Schumann Kammermusikpreis Frankfurt 2025, Finalrunde mit Bernstein Trio, Elster Trio und Paddington Trio, Alte Oper Frankfurt, 13.03.2025 (ein Wettbewerb, zum fünften Mal ausgerichtet von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt in Kooperation mit der Robert Schumann Gesellschaft und der Frankfurter Museumsgesellschaft)
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Foto: H.boscaiolo |
Drei hochkarätige Klaviertrios in der Finalrunde
Drei von insgesamt neun Klaviertrios haben es, nach zwei sehr hart umkämpften Wettbewerbstagen am 11. und 12. 03. in der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt (HfMDK), in die Finalrunde geschafft.
Die Akteure dürfen nicht älter als 32 Jahre sein und lediglich die formalen Bedingungen in einer Video-Vorauswahl erfüllt haben. Außerdem sind Werke von Beethoven, Brahms, Mendelssohn Bartholdy und zusätzlich ein Werk aus einer modernen Epoche, möglichst nach 1980 geschrieben, vorausgesetzt. Seit 2008 besteht dieser Wettbewerb und wurde in diesem Jahr zum fünften Mal ausgetragen.
Wie gesagt, drei der insgesamt auf höchstem Niveau vorgestellten Trios sind von den fünf Jurymitgliedern für die Finalrunde vorgeschlagen worden, und deren Auftritte hatten es wahrlich in sich.
Schwierige Beratung
Die Jurymitglieder setzten sich aus Spezialisten und erfahrenen Ensemblespielern zusammen, darunter Angelika Merkle von der HfMDK, die dort als Professorin für Klavierkammermusik tätig ist, Stefan Heinemeyer, Cellist im Atos Trio, Martin Funde, erster Geiger im Armida Quartett, Heime Müller, Professor für Violine in Lübeck sowie Bart van de Roer, der als Professor an der Düsseldorfer Musikhochschule für das Klavier zuständig ist. Fünf Hochkaräter also, die es sich wahrlich nicht leicht bei der abschließenden Preisverleihung machten, zumal deren Beratung immerhin fast eine Stunde dauerte und (leider) die meisten Zuschauer und Zuhörer bereits die Heimreise angetreten hatten.
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Bernstein Trio, v. l.: Marei Schibilsky, Julia Stephan, Roman Tulchynsky Foto: H.boscaiolo |
Das Bernstein Trio
Kommen wir ins Detail. Wohl nach einem Losverfahren musste das Bernstein Trio die Schlussrunde im mäßig besuchten Mozart Saal der Alten Oper Frankfurt einleiten. Drei Youngsters, Roman Tulchynsky an der Violine, Marei Schibilsky am Violoncello und Julia Stephan am Flügel, alle drei in Berlin groß geworden und sich dort im Jahre 2022 als Bernstein Trio gegründet, boten Werke von Kelly Marie Murphy (*1964) Give me Phoenix Wings to Fly (1997) und von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) sein erstes Klaviertrio d-Moll op. 49 (1839).
Brillanter Phoenix
Hier ist nicht der Ort, die einzelnen Werke zu analysieren, sondern es geht vor allem um die musikalische Vorstellung, die Präsenz und Performance der Musikerinnen und Musiker.
Das Werk der Kelly Marie Murphy illustriert die mythische Figur des Phoenix, der sich aus der eigenen Asche zum Leben erhebt. Ein dreiteiliges relativ dicht gedrängtes, extrem expressives Werk mit den Übertiteln Feuer, Blinde Zerstörung und Wiederaufbau.
Das Trio verstand es prächtig, die Geschichte instrumental zu vermitteln, wobei die blinde Zerstörung eher einem Trauerspiel glich und der Wiederaufbau mit vielen metrischen Wechseln und minimalistischen Motivfolgen förmlich die glimmende Glut des Phoenix zum Feuer entfachte. Insgesamt brillant.
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Bernstein Trio (Foto: H.boscaiolo) |
Zu wenig Mendelssohn
Die Interpretation von Mendelsohns d-Moll Trios, ein viersätziges Werk, konnte nicht gänzlich überzeugen. Oft zu laut, es fehlten vor allem im Molto Allegro ed agitato die Nuancierungen, die Feinabstimmung, die Transparenz. Alles kam sehr breiig zu Ohren. Das Andante, ein Lied ohne Worte, ein Abschnitt für die Sologeige, blieb insgesamt blass, während das Scherzo mit starken Anklängen an den Sommernachtstraum sehr flott und expressiv gespielt, und das Finale, ein Allegro assai appassionato, doch wieder sehr dick daherkam. Kein wirklicher Mendelssohn möchte man meinen. Aber die Jury und das Publikum nahmen es wohl anders wahr.
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Elster Trio, v. l.: Jacopo Giovannini, Wassili Wohlgemuth, Davide Carlassara Foto: H.boscaiolo |
Das Elster Trio
Es folgte das Elster Trio mit Wassili Wohlgemuth, Violine, Davide Carlassara, Violoncello und Jacopo Giovannini, Klavier. Die drei haben sich als Klaviertrio im Jahre 2022 in Leipzig gefunden und studieren seit 2023 an der HfMDK Frankfurt bei den Jurymitgliedern Angelika Merkle und Heime Müller. Vielleicht ein kleines Geschmäckle?
Die drei Künstler hatten sich auf die Epoche des Impressionismus kapriziert und boten von der in Europa relativ unbekannten Amy Beach (1867-1944) ein Klaviertrio in a-Moll, op.150 (1938) sowie das einzige Klaviertrio in a-Moll (1914) von Maurice Ravel (1875-1937).
Perfektes Zusammenspiel
Auffallend bei diesem Trio war das perfekte Zusammenspiel der Streicher mit herrlichem Strich und das zurückhaltende Spiel des Pianisten. Ein wunderbares Hörerlebnis, zumal das Werk von Amy Beach in Vielem an Debussy erinnerte, aber auch von ausgesprochener Gesanglichkeit erfüllt war. In den USA eine bekannte Komponistin hinterließ sie mehr als 300 Werke in allen Gattungen, allerdings nur ein Klaviertrio.
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Elster Trio (Foto: H.boscaiolo) |
Ohne Makel
Ravels einziges Klaviertrio, viersätzig und ausgedehnt, schwebte zwischen schwerelosem Lied im ersten Satz, Moderé, und poetischer Deklamation im zweiten Satz, Pantoum genannt. Der dritte Satz eine barocke Passacaglia (Passacaille) beginnt im Bass des Klaviers, wandert durch alle Instrumente und endet in einem grandiosen Höhepunkt. Hier glänzte das Trio durch ausgesuchte Harmonie und wechselte quasi attaca ins finale Aimé, höchst virtuos im fünfviertel und siebenviertel Takt.
Grandiose Triller Passagen bis zum abschließenden Welterwachen, ein orchestraler Abschluss pittoresk voll glühender Farben. Perfekt, ohne Makel.
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Paddington Trio, v. l.: Patrick Moriarty, Stephanie Tang, Tuula Hero Foto: H.boscaiolo |
Paddington Trio
Den Abschluss, nach einer langen Pause, mittlerweile waren mehr als zwei Stunden vergangen, bildete das Paddington Trio mit Tuula Hero auf der Stradivari von 1707, Patrick Moriarty am Violoncello und Stephanie Tang am Flügel. Ein Trio infernale, das sich bereits 2020 gründete (der Name des Bären Paddington ist Programm).
Sicher, die drei Ausnahmekünstler haben bereits eine Menge internationale Preise abgeräumt und sich einen Namen in der Musikkulturszene erobert. So treten sie auch auf. Selbstbewusst, extravagant und schillernd.
No Business like Showbusiness
Sie verfügen bereits über ein umfangreiches Repertoire und hatten für das Finale ein hochspannendes Musikstück von Sam Perkin (*1985) Freakshow (2016) wie auch das zweite und letzte Klaviertrio e-Moll op.67 (1944) von Dmitry Schostakowitsch (1906-1975) mitgebracht.
Sam Perkin, in Irland geboren und zwischen Frankreich und seiner Heimat wechselnd, ist nicht allein Komponist, sondern auch Performer und Entertainer. Seine Musik changiert zwischen Klassik, Neuer Musik und Experiment. Seine Freakshow beginnt mit einem gefährlichen Grummeln vom Klavier, verbreitet sich auf die Streicher und fokussiert sich zu einem gestandenen Blues.
In sieben weiteren Abschnitten persifliert er den Walzer, verhöhnt den barocken Choral, mimt den Leierkastenmann, lässt sich auf den modern Jazz ein und funktioniert die Geige zur Gitarre, das Klavier zum Schlagzeug und das Cello zum Basso Continuo um. Eine eigenwillige Show der Gattungen und Stile, für das Trio allerdings mit allen möglichen und unmöglichen Techniken des modernen Streichermetiers gespickt.
Technisch anspruchsvoll und musikalisch spannungsgeladen bis in die letzte Faser. Herauszuheben sei auch die aus den USA stammende Pianistin, Stephanie Tang, die einfach alle und alles überragte. Sie könnte zu jeder Zeit auch als Solistin auftreten und mit den Größen der Welt mithalten.
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Paddington Trio (Foto: H.boscaiolo) |
Memento an einen Freund
Der Schostakowitsch sollte dann buchstäblich das Vorherige aus den Angeln heben. Der Komponist hat das Werk seinem früh verstorbenen Freund und Mitstreiter Iwan Sollertinski (1902-1944), einem Musikwissenschaftler und Programmgestalter, gewidmet. Die vier Sätze dokumentieren auch seine Betroffenheit.
So beginnt das Werk mit einem Trauermarsch, der in Fugenform (allerdings im Terzabstand) ausgearbeitet wird. Überhaupt wechseln im ersten Satz, der eigentlich ein Sonatenhauptsatz ist, mehrmals die Themen, es klingt mal wie russische Lieder, mal wie viel gesungene Gassenhauer, die das Trio mit bester Tonqualität und kontrapunktischer Spannung darbietet.
Der zweite Satz, eine Allegro con brio gleicht einer fratzenhaften Fröhlichkeit, so wird es von den Künstlern zumindest interpretiert. Dem folgt das Largo des dritten Satzes. Es fußt auf einer barocken Passacaglia und gleicht einem Trauermarsch. Über ein ausgedehntes Klavier Ostinato spannen sich klagende Phrasen der Streicher.
Der Satz geht quasi attaca in das Finale, das Allegretto über. Ein surrealistischer Marsch mit durchgehendem Stakkato der Streicher und perkussiven Elementen des Klaviers. Sind es russische Tänze oder einfach emotionale Erinnerungen an seiner Freund? Die Frage muss offen bleiben
Überragende Qualität
Das Paddington Trio allerdings demonstriert mit dieser Interpretation seine überragende Qualität, die alle anderen Trios leider so nicht zu erfüllen in der Lage sind. Vielleicht auch nicht sein können, da sie sich erst vor wenigen Jahren gegründet haben und noch relativ wenig internationale- und Auftrittserfahrung mitbringen. Der Unterschied war wohl herauszuhören.
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Preisverleihung: Alle Teilnehmer wie Jury, Musiker und Vorsitzende auf der Bühne Foto: H.boscaiolo |
Das Geheimnis der Jury
Das Ergebnis der Jury nach fast einer Stunde Beratungszeit, es war schon nach 23 Uhr, also über vier Stunden nach Beginn des Finales, dagegen irritierte doch, denn sie hatte das Bernstein Trio zum Sieger der Challenge (8.000 EUR Preisgeld) erklärt. Dagegen die beiden anderen Klaviertrios jeweils als zweite Sieger (jeweils 5000 EUR Preisgeld).
Warum?, das bleibt das Geheimnis der Jury. Nach Adam Riese hätte man sich auf zwei erste Preise einigen können, denn, obwohl sehr unterschiedlich in der musikalischen Schwerpunktsetzung (Konzentration auf die Epoche des Impressionismus vs. absolute Vielseitigkeit und Repertoire-Vielfalt) befanden sich das Elster- und das Paddington Trio interpretatorisch, nicht allerdings in der technischen Variabilität, auf gleich hohem Niveau, während das Bernstein Trio doch dagegen abfiel.
Sei´s drum, welche Argumente für das Bernstein Trio haben sprechen sollen oder können. Sie bekamen sogar noch den Sonderpreis für herausragende Interpretation von der Robert Schumann Gesellschaft aus der Hand ihres Vorsitzenden verliehen. Da muss man ebenfalls schlucken.
Immerhin ist der Publikumspreis zu Recht, wie der Verfasser des Textes meint, an das Paddington Trio gegangen.
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