38. Rheingau Musik Festival 2025
Anne-Sophie Mutter (Violine) und das Royal Philharmonic Orchestra (Leitung: Vasily Petrenko), Kurpark Wiesbaden, 29.08.2025
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| Anne-Sophie Mutter (Foto: Bastian Achard) |
Ein geglücktes Abenteuer
„Across The Stars“ lautete das Motto des Konzertabends und meinte das Beste vom Besten von John Williams (*1932), den Meister der Filmmusik, aber auch den Komponisten vieler Sinfonien, Kammermusiken wie auch zweier Konzerte für Orchester und Violine.
Und es war ein „Abenteuer“, wie die Hauptdarstellerin und sympathische Anne-Sophie Mutter (*1963) nach einer kurzen Einlassung zwischen ihrem Solokonzert und der wunderbaren Auswahl einiger der bekanntesten, eigens für sie arrangierten Filmmusiken vom Komponisten höchstselbst, zugab.
Open-Air Konzerte seien, so ihr Fazit, immer ein Vabanque Spiel. Stichwort: das leidige Wetter. Gerade aus dem holsteinischen Neumünster kommend (zum Abschluss des Schleswig-Holstein Musik Festivals 2025), wo das Wetter einigermaßen mitspielte, wäre dieses Konzert in Wiesbaden um ein Haar geplatzt. Ihre Konzerttournee habe die Wechsel von eiskalt, verregnet bis super heiß erlebt. Immer aber seien die Aufführungen dann doch gelungen.
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| Royal Philharmonic Orchestra (Foto: Ben Wright) |
Genialität auf allen Seiten
Auch in Wiesbaden regnete es in Strömen bei Konzertbeginn. Man einigte sich deshalb auf eine halbe Stunde später, und – hatte Glück. Der Wettergott machte mit. Haarscharf am Regen vorbei, allerdings ziemlich kalt, wurde dieser Abend doch auch zu einem wirklich einmaligen Erlebnis.
Denn Anne-Sophie Mutter ist nicht allein eine geniale Geigerin, sondern auch eine großartige Entertainerin. Nicht zuletzt wurde sie von einem Royal Philharmonic Orchestra, unter der unauffälligen aber souveränen Leitung von Vasily Petrenko (*1976) begleitet, das die Musik des Filmmusik-Genies mit der Muttermilch aufgesaugt zu haben schien. Kurz: besser geht es nicht.
Tempelglocken laden zum Festkonzert ein
Gleich zu Beginn tönen japanische Tempelglocken zur Einstimmung. Das gut zweiminütige Stück nennt sich „Sound of Bells“ (1993), ist während einer Tournee durch Japan mit dem Bostoner Pops Orchestra entstanden, und erinnert in Anlage und Struktur ein wenig an Aaron Coplands Fanfare for the common Man (1942).
Sie (die Glocken) machen den Weg frei für die Superheldin des Abends, Anne Sophie Mutter, die in sehr geschmackvollem, aber luftigem Outfit die Bühne des vollbesetzten Kurparks betritt, um das 2. Violinkonzert (2021/22), das John Williams (*1932) extra und ausschließlich für sie komponierte, zu präsentieren.
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| Vasily Petrenko (Foto: Ben Wright) |
Was Nürnberger Lebkuchen können
Eigentlich wollte John Williams es bei seinem ersten Violinkonzert belassen, das er 1976 aus Anlass des Todes seiner ersten Frau Barbara Ruick schrieb. Aber die tiefe Freundschaft zu Anne-Sophie Mutter und ihre schmeichelhaften Bitten (offensichtlich mag Williams Nürnberger Lebkuchen, mit denen er sich, nach Aussage von Mutter, gerne überreden ließ), brachten seine außergewöhnliche Kompositionskunst noch einmal eindrucksvoll zur Geltung.
Spiel aus einer anderen Welt
So schafft er mit dieser viersätzigen (Prologue, Rounds, Dactyls, Epilogue), gut 35 Minuten dauernden Komposition ein hoch virtuoses, intellektuell anspruchsvolles Werk, das völlig abseits seiner bekannten und beliebten Filmmusiken liegt.
Einflüsse von Mahler und Sibelius, aber auch von Bartók und Ligeti sind durchaus erkennbar, aber dennoch ist es ganz auf die technischen und musikalischen Fähigkeiten der Solistin zugeschnitten. Das heißt, es verlangt viel Improvisation, atmende Klangflächen, farbenreiches Spiel und vor allem kraftvolle, quasi sinfonische Wucht des Streichers. All das verkörpert Mutter in einmaliger Weise.
Sie spielte tatsächlich wie aus einer anderen Welt, schaffte diverse Stimmungen zwischen dunkler Ernsthaftigkeit und spielerischer Ausgelassenheit. Herauszuheben dabei sind ihre diversen dialogischen „Streitgespräche“ mit den einzelnen Orchestergruppen, mal sind es die Perkussionisten, mal die Cellisten, vor allem aber ist es die Harfenistin, Nicolette Chin, die neben der Solistin eine tragende Rolle in diesem Violinkonzert einnimmt.
In jedem Satz brilliert Mutter zusätzlich mit einer Kadenz, die thematisch angelehnt, immer aber im überwiegenden Teil spontan, einer eigenen Improvisation folgt, und das klassisch im Modern Jazz des 20. Jahrhunderts.
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| Anne-Sophie Mutter (Foto: PRO ARTE/The Japan Art Association) |
Keine Apotheose – perfekt gedacht
Der charaktervolle Prologue wird natürlich durch einen Epilogue abgeschlossen, der introvertiert, fast schon elegisch erscheint. Nicht von ungefähr ist man mitunter an die Leitmelodie aus Spielbergs Schindlers Liste erinnert. Das Ganze löst sich tatsächlich in ein fragiles Ende auf, leise, unfertig, ohne wirkliche Apotheose.
Der Beifall war leider mäßig, denn das Werk verlangt viel geistige Mitarbeit ab. Das weiß Anne-Sophie Mutter, die übrigens bei ihrer Deutschen Erstaufführung im Jahre 2024 in der Alten Oper Frankfurt die gleiche Erfahrung machen musste. Hier erlaubte man sich sogar zu buhen.
Williams zeigt allerdings in diesem Spätwerk die ganze Kreativität seines Geistes und die musikalische Kraft, Tradition mit Moderne, den Weg der Musik der vergangenen drei Jahrhunderte in 35 Minuten zusammenzuführen. Perfekt gedacht und ebenso interpretiert von einer Ausnahmegeigerin, wie Anne-Sophie Mutter ohne Zweifel eine ist.
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| Anne-Sophie Mutter, Vasily Petrenko, Royal Philharmonic Orchestra Foto: Ansgar Klostermann |
Ein „Fünferpack“ der Superlative
Leider musste wegen der offiziellen Zeitangaben (bis spätestens 22.00 Uhr sollte der Kurpark geräumt sein) die wohlverdiente Pause ausfallen.
Gleich ging es weiter mit Flying Theme und Finale aus dem Film E. T. von 1982 (der geplante Superman musste leider aus Zeitgründen ausfallen). Diese Musik gehört zu den Höhepunkten aus der Hand von Williams, voller Staunen und kindlicher Wunder. Dramatisch und leichtgängig zugleich.
Ein perfekter Einstieg zu dem folgenden „Fünferpack“, so Anne-Sophie Mutter, den sie kurz erläuterte. Er ist eine Auswahl von insgesamt 20 Arrangements, die Williams aus seinem reichen Filmmusikrepertoire extra für seine Freundin ausgewählt hat (zusammengefasst im Album Across The Stars! und 2019 veröffentlicht).
Darunter das Scherzo for motorcycle and Viola aus dem Film Indiana Jones und der letzte Kreuzzug (1989), Helena´s Theme aus dem Film Indiana Jones und das Rad des Schicksals (2023), Hedwig´s Theme aus dem Film Harry Potter und der Stein der Weisen, Nice to be around aus dem Film Cinderella Liberty (1973), dessen Song 1974 für den Oscar nominiert war war, sowie The Duel aus dem Film The Adventures of Tintin (2011), ebenfalls 2012 für den Oscar nominiert.
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| Anne-Sophie Mutter (Foto: PRO ARTE/ Jürgen Carle) |
Lyrisch - jazzig - witzig - rasant
Jedes einzelne Stück ein Ohrenschmaus. Die Arrangements wie für die Geige geschaffen.
Mutter macht aus jeder Filmmusik ein Violinkonzert mit Kadenz und virtuosen Einlagen. Herausragend dabei Helena´s Theme, sehr elegant und lyrische geschrieben, aber gleichzeitig voller Abenteuerlust. Hier improvisiert Mutter wie eine Jazzgeigerin, und das wirklich überzeugend.
Ebenso das Arrangement aus The Duel. Flirrend voller Bewegungsdrang. Ein hoch virtuoses Actionstück, sehr perkussiv mit kontrapunktischen Elementen. Dazu witzig, humorvoll und von höchster Rasanz.
„Signal an die Welt“
Eine gute halbe Stunde Williams at the best von den „Royals“ mit ihrem Chefkoch Vasily Petrenko schmackhaft zubereitet und von Anne-Sophie Mutter mit besten Zutaten edel garniert.
Zwei Zugaben waren noch drin. Einmal der wunderbare Erkennungssong aus Spielbergs Schindlers Liste. Ein Interpretation zum Weinen schön, und als „Signal an die Welt“ (O-Ton Anne Sophie Mutter) Rey´s Theme aus dem Film Star Wars: Episode VII – The force awakens (2015).
Leicht, fast fragil im tänzerischen 6/8 Takt und viel Celesta und Harfentöne. Rey, eigentlich eine Schrottsammlerin, wird identitätssuchend, langsam eine selbstbewusste Frau und wächst aus der Unsicherheit in ein Selbstbewusstsein und eine persönliche Stärke hinein.
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| Kurpark Wiesbaden mit Anne-Sophie Mutter, Vasily Petrenko und dem Royal Philharmonic Orchestra Foto: H.boscaiolo |
Triumphal und ikonisch
Ein herrlicher Abschluss mit viel Schmalz, aber auch gnadenlosem, vorwärtstreibendem Strich. Der Beifall war herzlich, den Umständen entsprechend allerdings kurz und knackig,
Dennoch ein extra Finale des Royal Philharmonic Orchestra und Vasily Petrenko - ohne den Star. Natürlich das Hauptthema oder besser die Leitmelodie aus der Star Wars Suite (1977). Heroisch, triumphal und ikonisch endete der Abend mit einem der bekanntesten Melodien aus dem wahrlich gigantomanischen Oeuvre des mittlerweile 93-jährigen Komponisten, John Williams.
Ein Abenteuer fand sein glückliches Ende mit einmaligen Akteuren auf der Bühne, einem Publikum, das trotz widrigen Wetters fast andächtig zuhörte und einem Wettergott, der offensichtlich mitspielte.

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