Samstag, 8. Februar 2025

Rembrandts Amsterdam im Spiegel der Musik mit Lucie Horsch (Blockflöte) und Thomas Dunford (Laute), Alte Oper Frankfurt, 07.02.2025 (eine Veranstaltung der Frankfurter Bachkonzerte e. V.)

Lucie Horsch (Foto: Simon Fowler)

Goldene Zeiten? Goldene Zeiten ...

Ein gelungener Versuch, die aktuelle Rembrandt Ausstellung im Frankfurter Städel unter dem Titel: „Rembrandts Amsterdam. Goldene Zeiten?“ mit der Musik dieser Zeit zu verknüpfen. Amsterdam zu Zeiten von Rembrandt van Rijn (1606-1669) war bereits eine Handelsmetropole von nahezu 200.000 Einwohnern, so zumindest meint es Dr. Corinna Gannon, die Co Kuratorin der Ausstellung, im Einleitungsgespräch des Konzerts. 

Mit einigen Fotos aus der Städel Ausstellung und einem erhellenden Hintergrund-Vortrag erläutert sie Aufstieg und Fall des damals weltbekannten Malers und ordnet sein Werk in die politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten dieser Zeit ein. 

Amsterdam war reich und arm zugleich. Die Regenten der Stadt hatten, trotz 30-jährigem Krieg und parallelem 80-jährigem Krieg zwischen Spanien und den Niederländern, die beide im Jahre 1648 ihr vorläufiges Ende nahmen, Zeit und Muße, sich porträtieren zu lassen und für die Ewigkeit auf der Leinwand zu präsentieren.


Dr. Corinna Gannon beim Vortrag. Gemälde im Hintergrund:
Amsterdam 1656 (Foto: H.boscaiolo)

Aufstieg und Fall eines Meisters

Gleichzeitig aber zeigen die Gemälde des Meisters, der einer großen Werkstatt von mehr als 20 Mitarbeitern vorstand, die sozialen, politischen und ganz intimen Widersprüchlichkeiten dieser Zeit, die einen kritischen Blick auf die damalige Gesellschaft ermöglichen. Das Beispiel des Malers scheint hier von besonderer Aufmerksamkeit zu sein, denn gerade er erlebte Aufstieg, gefeierte Berühmtheit, finanzielle Nöte und schließlich die Insolvenz und Altersarmut am eigenen Leib.


Dr. Corinna Gannon beim Vortrag. Gemälde im Hintergrund:
Rembrandt Selbstbildnisse, 1653-1655
Foto: H.boscaiolo

Zuversicht nach all den Kriegsjahren

Kommen wir an dieser Stelle zur Musik des Konzertabends in dem sehr gut besetzten Mozart Saal der Alten Oper. Die beiden Musiker, Lucie Horsch (*2001) an der Blockflöte und Thomas Dunford (*1988) an der Laute, hatten insgesamt 15 Werke in ihrem Zauberkasten des Frühbarock mitgebracht, wobei man bemerken muss, das lediglich drei der angesagten Zeitgenossen Rembrandts, nämlich Jacob van Eyck (c.1590-1657), Dario Castello (1602-1631) und Francesca Caccini (1587-1640), zu den Lebensdaten des Holländers passten. 

Alle anderen waren nach 1669, dem Todesjahr Rembrandts, geboren. Aber das ist völlig egal. Zeigte doch die Musik anschaulich ihre Lebensfreude und Zuversichtlichkeit nach all den Kriegsjahren.


Thomas Dunford (Foto: Julien Benhamou)

Blockflöte und Laute?

Wer denkt in diesem Zusammenhang an lediglich zwei Instrumente, die Blockflöte und die Laute? Zwei Instrumente, die eigentlich ein Schattendasein führen, hat doch im Laufe der Jahrhunderte die Traversflöte bzw. Querflöte und die Gitarre, bzw. andere Zupf- und Streichinstrumente, die beiden Instrumente völlig in den Hintergrund gedrängt. Selbst Johann Sebastian Bach (1685-1750), von dem drei, allerdings bearbeitete Werke auf dem Programm standen, neigte in seiner Schaffenszeit zur Querflöte und ließ die Theorbe bzw. die Laute mehr ein Schattendasein führen.


Lucie Horsch, Thomas Dunford
(Foto: H.boscaiolo)

Magiere auf Saiten und Flötenlöcher

Insgesamt waren es, wie gesagt, 15 kleinere und größer Stücke, von der Affekten reichen Sonata Seconda des Dario Castello, oder der suitenhaften Sonate terza g-Moll aus der Hand des Unico Wilhelm von Wassernaer (1692-1766) – übrigens ein einflussreicher Adeliger, der nur nebenbei komponierte und das oft unter Synonymen. Bekanntlich verarbeitet Igor Strawinsky seine Musik in seiner berühmten Pulcinella-Suite – bis zu herrlichen Bearbeitungen aus Bachs Präludium für Violoncello (BWV 1007), seiner Gigue aus der Partita Nr. 3 (BWV 1006), oder seiner Suite c-Moll (BWV 997). Bearbeitungen für Laute und Blockflöte, die es in sich hatten. Denn absolut bemerkenswert, was die beiden Magiere auf ihre Saiten und die Flötenlöcher zauberten.


Lucie Horsch, Thomas Dunford
(Foto: H.boscaiolo)

Blindes Verstehen

Unfassbar ihre Empathie, ihre technische Versiertheit und vor allem ihr harmonisches Zusammenspiel. Man war an eineiige Zwillinge erinnert. Beide verstanden sich blind, spielten große Passagen ihres Vortrags auswendig und sprühten vor Freude an den teils doch verzwickten Figuren, Verzierungen und Ausschmückungen.

Kurzweilig gestaltet war das Programm ohnehin, denn jedes Stück hatte seinen eigenen Charakter. So auch das von van Eyck komponierte Buffons, wie sein Engels Nachtegaeltje (Nachtigallenlied), Stücke aus seiner Blockflötensammlung, die der von Geburt an Blinde in den Jahren 1644 bis 1654 schrieb und veröffentlichte. Daran anschließend das von François Couperin (1668-1733) stammende „Le Rossignol en Amour“ (die verliebte Nachtigall), ein Gedicht an Gesang und moderner Improvisation.


Lucie Horsch, Thomas Dunford
(Foto: H.boscaiolo)

Gesang und Improvisation pur

Man steigerte sich zum Schluss, sang eine Canzonetta von Francesca Caccini (1587-1640), wobei die warme Mezzosopran Stimme von Lucie Horsch hervorstach (immerhin sang sie sieben Jahre ihres noch jungen Lebens im weltbekannten Nation Children´s Choir Amsterdam). Aber auch die Tenor Stimme ihres Kompagnons war nicht zu verachten.

Unglaublich das Finale mit der fünfteiligen Sonate d-Moll von Anne Dancian Philidor (1681-1728), mit zwei Fugen von ungeheurer technischer Schwierigkeit (immerhin musste man einmal neu beginnen, absolut sympathisch und professionell) und zum Abschluss von Marin Marais (1656-1728) variative Couplets de Folies (verrückte Verse) von einem Ausbund an Virtuosität und Einfallsreichtum der Beiden. Wie zwei Jazzmusiker steigerten sie sich von Improvisation zu Improvisation. Leicht, spritzig und vor allem von einer ansteckenden Spielfreude.


Lucie Horsch, Thomas Dunford
(Foto: H.boscaiolo)

Kunst bleibt lebendig und inspirierend

Fast zwei Stunden beste Unterhaltung auf höchstem musikalischem Niveau. Ähnlich vielleicht der Qualität eines Rembrandts, dessen Gemälde ohne Frage das goldene Zeitalter der Niederlande widerspiegeln, wenn auch mit Fragestellungen. Dennoch, die Kunst dieser Zeit bleibt bis heute lebendig und inspirierend. So auch die Musik. 

Wer kennt schon einen Jacob van Eyck, einen Dario Castello, einen Unico Wilhelm von Wassernaer, eine Francesca Caccini, einen Anne Dancian Philidor oder einen Marin Marais? Alle aber haben gemeinsam, ihre Zeit mit zeitgenössischer Musik belebt und erfreut zu haben. Den beiden Künstlern des Abends: Lucie Horsch und Thomas Dunford ist es zu verdanken, dass ihre Musik auch heute lebendig bleibt. Und wie!


Lucie Horsch, Thomas Dunford
(Foto: H.boscaiolo)

Berückende Atmosphäre

Ihre Zugaben, zwei Songs der Beatles, Blackbird und Yesterday (ein Faible von Thomas Dunford), gaben dem Abend noch einmal einen klanglichen Höhepunkt. Beide sangen mit herrlicher Stimme die Songs bei Beteiligung des Publikums (auch hier waren gute Stimme herauszuhören). Eine Stimmung von tiefer Anteilnahme und berückender Atmosphäre. Man sang aus dem Publikum leise, bedächtig fast schon vergeistigt. Ein wunderschöner Abschluss, wie selten bisher erlebt.

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