Internationale Maifestspiele 2025 in Wiesbaden
Die schöne Müllerin, Liederzyklus von Franz Schubert nach Gedichten von Wilhelm Müller, Cornel Frey (Tenor), Olive Wetter (Klavier) und Christian Klischat (Sprecher), Staatstheater Wiesbaden, Foyer des großen Hauses, 06.05.2025
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v. l.: Olive Wetter, Cornel Frey, Christian Klischat Foto: H.boscaiolo |
Ein weinendes und ein lachendes Auge
Malerisch nicht allein die Dekorationen des neobarocken Foyers aus dem Jahre 1902, vom Wiesbadener Stadtbaumeister Felix Genzmer entworfen, ebenso pittoresk auch der melodramatische Zyklus Die Schöne Müllerin von Franz Schubert (1797-1828) aus dem Jahre 1823. Eine rührende, ja pathetische Liebesgeschichte mit tödlichem Ausgang zwar, aber dennoch mit einem weinenden und einem lachenden Auge beim Rezipienten.
Seltene Aufführung aller 25 Gedichte
Franz Schubert hat sie bekanntlich einer Gedichtsammlung mit den Titel: „Sieben und siebzig nachgelassene Gedichte aus den Papieren eines reisenden Waldhornisten, Band 1/1821“ von Wilhelm Müller (1794-1827) entnommen, und 20 der insgesamt 25 davon vertont.
Im Gegensatz zur Winterreise wird dieser Zyklus zumindest in seiner Gesamtheit relativ selten aufgeführt – abgesehen von einigen Liedern, wie das Wanderlied oder Ich hört das Bächlein rauschen –, hat sich doch das Trio um Cornel Frey (Tenor), Olive Wetter (Klavier) und Christian Klischat (Rezitation) sogar alle 25 Gedichte vorgenommen: Zwanzig als Gesang mit Klavierbegleitung, und fünf, verteilt in Prolog, Das Mühlenleben (nach 6), Erster Schmerz und erster Scherz (nach 11), Blümlein Vergiss mein (nach 17) sowie Der Dichter als Epilog, als Rezitation. Eine dichte und insgesamt gelungene Zusammensetzung, die in dieser Abfolge wohl noch seltener auf die Bühne kommt.
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Cornel Frey (Foto: Hans-Jörg Michel) |
Liebe, Drama und Tod
Die Liedfolge orientiert sich an einem Müllergesellen auf Wanderschaft. Er verliebt sich auf seinem Weg unsterblich in die Tochter des Müllers. Die allerdings erwidert diese Liebe nicht, sondern bevorzugt den wackeren Jägersmann. Was bleibt dem armen Gesellen: Der Tod. Er macht gemeinsame Sache mit dem Bach und legt sich in sein (Fluss)Bett. So knapp so profan.
Klopstock lässt grüßen, den Wilhelm Müller verehrte. Auch war er nicht allein Literat und Dichter, sondern auch begeisterter romantischer Kämpfer für die Freiheit und Unabhängigkeit zum Beispiel der Griechen in ihrem Kampf gegen die Türken (zwischen 1821 und 1829). Man nannte ihn deshalb auch „Griechen-Müller“. Ebenfalls geht das Gerücht um, dass der Inhalt dieses Zyklus´ mit seiner unglücklichen Liebe zu Luise Hensel (1798-1876), der Schwägerin von Fanny Hensel (Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy), verknüpft ist. Bekanntlich war er allerdings mit Adelheid Basedow verheiratet, der Enkelin des Reformpädagogen Johann Bernhard Basedow.
Warum Schubert ausgerechnet diese Gedichte für seinen Zyklus auswählte, mag wohl darin zu suchen sein, dass er selbst unglücklich in Therese Grob (1798-1875) verliebt war (sie konnten wegen sozialer Unterschiede nicht zusammenkommen) und die Thematik des Gedichtzyklus zwischen Lebensfreude, Angst, Verzagtheit, Wehmut und Depression wohl seiner persönlichen Lebenslage sehr entgegenkam.
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Olive Wetter (Foto channels4_ profile) |
Tatendrang und Naturromantik
Tatsächlich beginnt der Zyklus freudig und zuversichtlich, alles in hellem G-, B-, oder C-Dur. Ein Prolog, ausdrucksstark rezitiert von Christian Klischat, führt ins Melodram ein und entlässt das Publikum mit den Worten: „Gehabt euch wohl und amüsiert euch viel!“
Die ersten sechs Lieder strotzen vor Tatendrang und Naturromantik. Cornel Frey fällt auf durch seinen etwas metallenen Tenor, sehr wirksam für das Textverständnis, aber mit eher kühlem kammermusikalischem Timbre. Sein pianistischer Begleiter Olive Wetter spielt seinen Part pragmatisch mit wenig romantischem Impetus, dafür aber technisch sicher. Beide scheinen ein wenig Zeit zu benötigen, um sich in das eineinhalbstündige Seelendrama einzufinden.
Liebesfreud – Liebesleid
Nach dem sechsten Lied, der Wandergeselle ist beim Müller gelandet, segnet der Rezitator das Handwerk und lässt die schöne Müllerstochter hochleben. Die Gesänge kreisen jetzt, überwiegend in D- und A-Dur, um die Liebe.
Die Ungeduld wächst bis zur offenen Liebesbezeugung: „Mein“, „Die geliebte Müllerin ist mein!“ beendet diesen Teil in optimistischem D-Dur mit dramatischer Zuspitzung. Sänger und Pianist sind hier gesanglich wie technisch gefordert, und das gelingt ihnen doch ausgezeichnet.
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Christian Klischat (Foto: Jonas Weber) |
Grün – die böse Farbe
Der Rezitator leitet den zweiten Teil nach dem elften Lied ein. Ab jetzt wechseln die Tonarten in c-, g-, und h-Moll. Der Müllergeselle muss feststellen, dass die schöne Müllerin den Jäger bevorzugt. Er liegt sichtbar in ihren Armen. Die Liebespein beginnt.
Die folgenden Lieder schwanken zwischen Hoffnung, Wehmut und unbändigem Zorn. Die Farbe grün, eigentlich die Farbe der Liebe, „weil unsre Lieb ist immergrün“, verwandelt sich in „Die böse Farbe“ (Lied Nr. 17): „Ach grün, du böse Farbe du“, (Synonym für den grünen Wams des Jägers), im Wechsel von H-Dur/h-Moll, und erfährt in der letzten Strophe: „Ade, ade und reiche mir zum Abschied deine Hand“ sein im wahrsten Sinne böses Ende.
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v. l.: Olive Wetter, Cornel Frey, Christian Klischat Foto: H.boscaiolo |
Todessehnsucht
Der Rezitator fällt sprachlich in tiefe Depression. Die Blume Vergissmeinnicht färbt sich schwarz, und kein bunter Strauß bleibt mehr übrig: „Ihr Blümlein alle, wie welk, wie blass“. Die Todessehnsucht hält Einzug. Der Müllergeselle alias Cornel Frey dialogisiert jetzt mit dem Bach im 19. Lied: „Der Müller und der Bach“. Seine Stimme klingt belegt und überschlägt sich (gewollt, oder aus leichter Schwäche?).
Zum Abschluss bleibt lediglich noch der Bach übrig und singt ein Wiegenlied in E-Dur (!) für den armen Müllergesellen, der auf dem Boden des Wassers ruht: „Will betten dich kühl, auf weichem Pfühl (Kissen)“.
Hier nehmen Sänger und Pianist noch einmal all ihre Professionalität in Anspruch und lassen den Zyklus doch angemessen ausklingen.
Liebe – ein Mühlrad, ein Fluss
Soll man weinen? Soll man die Leiche betrauern? Nein, nein, meint Christian Klischat im Epilog. Kein Moralisieren ist vonnöten: „Denken wir einfach ans Mühlrad, an den Wasserlauf des Baches. Das allein bezeichnet den Liebespfad.“ Mit anderen Worten: Die Liebe kommt, die Liebe geht. Nehmt sie nicht so wichtig. Man findet sie immer wieder.
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v. l.: Olive Wetter, Cornel Frey, Christian Klischat Foto: H.boscaiolo |
Ein Wermutstropfen
Ein Abschluss nach Maß, wenn nicht die Zugabe einen Wermutstropfen ins Glas gegeben hätte. Es sollte ein Arrangement von Benjamin Britten sein, ein französisches Volkslied Il est quelqu´un sur terre (es gibt jemanden auf der Erde), das Cornel Frey allerdings in leider unverständlichem Bärndütsch (Berner Deutsch) sang, angeblich für seinen Freund und Liedbegleiter, den Pianisten Olive Wetter aus dem Berner Oberland. Ein Spinning-Song im Stile eines Kanons.
Gut gemeint, aber meines Erachtens völlig unpassend zum Thema des Abends, was den kurzweiligen Vortrag des Zyklus´ keineswegs schmälern soll.
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