Dienstag, 17. Dezember 2024

Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit Simone Young (musikalische Leitung) und Martin Helmchen (Klavier), Alte Oper Frankfurt, 16.12.2024

Opern- und Museumsorchester (Foto: Website)

Orchester des Jahres 2024

Es ist das vierte und letzte Abonnementskonzert in diesem Jahr, und das mit dem besten „Orchester des Jahres 2024“, einer außergewöhnlichen australischen Dirigentin, Simone Young, die aus Sydney stammend und in Hamburg beheimatet, zu den anerkanntesten Kennern von Richard Wagners und Richard Strauss´ Oeuvre gehört, und einem Pianisten, Martin Helmchen, hier in Frankfurt (leider) noch selten in Erscheinung getreten, als Associate Professor für Kammermusik an der Kronberg Academy und Kammermusikpartner von Julian Prégardien, Carolin Widmann oder auch Augustin Hadelich, um nur einige zu nennen, der sich ein internationales Renommee erobert hat.


Simone Young (Foto: Bertold Fabricius)

Krönungskonzert, ein Flop

Bleiben wir gleich bei ihm. Martin Helmchen (*1982) hatte Wolfgang Amadeus Mozarts (1756-1791) Klavierkonzert D-Dur KV 537 (1788) mitgebracht. Es ist das 26. von insgesamt 27, die Mozart der Nachwelt hinterließ, und wird sinnigerweise als Krönungskonzert bezeichnet.

Das hatte seine Gründe. Zwar wurde das Werk 1788/89 mehrmals aufgeführt, aber im Jahre 1790, dem Krönungsjahr des Habsburgers Leopold II. (1747-1792) in Frankfurt, spielte Mozart höchstpersönlich im von ihm gemieteten Großen Stadtschauspielhaus am Frankfurter Rossmarkt dieses Werk, neben seinem 19. Klavierkonzert F-Dur KV459 und gleichzeitig mit zweien seiner Sinfonien (welche davon ist leider unbekannt) und musste sich eingestehen, dass die Frankfurter „mehr Pfennigfuchser“ seien als die Wiener.


Martin Helmchen (Foto: ARD- Audiothek)


Beste Verkaufswerbung

Kurz und knapp: Eigentlich ein Flop. Aber - Ein damals bereits bekannter Verleger und Drucker, Johann André (1741-1799), saß im Publikum, zeigte Interesse für Mozarts Werk, kaufte drei Jahre nach dessen Tod das gesamte Handschriften-Konvolut von seiner Ehefrau Constanze für schlappe 3.150 Gulden, darunter auch das Opus bzw. KV 537, und gab, nach einigen von eigener Hand vorgenommenen Ergänzungen in der Partitur (Mozart schrieb, da er die Improvisation bevorzugte, oft nur skizzenhaft), dem Klavierwerk eben den Namen Krönungskonzert, was natürlich die beste Verkaufswerbung war.


Martin Helmchen, Opern- und Museumsorchester
(alle Fotos: H.boscaiolo)

Ohne innovative Momente

Das Werk selbst, das sei vorweggenommen, gehört mitnichten zu den interessantesten dieser Gattung. Mozart arbeitet in den drei Sätzen vorwiegend mit Tonleitern und speziellen Effekten wie Trompeten und Pauke (damals üblich bei triumphalen Ereignissen), aber innovative Momente lassen sich keine finden.


Alles herauskitzeln, was geht

Martin Helmchen, kann man festhalten, machte das Beste draus. Seine Finger- und Anschlagtechnik ist russisch geprägt und von technischer Brillanz. Alle Läufe perlen und, gerade für Mozart wichtig, sie sind transparent in ihrer Zweistimmigkeit. Das aber ist es schon.

Vieles klingt mechanisch und lässt die Klangsensibilität, die man Helmchen nachsagt, vermissen. Möglicherweise lässt es aber auch die Komposition nicht zu, denn die Zugeständnisse an das Feierpublikum in Frankfurt (Mozart hat mit Sicherheit das Werk auf dieses Publikum getrimmt), haben gewiss zu seiner gewissen Bedeutungslosigkeit beigetragen.

Der erste Satz, das Allegro, auch das sei vermerkt, endet traditionell mit einer Solokadenz, die in diesem Fall allerdings nicht von Mozart stammt, sondern vom Schwager des Pianisten, Andreas Hecker (*1977). Auch sie ist eher effektenreich konzipiert, als von großem Einfallsreichtum getragen. Großes Lob allerdings an das Orchester und die Dirigentin, Simone Young, die alles aus diesem Werk herauskitzelten, was nur ging. Mehr war leider nicht möglich.


Simone Young, Martin Helmchen, Opern- und Museumsorchester

Atemreich und sensibel

Helmchen gab denn auch eine Zugabe und spielte, was trotz seiner insgesamt doch nervösen Interpretation des Krönungskonzerts einen positiven Abschlusseindruck hinterließ, den langsamen Satz aus Mozarts F-Dur Sonate KV 533, die 17. von seinen 18. Hier glänzte er vor allem durch seine atemreiche und höchst sensible Interpretation. Ein Meisterstück. Der Applaus bewies es.


Opern- und Museumsorchester

Frankfurter Erstaufführung

Nach einer langen Pause, ein Leckerbissen aus der Welt der Sinfonien. Von Erich Wolfgang Korngold (1897-1957), seine einzige Sinfonie in Fis op.40 (1954). Selten gespielt, erfuhr sie in Frankfurt ihre Erstaufführung. Ein Werk von fast 50 Minuten im Stile der Spätromantiker Richard Strauss, Gustav Mahler und Richard Wagner, aber auch mit Anklängen an Leonard Bernstein und Aaron Copland sowie an die amerikanische Tradition des Bluegrass, Country und Gospel.

Vier Sätze mit ganz unterschiedlichen Inhalten von einem 90-köpfigen Orchester, aufgehübscht mit Marimbaphon und Xylophon, Celesta, Flügel, Harfe, große Trommel, Pauken, viel Schlagwerk für vier Perkussionisten, dazu vier Posaunen, vier Hörner, drei Trompeten und und und.


Simone Young, Opern- und Museumsorchester

Ein Vielschreiber ohne Opus Zahl

Tatsächlich war Korngold, er galt wie Mozart und Mendelssohn Bartholdy als Wunderkind seiner Zeit, mit dieser Sinfonie in Fis kein Erfolg beschieden. Die Zeit war über ihn förmlich hinweggefegt. Seine Bekanntheit hatte er sich vor allem als Filmkomponist in Hollywood erworben, wo er allein 23 Filmmusiken schrieb (die bekanntesten: Robin Hood, 1938, Herr der sieben Meere, 1940, oder auch Seewolf, 1941), dazu diverse Bühnen- und Schauspielmusiken. Nicht zu vergessen sein fünf Opern (darunter: Die tote Stadt, 1920) und die unzähligen Kammermusiken und Orchesterwerke. Alles nahezu ohne Opus Angaben. Deshalb die geringe Opus Zahl der besagten Sinfonie in Fis.


Korngold Outsider in Europa

Allein die seltene Tonart fällt sofort auf. In der C-Dur Tonleiter ist das Fis der Tritonus, auch der Teufelsintervall genannt. Korngold lässt die schwer zu spielenden sechs Kreuze des Fis-Dur allerdings selten erklingen. Er wandert harmonisch durch die Tonarten und benutzt das Fis eher als Hinweis, denn als das Verlassen der Tonalität. In den 1950er Jahren waren, zu seinem Leidwesen, die Romantiker out. Man wollte weg von der Musik der Nazis, die doch die Romantik so bevorzugten und die Moderne verabscheuten (Stichwort: entartete Musik).

Korngold konnte in Europa allerdings kein Fuß mehr fassen. Enttäuscht verließ er seine Heimat Wien endgültig und starb mit knapp 60 Jahren in Los Angeles.


Simone Young, Opern- und Museumsorchester

Zwischen Hollywood und Europa

Diese Sinfonie litt, wie gesagt, unter der Neuen-Musik-Bewegung der 1950er Jahre. Erst Mitte der 1970er Jahre kam man wieder auf sie zurück, aber erst in den 1990ern kann man von einer Wiederentdeckung sprechen. In Frankfurt erfuhr sie am vergangenen Sonntag ihre Erstaufführung und das allerdings mit großem Erfolg.

Sicher ist das Werk in der Tradition von Mahler, Strauss, Brahms und Wagner zu sehen, aber vor allem auch in der amerikanischen und der Filmmusik Hollywoods. In allen vier Sätzen hört man typische Elemente der besagten Komponisten, aber auch Passagen, die die Lebenswelt des Reisenden zwischen den Welten widerspiegeln. So in seinen lyrischen und melancholischen Anspielungen im ersten Satz, dem moderato ma energico.


Bernstein und Williams

Das Scherzo des zweiten Satzes wiederum, eine Tarantella mit jazzigen Synkopen und Einsätzen von Marimbaphon und Xylophon, klingt ganz nach Leonard Bernsteins Westside Story. Sehr atmosphärisch ist das Trio, ein ruhiges Adagio, mysteriös. John Williams Begleitmusik zu E. T. Der Außerirdische kommt hier in den Sinn.


Der Ausgereifteste

Der dritte Abschnitt, das Adagio Lento, gehört zum intensivsten dieser Sinfonie. Hier arbeitet Korngold im Stile Beethovens ein Viertonmotiv in klassischer Manier aus. Stark kontrapunktisch strukturiert aber von filmmusikalischen Elementen getragen. Motive aus seinen Filmmusiken zu Günstling einer Königin (1939) und Unter Piratenflagge (1935) sind durchaus herauszuhören. 

Selbst die Dirigentin, Simone Young, hält diesen Satz für den Ausgereiftesten der Sinfonie. Er sei, so ihre Worte im Vorgespräch mit Klaus Albert Bauer, in der Tradition Beethovens und Brahms´ extrem gut durchgearbeitet und beweise die außergewöhnliche kompositorische Kompetenz Korngolds.

Young, das sei an dieser Stelle erwähnt, glänzte durch ihr vorausschauendes Dirigat, das sie mit Eleganz und Übersicht führte.


Simone Young, Opern- und Museumsorchester

Gewaltig, eindrucksvoll, sprachlos

Der Schlusssatz, das Finale Allegro gaio, greift mit freudiger Entschlossenheit auf die vorangehenden Sätze zurück. Metrische Wechsel und jazzige Synkopen bestimmen hier den Fortgang. Filmmusik pur. Man denke nur an Robin Hood (1938). Ein nachdenklicher Mittelteil – ist es ein Rondo, oder ein Sonatensatz? – dauert nur wenige Takte, um dann triumphal mit vollem Hörner-, Trompeten-, Posaunen- und perkussivem Einsatz ein Ende zu finden. Gewaltig, eindrucksvoll und sprachlos entlässt es das Publikum.


Ein Abschluss phänomenale

Der Beifall will kein Ende nehmen, aber Simone Young weiß sehr wohl, dass ein Ende notwendig ist. Die Zeit ist fortgeschritten und die physische Anspannung des bravourösen Opern- und Museumsorchesters sollte nicht überzogen werden.

Ein Abschluss des Jahres 2024 in der Alten Oper Frankfurt, der kaum besser hätte ausfallen können.

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