instrument erfand. Es gehört zur Klasse der Lauteninstrumente, hat sechs Saiten und wird mit einem Bogen gespielt. An diesem Abend lag ein Nachbau von 1847 vor, der in der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) aufbewahrt wird.


v. l.: Anastasia Kobekina, Maria Kurtynina, Dr. Markus Fein, Claudia Ribas,
Foto: H.boscaiolo

Premiere – Demonstration d'Amour

Leider konnte sich die Guitare d´amour, wie man sie auch liebevoll nannte, nicht durchsetzen, und geriet sehr bald wieder in Vergessenheit. Schuberts Komposition ist wohl die einzige noch erhaltene, obwohl, wie gesagt, so gut wie nicht mehr in dieser Besetzung gespielt. Insofern war diese Demonstration d´amour der Beiden eine Premiere in Frankfurt. Und die war ein wirkliches Highlight dieses Abends. Zwar spielten beide lediglich einen Teil des Allegro Moderato (leider möchte man fast sagen), aber der war von ausgesprochener Schönheit, Farbigkeit und Schlichtheit. Eine Reminiszenz ans 19. Jahrhundert, das wahrlich durch die Vielzahl der Instrumente die Reichhaltigkeit, Farbigkeit und Dynamik der musikalischen Möglichkeiten hörbar machte.


Ein Gedicht von purer Schönheit

Jetzt zum Adagio. Wie immer bot Dr. Fein einen Überraschungsgast. Dieses Mal die Mezzosopranistin Claudia Ribas von der Oper Frankfurt, die bereits in der vor wenigen Tagen in Frankfurt erstaufgeführten Händel Oper Partenope als Armindo herausragend debütierte. Sie sang das Adagio mit einem unterlegten Text ihres Studienleiters Thomas Stollberger. Ihre gutturale Stimme ist einfach zum Wegwerfen schön. Dazu die Begleitung der beiden Künstlerinnen. Ein Gedicht, das Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) nicht besser hätte komponieren können.


Anastasia Kobekina, Maria Kurtynina
Foto: H.boscaiolo

Alfred Brendel spricht

Wieder mal keine Zeit, auf den Schlusssatz, das Allegretto, einzugehen. Dafür der Hinweis auf dessen Rondohaften Charakter im Stil eines Ländlers. Virtuos, aber nie pompös. Mit einem Zitat von Alfred Brendel (*1931), dem anerkannten besten Schubert Interpreten aller Zeiten endete das wunderbare Event: „Ich bin unendlich dankbar, für das, was Schubert hinterlassen hat. Es ist ein absolutes Wunder. Aber ich werde zornig, wenn ich an Schuberts Tod mit einunddreißig Jahren denke. Das ist etwas, was ich nicht verzeihen will.“


v. l.: Dr. Markus Fein, Anastasia Kobekina, Claudia Ribas, Maria Kurtynina
Foto: H.boscaiolo

Alle Lichter gehen an

Bei der zweiten Vorstellung der Sonate schienen alle Lichter im Publikum wie bei den Interpretinnen anzugehen. Sie spielten intensiver, frischer, mit höherem Tempo, fügten kleine Figurationen und Improvisationen hinzu, fast übermütig. Ein Schubert, wie er in bester Stimmung hätte sein können. Im Publikum spürte man die Hingabe an die Musik. Die Körper und Köpfe bewegten sich im Rhythmus der Musik und auf den Gesichtern lag ein Lächeln der Zufriedenheit.

Wie sagte eine ältere Dame beim Herausgehen: „In meine ganzen Leben habe ich noch nie ein so schönes Konzert erlebt wie heute Abend.“ Dem gibt es nichts hinzuzufügen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen