Schumann Quartett mit Werken von Josef Haydn, Leó Weiner und Ludwig van Beethoven, Alte Oper Frankfurt, 08.05.2025 (eine Veranstaltung der Frankfurter Museumsgesellschaft e. V.)
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Schumann Quartett: v. l.: Erik Schumann, Ken Schumann, Veit Hertenstein, Mark Schumann Foto: Eva Maria Richter |
Zum vierten Mal – ein gern gesehener Gast
Gegründet wurde das Schumann Quartett im Jahre 2007 in Köln als fast reines Familienunternehmen, denn sein Name orientiert sich nicht an Robert Schumann, sondern an dem Familiennamen der drei Brüder, Erik (1. Violine), Ken (2. Violine) und Mark (Violoncello) Schumann. Die Viola Besetzung hat mehrmals gewechselt und wird seit 2022 von Veit Hertenstein vertreten.
In Frankfurt ist das Streichquartett seit vielen Jahren ein gern gesehener Gast (zum letzten Mal war es am 31. Januar dieses Jahres gemeinsam mit Kit Armstrong, dem Minetti Quartett sowie dem Quatuor Hermés im Rahmen des Projekts „Expedition Mozart“ zu erleben), und trat gestern Abend, auf Einladung der Frankfurter Museumsgesellschaft, zum vierten Mal in der Alten Oper auf.
Einmaliges Erlebnis
In ihrem Repertoire-Koffer führten sie Werke von Josef Haydn (1732-1809), sein Opus 54 Nr.2 in C-Dur (1789), von Leó Weiner (1885-1960), op.13 in fis-Moll (1921) sowie von Ludwig van Beethoven (1770-1827), op. 59/2 in e-Moll (1807) mit sich. Und es sei vorweggenommen: Alle drei Werke sind von außerordentlicher Besonderheit und sollten, vor allem interpretatorisch, den Abend zu einem einmaligen Erlebnis machen.
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Schumann Quartett: v. l.: Ken Schumann, Veit Hertenstein, Erik Schumann, Mark Schumann Foto: Harald Hoffmann |
Experimentell – diffizil – transparent
Wie das? Das Konzert wurde mit Josef Haydns Streichquartett in C-Dur eingeleitet. Entstanden ist es in den Jahren 1787/88, gemeinsam mit fünf weiteren im burgenländischen Eisenach, dem Sitz des Fürsten Esterházy. Verlegt und uraufgeführt wurde es allerdings erst ein Jahr später und nimmt im eigentlichen Sinne eine Außenseiterrolle unter den sechs ein, denn es weicht in vielerlei Hinsicht von den anderen ab.
Es ist ein experimentelles viersätziges Werk, das zwar in üblicher Sonatenhauptsatzform im Vivace einsetzt, aber untypischerweise sehr bald thematisch in G-Dur, A-Dur und a-Moll wechselt, was darüber hinaus durch plötzlich einsetzende Fermaten (Unterbrechungen) wirkungsvoll herausgehoben wird. Spannungsgeladen und witzig vom Quartett inszeniert.
Auch das folgende Adagio wie das Scherzo, ein Menuetto Allegro-Trio, stellen sich, entgegen der bis dahin üblichen Satzfolge, als Einheit dar, gehen quasi attacca ineinander über, und lassen dem ersten Geiger, Erik Schumann, viel Gelegenheit, seine Virtuosität und Dynamik zu beweisen. Gänzlich experimentell allerdings ist das Finale gestaltet. Sehr ungewöhnlich wird es durch ein Adagio eingeleitet, gesanglich in A-B-A Liedform gefasst, um dann abrupt in ein rondoartiges Presto im Sechsachtel Takt überzugehen. Ein kurzes Ritardando lässt das Adagio wiederkehren und das Werk mit einer absterbenden Coda ausklingen.
Das Schumann Quartett zeigte in diesem äußerst diffizilen und transparent gefassten Werk bereits seine besondere Klasse. Jeder Satz ein musikalisches Erlebnis. Mal witzig und humorvoll, mal virtuos, und immer wieder durch metrische und dynamische Wechsel äußerst kurzweilig gestaltet.
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Schumann Quartett: v. l.: Erik Schumann, Ken Schumann, Mark Schumann, Veit Hertenstein Foto: H.boscaiolo |
Der „ungarische Mendelssohn“
Gespannt war man auf Leó Weiners Streichquartett op. 13, fis-Moll. Zu ihm, der in Budapest geboren, zu Lebzeiten von Béla Bartók, Zoltán Kodály, aber auch von Arnold Schönberg, Igor Strawinsky, Alban Berg wie auch Anton Webern seine Karriere begann, gibt es lediglich zu sagen, dass er als „ungarischer Mendelssohn“ (sein Lieblingskomponist, den er gerne imitierte) galt, bereits mit 16 Jahren von Preisen überschüttet wurde, dann aber in der Versenkung verschwand, weil er die neue Musikentwicklung des frühen 20. Jahrhunderts nicht mitmachte.
Er verweigerte sich der Polytonalität wie auch der Atonalität. Expressionismus und Dodekaphonie lagen ihm ebenso fern. Stattdessen blieb er zeitlebens der spätromantischen Tonalität treu.
Sein Opus 13 in fis-Moll allerdings sollte noch einmal von Erfolg gekrönt werden. Er bekam dafür den damals sehr renommierten amerikanischen Coolidge-Preis für Kammermusik.
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Schumann Quartett: v. l.: Erik Schumann, Ken Schumann, Mark Schumann, Veit Hertenstein Foto: H.boscaiolo |
„Perfekt proportioniertes Meisterwerk“
Der ungarische Musikkritiker und Musikwissenschaftler Aladár Toth (1898-1968), hat es als „ein überzeugendes, perfekt proportioniertes Meisterwerk“ beurteilt, und das zu recht.
Trotz der Einhaltung der tonalen Musiksprache ist es ein höchst expressives, energiegeladenes und modernes Werk, das vom Schumann Quartett wie ein Hitchcock-Krimi auf der Bühne inszeniert wurde.
Gleich der Eröffnungssatz beginnt mit einem düsteren Lento von der Bratsche eingeleitet, um dann abrupt in ein heftiges Allegro appassionato zu wechseln. Es folgt ein nervöses Vivace mit spannungsgeladener Synkopik und untermalt von langen Tremoli des Violoncellos und der Bratsche. Das folgende Andante wiederum steckt voller Poesie und Melancholie, allerdings mit dramatischer Zuspitzung durch fortschreitende Akkorde dissonanten Charakters. Hier dominiert das Violoncello, das von Mark Schumann traumhaft schön bedient wird.
Das Finale, ein Allegro con anima und abschließendem Allegro molto, lässt im wahrsten Sinne die Puppen tanzen. Wie auf einem Volksfest führt es melodienreich durch die ungarischen Tänze, die damals wie heute immer vor Lebenslust und Freude sprühen.
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Schumann Quartett: v. l.: Erik Schumann, Mark Schumann, Ken Schumann, Veit Hertenstein Foto: H.boscaiolo |
Bestes Espressivo – technische Versiertheit
Ein 24 minütiges Streichquartett der Extraklasse möchte man meinen, das zudem von den vier Instrumentalisten in bestem Espressivo, poetischem Tiefgang und technischer Versiertheit und vor allem in perfekt akzentuierter Dynamik präsentiert wurde.
Leó Weiner gehört nicht nur in das Repertoire der Konzertprogramme, sondern vor allem auch dieses Streichquartett op.13, fis-Moll. Ein absolutes Verdienst des Schumann Quartetts und ein eindrucksvolles Erlebnis. Der Publikumsbeifall des leider nur mäßig besetzten Mozarts Saals der Alten Oper Frankfurt wollte bereits zur Pause kein Ende nehmen.
„Flickwerk eines Wahnsinnigen“
Der zweite Teil des Abends sollte mit Ludwig van Beethovens Streichquartett op. 59/2, e-Moll beschlossen werden. Auch hier ein Werk, das die Zeitgenossen als „Flickwerk eines Wahnsinnigen“ abqualifizierten. „Schade um das Geld!“ schimpfte man noch 15 Jahre nach der Uraufführung und in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung wird im Jahre 1821 erschrocken festgestellt: „Mit merkwürdiger Stille lauschte alles den, oft etwas bizarren Tönen ...“ (aus: Villa Musica). Was hat es damit auf sich?
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Schumann Quartett: v. l.: Erik Schumann, Ken Schumann, Mark Schumann (verdeckt), Veit Hertenstein Foto: H.boscaiolo |
„Harmonie der himmlischen Sphären“
Tatsächlich ist das Werk, gewidmet seinem Gönner und Verehrer Fürst Rasumowsky (1752-1836), mit 40 Minuten Dauer extrem lang geraten. Das Molto Adagio des zweiten Satzes allein braucht fast 15 Minuten, und ist, für Beethoven eher untypisch, in feierlich-sakralem Oratorienstil geschrieben. Der berühmte Zeitgenosse Carl Czerny (1791-1857) behauptete gar, Beethoven habe darin „die Harmonie der himmlischen Sphären“ gesehen.
Tatsächlich hat das viersätzige Werk sinfonische Dimensionen, verlässt gar im Scherzo die üblich Dreiteiligkeit, wird durch eine russische Weise auf fünf Teile erweitert (eine Huldigung an den russischen Auftraggeber). Das abschließende Presto Finale, ein fulminant kontrastierendes Rondo, hängt lange in der Schwebe zwischen e-Moll und C-Dur, und schließt mit einer Stretta-Coda im ursprünglichen e-Moll triumphal ab.
Absoluter Leckerbissen
Kein Wort der Kritik der Zeitgenossen kann hier gelten. Es sind nicht allein kurzweilige vierzig Minuten (man spürte die Zeit nicht mehr), sondern man bekommt auch, vor allem durch die klangliche, dynamische, kontrastreiche und quasi sinfonische Interpretation des Schumann Quartetts, einen absoluten Leckerbissen des eher selten gespielten Opus 59/2 geboten.
Ein wirklich denkwürdiger Kammermusikabend eines Ausnahme-Quartetts, das seinem eigenen Anspruch, die Lust darauf zu haben „es bis zum Äußersten zu treiben, zu probieren, wie die Spannung und unsere gemeinsame Spontaneität trägt“ (aus dem Programm), zur Gänze gerecht wurde. Anspruch und Wirklichkeit gehen in diesem hervorragenden Schumann Streichquartett eine makellose Symbiose ein.
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Schumann Quartett: v. l.: Erik Schumann, Ken Schumann, Mark Schumann, Veit Hertenstein Foto: H.boscaiolo |
Makellose Symbiose
Dazu gehört auch seine Auswahl und Interpretation der Zugabe (im Gedenken an Leó Weiner, den „Ungarischen Mendelssohn“), der berühmte dritte Satz aus Felix Mendelssohns Streichquartett a- Moll op. 13, Intermezzo Allegretto con moto – Allegro di molto.
Erik Schumann, der „Elder Statesman“ des Quartetts dankte noch einmal dem Publikum und der Gastfreundschaft der Museumsgesellschaft und betonte, dass das Schumann Quartett immer wieder gerne nach Frankfurt kommt und kommen wird. Man wartet mit Freude auf ihren nächsten Auftritt.
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