Donnerstag, 26. Juni 2025

38. Rheingau Musik Festival 2025

Quatuor Ébène mit Chris Stout &Catriona McKay, Ringkirche Wiesbaden, 25.06.2025


v. l.: Chris Stout, Pierre Colombet, Gabriel le Magadure, Marie Chilemme,
Yuya Okamoto, Catriona McKay

alle Fotos: Ansgar Klostermann

Schottische Partynight“

Es sollte eine „schottische Partynight“ werden. So zumindest wurde dieser doch irgendwie denkwürdige Abend in der sehenswerten neoromantischen evangelischen Ringkirche in Wiesbaden angesagt. Ein warmer Sommertag neigte sich dem Ende zu und bot ein wenig Kühle in der von harten Bänken bestückten einschiffigen Kirche, deren Apsis in pastellfarbenem Rosablau ausgeleuchtet wurde.


Beidseitige Abenteuerlust

Was das schottische Duett mit Catriona McKay an der Keltischen Harfe und Chris Stout mit seinen beiden Fiddles (einer Geige und einer Bratsche im herkömmlichen Sprachgebrauch), und die vier Meister des Quatuor Ébène auf ihren Streichinstrumenten, allem voran Pierre Colombet, erste Geige, dann Gabriel le Magadure, 2. Violine, Marie Chilemme, Bratsche sowie Yuya Okamoto, Violoncello, an musikalischen Eindrücken boten, changierte zwischen klassischer schottischer Folklore mit seinen Balladen, Reels und Jigs und der Abenteuerlust eines Streichquartetts, das die Literatur ihrer Musik perfekt beherrscht (man erinnert sich noch gerne an ihren vierteiligen Beethovenzyklus im Jahre 2020 in der Alten Oper Frankfurt, der trotz Corona Wahnsinn ein exorbitantes musikalisches Erlebnis war), aber gerne in den Jazz und Pop ausweicht, sei aus Zerstreuungsgründen oder auch, um neue Genres kennenzulernen.


Gemeinsames im Gegensätzlichen

Dass es zurzeit sein Herz an den schottischen Folk verloren hat, liegt wohl in der Tatsache begründet, dass das Duett und das Quartett seit vielen Jahren befreundet ist, sich gegenseitig inspirieren und viele Gemeinsamkeiten aufweisen: Sie lieben die Tradition, Ausflüge in fremde Gefilde und vor allem das Gemeinsame im Gegensätzlichen.

Wie gesagt, der schottische Folk ist tief in seiner Kultur verwurzelt, erzählt Geschichten aus den verschiedenen Regionen in Form von Balladen und Tänzen wie Reels (schneller 2/4 und 4/4 Takt mit Sechzehntel Notation) und Jigs (schneller 6/8 Takt im Waltz-Rhythmus), beschreibt die Landschaften, die Tierwelt und vor allem die trostlosen, kalten Winternächte sowie im Gegensatz dazu die langen Sommernächte mit ihren fantastischen genussvollen Erlebnissen.


v. l.: Chris Stout, Pierre Colombet, Gabriel le Magadure, Marie Chilemme,
Yuya Okamoto, Catriona McKay

Siaraedth“

Für diese Veranstaltung hatte das Sixpack acht Stücke mitgebracht, die Geschichten von den Shetlands, der Fair Isle (dem Geburtsort von Chris Stout) und von Glenshee, einem sagenumwobenen Ort im Osten von Perthshire, erzählen. Auch die Fischerwelt des mit zahlreichen Seen (Lochs) bestückten Hochlands kommt nicht zu kurz.

Die Ballade des Heringsfischerboot „Siaraedth“, hier als drittes Stück präsentiert, mit wunderbaren blue notes, einem Fiddle-Solo von Chris Stout und langen Duetten zwischen den beiden Freunden Chris Stout und Pierre Colombet. Ergänzt durch Gitarren ähnliche Begleitung der Streicher und einem wunderbaren Klangteppich der Harfenistin Catriona McKay, gehörten mit zu den Höhepunkten des Abends.


Glenshee“

Ausgedehnt dann das epische Werk Chris Stouts „Glenshee“. Die Beschreibung einer fast mystischen Welt in den schottischen Highlands. Eine gut 35-minütige rondoartige Erzählung mit verschiedenartigen rhythmischen wie motivischen Ausgestaltungen, die immer wieder zum Ausgangspunkt der Erzählung – lange ausgedehnte Rufe der Bratsche mit Flageolett Begleitung der Harfe – zurückkehrt. Dazwischen an Country Music erinnernde, aber vor allem sich an die Minimal Music der amerikanischen Komponisten Steve Reich und Philip Glass anknüpfende immer wiederholende Klang und Motivmuster, die das Publikum bisweilen in einen meditativen Zustand zu versetzen verstanden.

An dieser Stelle sei noch bemerkenswert, dass Chris Stout viele seiner Lieder selbst komponiert und dabei durchaus Bezug zu moderner Musik nimmt, die er improvisatorisch erweitert, dabei aber immer im Stil der schottischen Folklore verbleibt, das heißt die Ceilidhs (die schottische Tanzkultur) absolut berücksichtigt.

Zwar ist musikalisch nicht immer zu unterscheiden, ob Irish oder Scottish gespielt wird, sind doch die Rhythmen vergleichbar, die hier allenthalben im Vordergrund stehen. Die lange Erzählung über den Glenshee endet in einem Morendo, einem langsamen Ersterben auf den Höhen der schneebedeckten Berge oder in den Feen durchzogenen Tälern, das sei dem Hörer überlassen.


Medley mit verzwickten Rhythmen

Alles in allem ein gelungener Abend für die Liebhaber der schottischen Folklore, wobei das Duett Catriona McKay & Chris Stout eine Ausnahmestellung einnehmen. Ihr Sound und ihr Klangfarbenspiel ist einmalig und im Kirchenraum noch einmal von besonderer Qualität. 

Das Zusammenspiel mit dem Streichquartett Quatuor Ébène beschränkte sich weitgehend auf die Verstärkung des Rhythmus´, der Komplexität der Synkopen und der improvisatorischen Einlagen vor allem des ersten Geigers, Pierre Colombet, der übrigens ausgezeichnet mit seinem Freund Chris Stout harmonierte. Auch hatte das Sextett sichtlich Spaß an den doch teils verzwickten rhythmischen Verschiebungen und den ständigen Wechseln der Betonung.


v. l.: Chris Stout, Pierre Colombet, Gabriel le Magadure, Marie Chilemme,
Yuya Okamoto, Catriona McKay

Kontrastreich in jeder Beziehung

Die langen balladesken Zwischenerzählungen von Chris Stout (er versuchte, die schottische Landschaft und Seele dem Publikum näher zu bringen) machten aus dem Abend doch ein langes Unternehmen von fast zweieinhalb Stunden. Viele verließen schon vorzeitig den Kirchenraum, vor allem auch, weil die Bänke in krassem Gegensatz zur tänzerischen Musik im Chorraum standen. 

Im Klartext: Man saß steif und unbequem auf hartem Holz, wo gleichzeitig eine Musik voller Energie und Ausgelassenheit geboten wurde. Ein Kontrast, der nur nur durch die Schönheit des Kirchenschiffs und der ausgewogenen Akustik zu erklären ist. Ein tanzendes, zumindest bequem sitzendes Publikum hätte der „Partynight“ vielleicht besser getan.


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