Partenope, Oper in drei Akten von Georg Friedrich Händel, nach dem Textbuch von Silvio Stampiglia, Bockenheimer Depot Frankfurt, Premiere und Frankfurter Erstaufführung , 10.11.2024
vorne: Jessica Niles (Partenope), Ensemble Fotos: Barbara Aumüller |
Ein Krisenprodukt
Eigentlich ist diese Oper ein Krisenprodukt. Denn Georg Friedrich Händel (1685-1759) schuf dieses Werk nach einer ersten heftigen Krise in seinem Londoner Domizil, das er als erfolgreicher Entertainer, Unternehmer und Komponist seit dem Jahre 1711 bewohnte.
Sein ärgster Konkurrent, ausgerechnet ein Deutscher namens John Christopher Pepusch (1667-1752), machte ihm den Garaus mit seiner Beggar´s Opera, die, eine Persiflage auf die in die Jahre gekommene Opéra seria, 1728 einen riesen Erfolg einfuhr, und gleichzeitig die Aktien des Maestro Händel ins Bodenlose fallen ließen. Dazu kündigten seine besten Künstler und Sänger und er musste sich völlig neu erfinden.
Eine neue Ära
Zwei Jahre später, nach einer erfolgreichen Werbekampagne in Italien landete er mit Partenope einen erfolgreichen Coup. Allerdings lernte er aus den „Fehlern“ der statischen und konservativen Opéra seria und bot mit Partenope eine doppelbödige Komödie, mit viel Herzschmerz zwar, aber gleichzeitig mit einer barocken neuen Sprache, die durchaus bereits auf Wolfgang Amadeus Mozart oder Vincenzo Bellini vorausschaute. Ja, er orientierte sich an der neapolitanischen Schule und ihrem „stile galante“ und war sich des Plagiats ihrer Meister wie u. a. Nicola Antonio Porpora, Leonardo Leo oder Leonardo Vinci nicht zu schade. Händel strebte nach unbedingtem Erfolg, und mit Partenope beginnt, wenn auch mit Hindernissen, eine neue Ära seines kompositorischen Wirkens.
v. l.: Claudia Ribas, Franco Klisović, Magnus Dietrich, Jessica Niles, Kelsey Lauritano (am Boden sitzend) |
Ernst mit komödiantischer Attitüde
Was macht diese Oper so spannend und, obwohl heute noch selten aufgeführt, so sehens- und hörenswert? Neben den genannten musikalischen Neuerungen ist es das Libretto von Silvio Stampiglia (1664- 1725), das die starren Formen der Opéra seria auflöst und der komödiantischen, sarkastischen, selbst ironischen und humoristischen Attitüde freien Raum lässt.
Partenope ist zwar mythische Gestalt, die Schirmherrin von Neapel. Hier aber fungiert sie als Königin dieser Stadt (wobei sie Königin von jeder anderen Stadt sein könnte), die von drei Freiern beworben wird. Alsace, ihr Geliebter und Gatte in spe, Armindo, der Schüchterne, der seine Liebe zu ihr verschweigt, ihr aber freundliche Aufwartungen macht, und Emilio, der Krieger: „Krieg oder Ehe!“ lautet sein Wahlspruch. Dazu gesellt sich Rosmira. Sie ist die Verlobte von Alsace und will ihn zurück. Sie kommt als Eurimene „verkleidet“ dazu und schafft Unruhe, Konflikte und emotionale Ausbrüche aller Art.
Last but not least muss Ormonte, der Vertraute und Leibwächter von Partenope, genannt werden. Er nimmt eine Vermittlerrolle ein. Sein Verhältnis zur Partenope bleibt im Unklaren. Das Lieto fine endet mit der Heirat Partenopes mit Armindo sowie der von Alsace und Rosmira alias Eurimene nach ihrer Versöhnung. Emilio schließt Freundschaft mit der Königin und scheint sich auch gut mit Ormonte zu verstehen.
Franco Klisović, Kelsey Lauritano |
Kurzweilig und ideenreich
Die Frankfurter Inszenierung von Julia Burbach (übrigens auch ihr Debüt) und ihrem Team um George Petrou (musikalische Leitung), Herbert Murauer (Bühne), Raphaela Rose (Kostüme), Cameron McMillan (Choreographie), Joachim Klein (Licht) sowie Zsolt Horpácsy (Dramaturgie) haben ein dreistündiges, ausgesprochen kurzweiliges und abwechslungsreiches Programm vorgelegt. Dazu zählt auch ihr genialer Einfall der Tanzchoreographie (drei Tänzerinnen und zwei Tänzer), um die Handlungen zu interpretieren und in der Rolle der Betrachter, das Publikum zu spiegeln. Durchaus dem antiken Chor vergleichbar, aber auch der Idee des epischen Theaters entnommen.
Auch die Bühne, eine Art Liebeskarussell gehört zu den genialen Ideen dieser Inszenierung. Sie drehte sich wie das Geschehen und wurde durch Vorhänge und transparente Bänder entsprechend der Handlung unterteilt. Die Bühne selbst bestand im Wesentlichen aus gelben Couches, Stühlen und einer Wanne, die aber eher als Nachen gedacht war. Ganz im antiken Sinne der Überfahrt ins Glück, oder ins Gegenteil. Die Lichtspiele taten ihr Übriges. Immer angepasst an die Situation und unterschiedlichen Farben. Alles zusammen eine runde Sache.
Jessica Niles, Franco Klisović (verdeckt) |
Staatliche Verantwortung
Dann die Hauptpersonen:
Perfekt die Rollenbesetzung der Partenope mit der Sopranistin und Koloratursängerin, Jessica Niles, die ihr Debüt auf der Frankfurter Bühne feierte. Mit warmer, ausgesprochen klarer und akzentuierter Stimme sang und spielte sie in bester Manier die distinguierte Herrscherin ihrer Stadt. Immer kontrolliert und um vernünftige Lösungen suchend. Selbst den Betrug ihres Geliebten Alsace (er verheimlicht seine Verlobung mit Rosmira) bringt sie nicht aus der Fassung. Ihre Entscheidung für Armindo, den sie in ihrer finalen Arie „ewig lieben möchte“, ist keine von ausgesprochener Emotionalität, sondern eher eine des staatlichen Räsonnement.
v. l.: Magnus Dietrich, Jessica Niles, Jarrett Porter, Ensemble und Orchester |
Hoffnung – Glaube – Liebe
Spannend die Doppelrolle Rosmira/Eurimene. Hier gesungen und gespielt von der Mezzosopranistin Kelsey Lauritano. Sie wurde nicht in Männerkleidung gehüllt, trug einen blassgrünen (Hoffnung) Hosenanzug und gab sich ihrem Verlobten Alsace gegenüber gleich zu erkennen. Dennoch war sie in ihrer Emotionalität das genaue Gegenteil von Partenope. Sie quirlte und intrigierte, schaffte Unruhe und Unverständnis, und war das eigentlich Lebendige in dieser Fünfergruppe, was sie auch schauspielerisch überzeugend zum Ausdruck bringen konnte. Leider war ihre Stimme sehr dünn und konnte kaum dem kleinen Opern- und Museums Ensemble standhalten.
Franco Klisović als Alsace zeigte sich als Countertenor mit zwei Gesichtern. Bis zur Schlacht schien seine Stimme belegt, ja mitunter labil. Aber ab Mitte des zweiten Aktes trumpfte er auf. Seine Arien im Konflikt mit Rosmira glänzten durch brillante Koloraturen und wunderbare lyrische Einlagen im Pianissimo. Herausragend dabei seine Wind-Arie „Furibondo spira il vento“ am Ende des zweiten Aktes, in der er gleichzeitig Scham, Ehre, Pflichtgefühl, Liebe und Leidenschaft gegenüber Rosmira verspürt. Seine selbstgefällige und doch von tiefer Liebe zu Rosmira geprägte Rolle spielte er in Blau (Glaube) mit großer Überzeugungskraft.
Die Hosenrolle des Armindo mit der Mezzosopranistin (sie kann aber bis tief ins Alt gehen) Cláudia Ribas, er/sie, der/die Schüchterne in einen rosa Anzug (Liebe) gekleidet, war eine klasse Besetzung. Ribas sang nicht nur ausgezeichnet mit einer gutturalen Stimme von sehr großem Stimmumfang (gerade in den tiefen Tönen war sie ein Gedicht), sondern spielte hervorragend die Unsichere, Defensive und Ängstliche.
v. l.: Magnus Dietrich, Jessica Niles, Kelsey Lauritano, Franko Klisović, Cláudia Ribas, Orchester |
Emilio und Ormonte – ein Paar
Emilio der Krieger wurde vom Tenor Magnus Dietrich verkörpert. Martialisch-verspielt-witzig in einem überdimensionierten rosa Ritterkostüm stürmte er mitten des ersten Aktes die Bühne und macht deutlich, dass es für ihn nur Liebe oder Krieg gebe. Partenope lässt ihn abblitzen und der Krieg folgt. Emilio wird festgenommen und fristet ab da in einem vogelähnlichen Gitter sein Bühnendasein.
Leider beherrscht Dietrich keine barocke Koloraturtechnik und sein lyrischer Tenor war nicht gerade für die Heldenrolle des Kriegers geeignet. Dennoch: sein Spiel als Aufschneider und Egomane belebte die Handlung ungemein.
Kommen wir abschließend zu Ormonte (Jarrett Porter, Bariton) dem Vertrauten und Leibgardisten von Partenope. Seine Rolle blieb insgesamt undurchsichtig, auch wenn die Regisseurin, Julia Burbach, gerade ihn in seinen sehr kurzen Auftritten herausheben möchte. So erscheint er im dritten Akt in Königskleidung, und das in Transgendermanier. Seine Affinität zu Emilio ist unverkennbar und seine ironische Distanz zu Partenope ebenfalls. Na ja, jedenfalls gehörte sein Bariton zu den hervorstechenden unter der Sängerriege.
v. l.: Jessica Niles, Jarrett Porter, Cláudia Ribas |
Elegante choreographische Interpretation
Die fünf Tänzerinnen und Tänzer (Adrián Ros, Tomaso Bertasi, Lara Fournier, Sophia Esmeralda Vollmer, Ariadne Llussà) sind wohl allesamt freischaffend und stammen aus Spanien, der Schweiz wie aus Deutschland. Ihre tänzerischen Balletteinlagen waren erfrischend, unaufdringlich und sehr elegant konzipiert. Sie vermochten das teils verwirrende Geschehen auf der Bühne durch Mimik und entsprechende Tanzfiguren zu interpretieren und ergänzen.
Schlussszene, links vorne: George Petrou am Cembalo, Jessica Niles am Rand der Bühne |
Eine Musik zum Tanzen
Die Musik, ja, die Händel´sche Musik wirkte in dieser Oper besonders befreit und inspiriert vom Gedanken der Unterhaltung. Weniger komplexer und starrer Kontrapunkt, sondern mehr melodische Linien, fast im Schlagerstil, und Suiten in Reihenfolge vom Menuett, Marsch, Bourrée bis zum Gassenhauer - alles vorhanden. Nicht zu vergessen die virtuosen Läufe und das Spiel mit den verzierenden Trillern, Höchstanforderungen für die Instrumentalisten.
Sie glänzten wieder einmal unter der Leitung von George Petrou, der selbst auch das Cembalo bediente. Vielleicht fehlte manches Mal die sensible Differenzierung zwischen forte und piano. Das hätte einigen Sängerinnen auf der Bühne gut getan.
Schlussapplaus (Foto: H.boscaiolo) |
Alles in allem aber eine gelungene Premiere mit kleinen, wie oben angegebenen Abstrichen. Der Beifall war sehr freundlich, aber zu Recht doch unterschiedlich verteilt. Ein Besuch der folgenden noch sieben Vorstellungen in diesem Monat ist absolut empfehlenswert.
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