Mittwoch, 26. März 2025

Michael Wollny Trio, Alte Oper Frankfurt, 25.03.2025

Michael Wollny Trio
v. l.: Tim Lefebvre, Michael Wollny, Eric Schaefer
Foto: Jörg Steinmetz
Mehr als eine Institution

Der Pianist und Entertainer Michael Wollny (*1978) und seine Mitstreiter Tim Lefebvre (*1968) am Kontrabass sowie Eric Schaefer (*1976) am Schlagzeug sind bereits eine internationale Institution, oder besser: „The most exciting piano trio in Europe“, wie es die London Times bereits 2014 feststellte.

Allerdings, und das ist auch zu bemerken: In dieser personellen Konstellation sind die Drei wohl erstmals in der Alten Oper Frankfurt aufgetreten. Das letzte Mal 2022 zwar in der Filmuntermalung des legendären Nosferatu Streifens als Michael Wollny Trio, nur ohne die beiden genannten, und ansonsten immer mit anderen Begleitern, oder Solistisch. Bestens in Erinnerung noch sein Klavierduo mit Joachim Kühn, ebenfalls einer der weltbesten Jazzpianisten, im Januar sowie sein Soloauftritt Mondenkind, im April 2023. Zwei Sternstunden der Jazzgeschichte.

Also, irgendwie doch auch eine Art Premiere der drei Jazzkoryphäen in der Frankfurter Alten Oper (?!), und das im vollbesetzten Großen Saal.


Michael Wollny Trio
v. l.: Michael Wollny, Tim Lefebvre, Eric Schaefer
Foto: Wonge Bergmann

Schlafwandlerisches Verständnis

Locker und völlig entspannt betraten die drei die rot-blau-metallic beleuchtete Bühne, und nach knapper Vorstellung seiner Mitstreiter, Eric Schaefer und Tim Lefebvre, beginnt Michael Wollny mit einem langen, ausgedehnten One-finger-Play. In zunächst leisem Ton folgen der Bassist mit elektronisch unterlegten Grooves und der Schlagzeuger mit lockeren typisch-jazzigen Beats. 

Die Stimmung baut sich auf, Wollny kommt in Fahrt, baut Freestyle-Passagen ein, beginnt im wahrsten Sinne virtuos gedankenreich zu fabulieren, worauf Bassist und Perkussionist wie schlafwandlerisch angepasst reagieren.


Michael Wollny Trio
v. l.: Michael Wollny, Tim Lefebvre (Foto: H.boscaiolo)


Ein Kaleidoskop der jazzigen Vielfalt

Wollny ist ja bekannt für seine musikalische Stilvielfalt, seinen Einfallsreichtum, seine Wechsel zwischen Harmonik und freier bis atonaler Spielweise. Dazu gehören auch die Anlehnungen an barocke Kontrapunktik, der Rückgriff auf die Kantilenen und Balladen des Mittelalters, aber auch Bezüge zum Rock-Pop der Moderne wie auch technische Anleihen an die Verschleierung, Schwebe und atmosphärischen Klangfarbenmusik, die den musikalischen Impressionismus charakterisieren.

Eine Stunde lang präsentierte das Trio insgesamt ca. 16 Stücke aus ihrer Erinnerungskammer zwischen Melodie und Free, Choral und Ostinato, Trillerpassagen und leichtgängigen virtuosen Einschüben. Selten dabei sind ausgedehnte Soloeinlagen und langatmigen Improvisationen. 

Mal Bluesig, im Stil eines Duke Ellington oder Count Basie, dann wieder Debussyische Pentatonik mit heftigen Clustern garniert, mal hymnisch, mal rufend wie Posaunenfanfaren, dann wieder nach innen gekehrt im pianissimo, um gleich wieder rockig aggressiv von heftigem Stakkato begleitet auszurasten. Ein Kaleidoskop der jazzigen Vielfalt in reinem Fluss und ohne wirkliche Brüche.


Michael Wollny Trio
v. l.: Michael Wollny, Tim Lefebvre, Eric Schaefer
Foto: H.boscaiolo

Elektronisch erweiterte Farbigkeit

Die Farbigkeit der Klänge wurde durch elektronische Verfremdung des Klaviers, verbunden mit einem modularen Synthesizer, und vor allem durch Soundtrack-Untertöne des Bassisten, der durch seinen Hardrock Stil auffiel, wie die perkussiven einfallsreichen Elemente des Schlagzeugers (viel Arbeit mit Streichen, Klopfen und Reiben seiner Trommeln, Becken und Snares) verstärkt und sinnvoll erweitert (nicht von ungefähr dankte das Trio ausgiebig seinen Helfern hinter den Kulissen).


Ich weiß nicht, was passieren wird“

Nach einer kurzen Ansprache, Wollny erzählte, dass sie bereits 13 Jahre zusammen spielten, ein riesiges Repertoire aufgebaut und sich deshalb entschlossen hätten, keine Setlist (Abendprogramm) mehr anzubieten, verwies er auf ihr neuestes Album, „Living Ghost“ (eine Fortsetzung von Ghost aus dem Jahre 2022) die erst seit drei Wochen auf dem Markt und wärmstens zu empfehlen sei.

Dann leitet er zum zweiten Teil des Konzertabends über und meint lapidar: „Ich weiß nicht was passieren wird. Lassen Sie sich überraschen.“

Wieder folgt ein Mix aus mindestens fünf Abschnitten, darunter ein herrliches Klangfarbenspiel mit elektronischen Einlagen des Bassisten, der die Saiten seines Instruments mit einem Metallstab bearbeitet, dazu viel Maurice-Ravel-orientierte-Tonfolgen des Pianisten mit Freestyle-Einlagen im Stile eines gewissen Extrem-Avantgarde Pianisten, Cecil Taylor (1929-2018), und ein kurzes, dafür knackiges Solo des wirklich vielseitigen und ausgezeichneten Drummers, Eric Schaefer. Eine der wenigen Zwischenapplaus-Szenen des Abends, was vor allem daran lag, das die drei überhaupt keine Zeit dazu ließen.

Der Höhepunkt dieser Session war ein Finale im Fünf-viertel Takt, wer denkt da nicht an Dave Brubecks Take Five, und einem hammerharten Cluster Abschluss.


Michael Wollny Trio
v. l.: Michael Wollny, Tim Lefebvre, Eric Schaefer
Foto: H.boscaiolo

Mit ausgedehnten Akkordfolgen ins Nirwana

Das Publikum brüllte begeistert. Ein Zugabe war irgendwie Pflicht, und Wollny ließ sich nicht lange bitten – allerdings nicht, bevor er allen seinen Helfern ausführlich gedankt und alle mit Namen genannt hatte.

Eine sechstönige Motivfolge mit Doppelanschlägen, ganz klassisch oder besser barock, schmückte er nochmals improvisatorisch aus, wobei seine perfekten Mitstreiter, Tim Lefebvre und Eric Schaefer, solistisch auch zum Zuge kamen, und ließ das Stück Ohne Namen mit sensationell ausgedehnten Akkordfolgen langsam im Nirwana ausklingen. 

Ruhet sanft! wollte er wohl damit sagen und verabschiedete sich mit einem: „Macht´s gut und bis zum nächsten Mal.“



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