After Silence, Chorkonzert mit Voces8, Alte Oper Frankfurt, 22.05.2025 (eine Veranstaltung der Frankfurter Bachkonzerte e. V.)
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Voces8: v. l.: Eleonora Poignant, Katie Jeffries-Harris, Barnaby Smith, Andrea Haines, Morgan Blake, Euan Williamson, Christopher Moore, Dominic Carver (Foto: Website) |
Ein einmaliges a-capella Oktett
Voces8 wurde offiziell im Jahre 2005 in London unter anderem von Barnaby Smith gegründet, der bis heute das Oktett leitet. Das Gesangsensemble besteht aus den bekannten vier Stimmlagen, die jeweils zweimal besetzt sind (zwei Soprane: Andrea Haines und Eleonora Poignant; ein Alt und ein Counter: Katie Jeffries-Harris und Barnaby Smith; zwei Tenöre: Blake Morgan und Euan Williamson; zwei Bässe bzw. Bassbaritone: Christopher Moore und Dominic Carver)
Ihr Name ist Programm, denn neben den wenigen weltweit existierenden Gesangsgruppen zwischen fünf und acht Personen, wie Amarcord (5), Calmus (5) und Singphoniker (6), oder den King´s Singers (6), gehört Voces8 wohl zu den Ausnahme a-cappella Gruppen auf diesem Globus.
Warum sie erstmals in der Frankfurter Alten Oper auftraten, bleibt wohl ein Geheimnis der Weltkulturstadt. Dennoch besitzen die acht Ausnahmesängerinnen und Sänger ein enormen Bekanntheitsgrad und der Mozartsaal hätte ohne Probleme mit dem Großen Saal des Hauses ausgetauscht werden können. Viele Kartenwünsche mussten zurückgewiesen werden, heißt es.
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Voces8 v. l.: Christopher Moore, Euan Williamson, Barnaby Smith, Andrea Haines, Eleonora Poignant, Katie Jeffries Smith, Blake Morgan, Dominic Carver Foto: H.boscaiolo) |
Vielseitig – kontrastreich – anspruchsvoll
Ihr Repertoire, das sie mitbrachten, bestach durch Vielseitigkeit und Kontrastreichtum. Allein aus vier Stilepochen sangen sie insgesamt zwölf Werke aus der Renaissance, dem Barock, der Romantik und der Moderne.
Darunter das Magnificat Quinti Toni, ein Lobgesang im fünften Ton, von Hieronymus Praetorius (1560-1629), den Hymnus O Nata Lux von Thomas Tallis (1505-1585), das hymnische Antiphon Regina Caeli á 8 von Tomás Luis de Victoria (1548- 1611) sowie das abschließende Magnificat Primi Toni, ein strahlender Lobgesang auf den Herrn, von Giovanni Pierluigi da Palaestrina (1526-1594). Alle vier Werke verlangten eine dialogische Vielfalt der einzelnen Stimmlagen, ein Wechselgesang von höchst virtuosen Ansprüchen.
Feine Mischung – aufmunternde Erläuterungen
Bemerkenswert die Wechsel zwischen den Epochen. Mal Renaissance, darauf folgend Moderne, dann Barock und folgend Romantik und Spätromantik, sodass immer ein Stil- sowie Textmix geboten wurde. Mal lateinisch, englisch oder deutsch, dann wieder kirchlich oder weltlich. Alles drin, aber alles in einer feinen Mischung. Und zusätzlich mehrere Male durch aufmunternde Erläuterungen einzelner Ensemblemitglieder aufgelockert. .
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Voces8 v. l.: Christopher Moore, Euan Williamson, Barnaby Smith, Andrea Haines, Eleonora Poignant, Katie Jeffries Smith, Blake Morgan, Dominic Carver Foto: H.boscaiolo) |
Bach und Bruckner
Kommen wir zu zweimal Johann Sebastian Bach (1685-1750) als Vertreter des Barock. Von ihm sangen sie Komm, Jesu komm (BWV 229) und Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf (BWV 226). Zwei doppelchörige Motetten aus seiner Leipziger Zeit, nach 1723 geschrieben.
Angeblich Kranken- und Beerdigungslieder beziehen sich beide doch auf das Johannes Evangelium und können auch mit Streichern und Holzbläsern begleitet werden. Zwei höchst anspruchsvolle, kontrapunktische Motetten, die allerdings ein wenig trocken von den acht Meistersingern interpretiert wurden. Hier hätte ein Kirchenraum wahrscheinlich besser gewirkt.
Anton Bruckners Locus iste („Dieser Ort“) und Os justi („Der Mund der Gerechten“), zwei Motetten für vierstimmigen Chor. Das erste als Graduale für ein Kirchweihfest, eine Art Festkantate im Jahre 1869 geschrieben, das zweite eine Psalmodie nach einem Gregorianischen Choral, das er 1879 fertig stellte. Beide Stücke forderten die melismatischen und syllabischen Sprech-Fähigkeiten der Sänger enorm heraus, was sie auch in perlender Virtuosität beherrschten.
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Voces8 v. l.: Andrea Haines, Eleonora Poignant, Katie Jeffries Smith, Barnaby Smith, Blake Morgan, Euan Williamson, Christopher Moore Dominic Carver (Foto: H.boscaiolo) |
Brahms und Reger
Jetzt zu Johannes Brahms (1833-1897) Nachtwache I&II op.104 und Max Regers Nachtlied op.138 Nr.3 (beide eingebettet in Bruckner und Bach).
Zunächst ein wunderschönes Liebesgedicht aus den fünf Gesängen nach Texten von Friedrich Rückert. Allerdings für Gesangssextett geschrieben. Der Ruf der Soprane „Ruh´n sie? … Sie ruh´n!“, ein wahres Gedicht an gesanglicher Schönheit.
Ganz im Gegensatz dazu Max Regers Nachtlied von 1914. Eher ein Requiem, eine choralähnliche Motette, das dritte aus insgesamt acht geistlichen Gesängen. Sehr getragen, in homophoner Manier vorgetragen, und stark an J. S. Bach orientiert. Die dreistrophige Anlage endet in Pianissimo: „Lasst uns einschlafen mit guten Gedanken einschlafen …“, was kann man besseres wünschen.
Panufnik und Britten
Zwei Höhepunkte hatte der Abend und das weder in der Mitte noch am Ende, sondern gleich im zweiten und dann im elften Vortrag. Zunächst von Roxanna Panufnik (*1968) Love Endureth und dann von Benjamin Britten (1913-1976) Hymn to St. Cecilia.
Die weltweit sehr bekannte Komponistin hat Opern, Ballette, Orchester- und Chorwerke komponiert, darunter auch Auftragswerke für den Geiger Daniel Hope, die Geigerin Tasmin Little, wie auch für das Brodsky Quartet. Nicht aber für Voces8.
Ihr Love Endureth (zu deutsch: Die Liebe währt) schrieb sie für Martin Baker und seinen Westminster Cathedral Choir im Jahre 2011/12. Roxanna Panufnik setzt sich mit der Spiritualität und der kulturellen Vielfalt auseinander. Entsprechend besteht dieses Werk aus der Zusammenstellung von Bibeltexten (Psalm 136), Auszügen aus der Bhagavad Gita und Fragmenten spanisch-sephardischer Gesänge. Ein polyphon sehr komplexes Werk ist daraus entstanden, mit extremen Dissonanzen, Clustern, haarsträubenden Koloraturen und extremem Stimmumfang.
Die in London lebende Komponistin schafft mit diesem Gesangswerk eine unverwechselbare musikalische Sprache, die Zeitgeist wie Tradition zusammenführt. Voces8 waren dafür die besten Vertreter. Hier brillierten sie in allen gesanglichen Bereichen, vor allem in glasklarer Intonation der Cluster und der herben Akkordik.
Ähnliches gilt für Benjamin Brittens Hymn to St. Cecilia. Es ist ein Chorstück von 1942 mit der Vertonung eines Gedichts von W. H. Auden (1907-1973), das er der heiligen Cecilia, der Schutzpatronin der Musik, gewidmet hat.
Eine Ode, eine Anrufung der Muse in drei Teilen mit entsprechenden Refrains nach jeder Strophe. Ein in phrygischer Tonart geschriebener, melodienreicher und im zweiten Teil schnell fortschreitender fugierter Sprechgesang im Cantus Firmus. Der lyrische dritte Teil erfordert von jeder Stimme noch einmal ein solistisches Kabinettstückchen, im Sinne der Imitation eines Instruments. Ein gesangliches Highlight dieses Abend, der die Qualität dieses Oktetts restlos unter Beweise stellte. Keiner ist herauszuheben, denn alle sangen auf gleich hohem Niveau.
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Voces8 v. l.: Christopher Moore, Blake Morgan, Barnaby Smith, Eleonora Poignant, Andrea Haines, Katie Jeffries-Harris, Euan Williamson, Dominic Carver Foto: H.boscaiolo |
Der Schlussapplaus wollte kein Ende nehmen. Ein Zugabe war Pflicht, obwohl bereits zwei Stunden gesangliche Höchstleistung geboten wurde. Ein Medley brasilianischer Rhythmen aus „Fly with me, come fly with me“, sollte noch einmal die Vielseitigkeit wie den Höhenflug von Voces8 unter Beweis stellen. Alles bestens. Wir sind restlos überzeugt. Kommen sie wieder, das Frankfurter Publikum erwartet sie!!
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