Montag, 16. Dezember 2024

Weihnachtsoratorium, Kantaten I – III (BWV 248), Johann Sebastian Bach mit dem Cäcilienchor Frankfurt und der Neuen Hofcapelle Frankfurt (Leitung: Johannes Antoni), Alte Oper Frankfurt, 15.12.2024 (eine Veranstaltung der Frankfurter Museumsgesellschaft e. V.)“

Cäcilienchor Frankfurt (Archivfoto, Website)

Der freudige Ton des Weihnachten

Ohne Weihnachtsoratorium kein Weihnachten. So geht es zumindest dem Schreiber dieses Artikels. Allein die Worte: „Jauchzet, frohlocket! Auf preiset die Tage, rühmet, was heute der Höchste getan!“, zu Anfang des Jubelwerkes, mit Chor, Orchester, Pauken und Trompeten, stimmt prächtig in das Geschehen der Geburt Jesu ein und trifft genial den freudigen Ton des weihnachtlichen Geheimnisses.


Johannes Antoni (Foto: Website)

Große Erwartung

Der Cäcilienchor mit 68 Sängerinnen und Sängern sowie das Frankfurter Ensemble, genannt Neue Hofcapelle, mit 28 Musikerinnen und Musikern, unter der Leitung des noch sehr jungen Gastdirigenten, Johannes Antoni (*1995), führten den erwartungsvollen und fast bis auf den letzten Platz gefüllten Großen Saal der Alten Oper Frankfurt mit Verve und großem Engagement durch die ersten drei Kantaten. Mehr als ergänzt wurden sie dabei durch die Sängerinnen Lara Rieken (Sopran) und Nora Steuerwald (Alt) sowie den Sängern Julian Prégardien (Tenor) und David Pichlmaier (Bass).


Cäcilienchor Frankfurt und Neue Hofcapelle Frankfurt
alle weiteren Fotos: H.boscaiolo

Ein ausgedehntes Wanderoratorium

Bekanntlich besteht das Bachsche (1685-1750) Weihnachtsoratorium BWV 248 (1734/35) aus sechs Kantaten und war vom Komponisten ursprünglich als „Wanderoratorium“ in verschiedenen Kirchen zwischen dem 1. Weihnachtsfeiertag und Epiphanias, am 06,01., gedacht. 

Gerade wegen seiner Monumentalität, denn es dauert insgesamt gut drei Stunden, ist es wohl erst einmal für fast einhundert Jahre in Vergessenheit geraten, bzw. in der Schublade gelandet, ehe es 1857, auch unter Mithilfe von Felix Mendelssohn Bartholdy, wiederentdeckt und nach seiner Aufführung durch die Singakademie Berlin, am 17.Dezember 1857 in der Neuen Wache Berlin, zum beliebtesten Oratorium der Weihnachtszeit avancierte.


Die Form macht´s

Im eigentlichen Sinne ging und geht es dabei um die Form der Aufführung und weniger um die musikalische Qualität. So kann man es in kleinster bis zu größter Besetzung aufführen (am gestrigen Abend galt die mittlere Besetzung); mal kann man nur die ersten drei Kantaten (I - III) aufführen (hier wird die Geburt Jesu behandelt vom ersten bis zum dritten Weihnachtstag), man kann es ergänzen durch die VI. („Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“, das Fest der Erscheinung des Herrn am 06. Januar), man kann auch alle sechs (I - VI) vollständig aufführen, was heute allerdings sehr selten geschieht.

Die Entscheidung für die ersten drei Kantaten liegt quasi auf der Hand, denn sie beschreiben die drei Weihnachtsfeiertage (die Geburt Jesu, die Verkündung des Engels an die Hirten, der Besuch der Krippe und die Anbetung), bilden ein geschlossenes Finale und dauern, wohl das Entscheidende, lediglich 90 Minuten. Niemand wird überfordert und die Freude an der Musik dominiert.

v. l. vorne: David Pichlmaier, Lara Rieken, Johannes Antoni (Mitte)
Julian Prégardien, Nora Steuerwald,
Chor und Orchester  

Parodie und Fremd-Anleihen

Die Aufführung beginnt mit dem groß angelegten Eingangschor, „Jauchzet, frohlocket …“ , gewaltigem Tutti und schmetternden Pauken und Trompeten. Man wird unmittelbar in das Geschehen einbezogen. Ein Dramma per musica, das ursprünglich als Glückwunsch-Kantate an das Sächsische Königshaus gedacht war.

Bekanntlich hatte Bach kein Problem damit, andere seiner oder auch fremder Kompositionen zu parodieren, was vor allem für einige Arien und Chorpartien zu trifft. So erklingt gleich im Choral „Wie soll ich dich empfangen“ (erster Teile) die Melodie von O Haupt voll Blut und Wunden von Hans Leo Haßler (1564-1612) aus dem Jahre 1601. Eigentlich ein Lied aus der Karwoche vor Ostern. Hier wird es allerdings dahingehend gedeutet, dass mit der Menschwerdung Christi auch die Leiden beginnen, oder: Bei der Krippe wird gleich an das Kreuz erinnert.

Auch textlich hält sich Bach nicht unbedingt an die Lukas-Evangelien, wie angegeben, sondern verwendet auch Texte von Paul Gerhard (1607-1676), vier Chöre stammen von ihm, Dichtungen von Johann Rist (1607-1667), wie beispielsweise „Brich an oh schönes Morgenlicht“ (II. Teil), oder auch Texte von Martin Luther, allerdings in Teil V.


v. l. vorne: David Pichlmaier, Lara Rieken, Johannes Antoni (Mitte)
Julian Prégardien, Nora Steuerwald,
Chor
und Orchester  

Ein geschlossenes Ganzes

Es findet ein Wechsel von Chören (sie repräsentieren das Volk), Solopartien (der Tenor ist gleichzeitig Evangelien Erzähler und Hirtenverkünder, die Sopranistin verkörpert die Engel, Bass und Alt mimen die Hirten) und Orchestereinlagen (Sinfonias alias Intermezzi) statt. 

Die drei Teile des Weihnachtsoratoriums bilden insgesamt ein geschlossenes Ganzes im fröhlichen D-Dur, was auch durch das da capo des Eingangschors des III. Teils „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen …“ im Finale dokumentiert ist. 

Interessant auch hier das parodistische Verfahren, denn dieser Jubelgesang, wieder mit Pauken und Trompeten Untermalung, stammt aus der bereits genannten Glückwunsch Kantate an das Königshaus. Sein ursprünglicher Text lautet sinnigerweise : „Blühet ihr Linden in Sachsen, wie Zedern …“.

Cäcilienchor mit leichten Schwächen

Insgesamt war es wieder einmal ein beeindruckende Vorstellung des Weihnachtsoratoriums, wenngleich der Cäcilienchor vor allem bei den Männerstimmen leichte Schwächen erkennen ließ. So gelang unter anderem der schwierige Eingangschor des III. Teils: „Herrscher des Himmels …“ ein fugierter sehr figurativer Chorgesang, nicht immer überzeugend. 

Der sehr motivierende und jugendlich auftretende Dirigent, Johannes Antoni, hatte hier alle Hände voll zu tun, das komplexe Klanggebilde zusammenzuhalten. Allerdings konnten die Kirchen-Choräle: „Wie soll ich dich empfangen … “, „Brich an, o schönes Morgenlicht ...“, oder „Wir singen dir in deinem Heer ...“ eine augmentierte Fassung von: „Wie soll ich dich empfangen ...“, absolut zufriedenstellen.


v. l.: David Pichlmaier, Lara Rieken, Johannes Antoni,
Nora Steuerwald, Julian Prégardien, 
Chor
und Orchester  

Brillante Solisten

Dagegen glänzten die Solisten. Allen voran, Julian Prégardien. Sein Tenor, deklamatorisch als Evangelist, lyrisch arios in seiner Da-capo-Arie: „Frohe Hirten, eilt, ach eilet ...“, eine Koloratur mit höchsten Ansprüchen in Begleitung einer Flöte (Leá Villeneuve), war ein Glanzpunkt dieser Vorstellung. Dabei wurde er, wie alle anderen Solisten auch, brillant durch Secco und Accompagnato der Instrumentalisten begleitet.

Wunderbar auch der Mezzosopran von Nora Steuerwald. Ihre Stimme war klar akzentuiert, ohne Vibrato und von warmer Strahlkraft. Bei David Pichlmaier, seit vielen Jahren Ensemblemitglied des Staatstheaters Darmstadt, hörte man seinen dramatischen Impetus heraus. In den Höhen, eigentlich ist er ein heller Bariton, wunderschön und kraftvoll anzuhören, in den Tiefen allerdings eher gepresst bis gehaucht. 

Das Duett mit der Sopranistin Lara Rieken – sie hatte lediglich zwei Partien zu singen, und die waren ausdrucksstark und ihrer Rolle als Engelsverkünderin absolut angemessen – „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen ...“ (III. Teil) wollte nicht so recht harmonisch zusammenkommen. Pichlmaier dramatisch mit sonorer Lautstärke, Rieken dagegen hell, lyrisch in sanfter Tonlage. Ein etwas zu großer Kontrast.


v. l.: Johannes Antoni, David Pichlmaier, Julian Prégardien,
Nora Steuerwald, Lara Rieken,  
Chor
und Orchester  


Perfekte Einstimmung in die Weihnachtstage

Die Neue Hofcapelle Frankfurt spielte nicht historisch orientiert, sondern, abgesehen von der Stand-Orgel und dem Cembalo, auf modernen Instrumenten. Das aber ausgewogen und vor allem in den Accompagnato-Stellen (herausragend hier die 1. Geigerin Carolina Ehret und Johannes Berger am Violoncello) sehr an die Stimmen der Solisten angepasst. 

Großes Lob auch an den Gastdirigenten, Johannes Antoni, der seine Debüt in Frankfurt mit Übersicht und vor allem mit Freude und Motivation meisterte.

Insgesamt eine runde, stimmige Interpretation des Bachschen Weihnachtsoratoriums und vor allem eine meisterhafte Einstimmung in die Weihnachtstage. Raus aus der Konsum-Hektik, der Existenzängste und des Krisengedöhns, rein in die Freude der Menschwerdung Christi: „Lasset das Zagen, verbannet die Klage, stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!“


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen