4. Kammerkonzert, Klaviertrios mit Antje Weithaas (Violine), Marie-Elisabeth Hecker (Violoncello) und Martin Helmchen (Klavier), Alte Oper Frankfurt, 16.01.2025 (eine Veranstaltung der Frankfurter Museums-Gesellschaft e. V.)
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Marie-Elisabeth Hecker, Martin Helmchen (Foto: Harald Hoffmann) |
Alles abverlangt
Drei Künstler haben sich zusammengefunden, wie es sich kaum besser fügen kann. Der Pianist Martin Helmchen mit seiner Ehefrau Marie-Elisabeth Hecker am Violoncello, sowie deren Freundin und musikalische Begleiterin, Antje Weithaas, an der Violine. Die drei haben sich für diesen Abend ein Programm der Superlative vorgenommen, das sowohl technisch, musikalisch wie auch vom Hörer dieser Monumentalwerke alles abverlangt.
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Antje Weithaas (Foto: Website) |
Zwei Ausnahme Klaviertrios
Es ist das erste der beiden Klaviertrios von Franz Schubert (1797-1828), sein op. 99 (D 898) in B-Dur, das er ein Jahr vor seinem viel zu frühen Tode schrieb, und das vieles aufnahm und fortentwickelte, was er bereits in seinen Streichquartetten, seinem Forellenquintett, aber auch seinen Klaviersonaten vorweggenommen hatte.
Als zweites dann das einzige Klaviertrio von Peter Tschaikowsky (1840-1893), sein op. 50 in a-Moll (1882), das der Komponist, eigenen Aussagen zufolge, erst gar nicht schreiben wollte, weil ihm die Klangfarbe der drei Instrumente missfiel. Seine Meinung, auf Bitten seiner Mäzenin Nadeshda von Meck und dem plötzlichen Tod seines Freundes und Gönners Nikolai Rubinstein im Jahre 1881, aber änderte, und dem Verstorbenen ein monumentales Werk von fast 50 Minuten Dauer schrieb, das er mit der Widmung versah: „À la mémoire d´un grand artiste.“
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v. l.: Martin Helmchen, Marie-Elisabeth Hecker, Antje Weithaas, Foto: H.boscaiolo |
Eine zürnende Himmelserscheinung
Schuberts Klaviertrio hat monumentale Ausmaße, ist viersätzig angelegt und erregte zur damaligen Zeit höchstes Aufsehen. Man verglich es mit einer „zürnenden Himmelserscheinung“ und selbst Robert Schumann betrachtete es als „teures Vermächtnis“ von „eigentümlichstem Ausdrucksgehalt“.
Tatsächlich wurde es erst 1836 von Anton Diabelli verlegt (er nannte es: Premier grand Trio) und zu Lebzeiten des Komponisten am 28.01.1828 lediglich auf einer privaten Schubertiade bei seinem Freund Joseph von Spaun (1788-1865) mit Franz Schubert am Klavier, Ignaz Schuppanzigh (1776-1830) an der Violine und Joseph Linke (1783-1837) am Violoncello uraufgeführt.
Nachdenklich – inkommensurabel
Die drei Instrumentalisten, Antje Weithaas (*1966), Marie-Elisabeth Hecker (*1987) und Martin Helmchen (*1982) hatten zunächst einige Abstimmungsschwierigkeiten. Das Klavier klang zu laut und ein wenig blechern, während die beiden Streicherinnen um ihr akustisches Gehör kämpften. Dann aber, spätestens in der Durchführung des Kopfsatzes, hatte man sich warm gespielt und die klangliche und dynamische Abstimmung verbesserte sich hörbar.
Vor allem der erste Satz, der doch in Thematik und Agogik zeitweise an das berühmte Forellenquintett von 1819 erinnert, glänzt durch permanente Tonartenwechsel in entfernte tonale Bereiche, wunderbare Kantilenen, innovative Chromatik und heroischem wie lyrischen Duktus. Der Höhepunkt, die triumphale Coda nimmt noch einmal das Seitenthema auf, bricht aber im dreifachen forte unversehens ab, um in melancholischer Geste den Satz zu beenden. Es bleibt viel Nachdenkliches und tatsächlich Inkommensurables.
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v. l.: Antje Weithaas, Marie-Elisabeth Hecker, Martin Helmchen Foto: H.boscaiolo |
Scharf und gallig
Auch das folgende Andante, eine lyrische Kantilene, wunderbar von der Cellistin eingeleitet, von der Geige kanonisch weitergeführt und vom Klavier modulierend fortgesponnen, erinnert doch weitgehend an Schuberts Es-Dur Messe (1828) sowie an dessen Liederzyklen wie Schwanengesang und die Die schöne Müllerin, und auch das besagte Forellenquintett. Hier finden die Drei zu ihrer vollen Ausdruckskraft und hervorragender Farblichkeit.
Das Scherzo, bissig und kontrapunktisch angelegt, lässt die Drei bestens harmonieren. Sie strotzen hier vor Spielfreude. Hervorragend hier vor allem die beiden Streicherinnen, die, neben extremen Akzentuierungen, auch scharf und mitunter gallig daherkommen.
Ein ausgedehntes sinfonisches Klangfarbenspiel
Das abschließende Rondo Allegro vivace ist eigentlich gar keins. Ja, es ist ein Tanz, von der ersten Geige intoniert und virtuos von Klavier und Geige verarbeitet. Aber die A-B-A-C-A-B-A Rondo-Folge bleibt aus. Eher folgt auf die sich wiederholende Thematik eine lange komplexe Durchführung mit Ländler-, Marsch- und Tremolo-Einlagen in allerlei rhythmischen und metrischen Wechseln. Eine Farbenpracht zwischen pianissimo und dreifachen Forte endet scheinbar in einer klassischen Coda, die allerdings wiederum bei einem Decrescendo noch einmal Luft holt, um dann in einer wilden Stretta das Ende vollzieht.
Ein langes, von endlos Melodien, ausschweifenden Themenblöcken und kreisender Wiederkehr liedhafter Passagen durchzogenes Klangfarbenspiel mit außergewöhnlicher sinfonischer Qualität. Ein Werk, das scheinbar erratisch, unregelmäßig, ziellos oder auch unvorhersehbar erscheint, aber auch tief in die Seele des Komponisten blicken lässt. Ein letztes großes Werk eines viel zu früh verstorbenen Genies.
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Mozart Saal, Alte Oper Frankfurt Foto: H.boscaiolo |
Krasses Umdenken
Peter Tschaikowsky Klaviertrio a-Moll op. 50 (1882) gehört, wie das von Schubert, zu den Monumentalwerken ihrer Gattung. Auch hier eine fast 50-minütige zweisätzige Komposition, die, im Gegensatz zu Schuberts Motivation, eigentlich eher aus Verlegenheit entstanden ist, zumal man weiß, dass Tschaikowsky die Verträglichkeit von Cello, Geige und Klavier bezweifelte. Ihre Klangfarben, so der Komponist, seien unharmonisch und widerstrebten seinen Gefühlen.
Ein langer Brief an seine Mäzenin Nadeshda von Meck im Jahre 1880, die ihn um ein Klaviertrio bat, belegt seine Abneigung in eindeutiger Weise. Umso krasser dann sein Umdenken im Zusammenhang mit dem plötzlichen Tod seines Freundes und Gönners, Nikolai Rubinstein (1835-1881), dem er dann sein doch einziges Klaviertrio mit den bekannten Worten: „À la mémoire d´un grand artiste!“ widmete.
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Martin Helmchen, Marie-Elisabeth Hecker Foto: Website |
Eine sinfonische Pathétique
Gleich der erste Satz erhält die Bezeichnung Pezzo elegiaco (Elegie Stück) und lässt keinen Zweifel einer Pathétique in sinfonischer Manier aufkommen. Ein düsterer Satz mit Trauermarsch im Finale. Allerdings wird hier das Klavier extrem gefordert. Virtuose Passagen, die Helmchen nicht immer gelingen: Typische Figurationen, die man in seinen Klavierwerken aber auch Klavierkonzerten immer wieder zu hören bekommt. Brillant dagegen die beiden Streicherinnen, Weithaas und Hecker, von denen lang andauernde Arpeggien zur musikalischen Untermalung der Klavierpartien abverlangt werden.
Der Satz baut sich zu einem triumphalen Klangwerk auf, – ein Orchester wäre hier angebracht – um dann in einem melancholischen Abgesang zu enden.
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Antje Weithaas (Foto: Giorgio Berlazzi) |
Episodische Erzählungen
Der zweite Satz unterteilt sich in zwei Abschnitte A und B, besteht aus einem Thema mit Variationen, gleich elf davon, und endet im B-Teil mit einer zwölften Variation, allerdings in klassischer Sonatenform.
Gleich zu Beginn leitet das Klavier die Variationen mit einer 16-taktigen russischen Melodie ein, ein wenig an das Rokoko Thema aus Tschaikowskys Cellokonzert erinnernd. Man steigert sich über elf Variationen, die achte ist eine Fuge von außergewöhnlicher Komplexität, ein Walzer und eine Mazurka gehören ebenfalls dazu, bis zur elften, die in einem moderaten Tempo, mit Dämpfer und Piano Begleitung des Klaviers, in den B-Teil mündet, eine quasi zwölfte Variation, die allerdings einen ganz eigenen Charakter erhält.
Hier wird es nicht allein virtuos und orchestral, sondern auch höchst eigenwillig. Man behauptet, Tschaikowsky habe vor allem Episoden aus dem Leben seines Freundes Rubinsteins geschildert. Auch seien hier Erinnerungen aus einer Soirée in Moskau 1873 mit Rubinstein und ihm persönlich verarbeitet worden.
Das Werk endet final in einem ausgedehnten Trauermarsch, düster und hoffnungslos.
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v. l.: Martin Helmchen, Marie-Elisabeth Hecker, Antje Weithaas Foto: H.boscaiolo |
Nicht sein bestes Werk
Alles in allem gehört dieses Klaviertrio nicht zu den besten des Meisters. Die technischen Anforderungen sind enorm, die klangliche Abstimmung ist zwar orchestral gedacht, aber als Trio kaum zu verwirklichen. Der Klavierpart ist mörderisch, aber man hat auch den Eindruck, nicht allzu Trio-dienlich. Bekanntlich änderte Tschaikowsky viele Male diese Komposition, war sie ihm doch in vielen Bereichen selbst zum Problem geworden. Dazu gehörten vor allem das Finale des zweiten Satzes, aber auch einzelne Variationen.
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v. l.: Antje Weithaas, Martin Helmchen, Marie-Elisabeth Hecker Foto: H.boscaiolo |
Hörenswert allemal
Das Trio Weithaas – Hecker – Helmchen gaben ihr Bestes, aber konnten natürlich nicht besser sein als die Komposition. Auch merkte man ihr Bemühen. Freies Spiel ist anders.
Ein sehr lehrreicher Abend in Sachen Klaviertrios. Ein Enigma in vielen Bereichen, aber auch, weil selten aufgeführt, eine gewaltige Bereicherung des Hörens. Dazu ein wirklich hörenswertes Klaviertrio. Der Beifall war freundlich und herzlich.
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