Kronberg Festival „Good Vibrations“ vom 23.09. – 05.10.2025
Brooklyn Rider Streichquartett, Carl Bechstein Saal, 28.08.2025
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| Brooklyn Rider Streichquartett v .l.: Colin Jacobson, Michael Nicolas, Nicolas Cords, Johnny Gandelsman Foto: Lutz Sternstein |
Gute Schwingungen
„Good Vibrations“ lautet das diesjährige Motto des Kronberg Festivals. Mit 31 Konzerten, diversen musikwissenschaftlichen Vorträgen und ausführlichen Konzerteinführungen ist das knapp zweiwöchige Programm vollgestopft mit musikalischen und geistreichen Angeboten, wozu, und das sei nicht vergessen, die Meisterkurse und Preisträgerkonzerte der Violinisten, Bratschisten und Cellisten gehören.
Alles in Allem, so heißt es zumindest im Willkommensgruß des Intendanten, Raimund Trenkler, und künstlerischen Leiter, Friedemann Eichhorn, wagt dieses Festival „einen besonders tiefen Blick nach innen: Was geschieht mit uns, wenn Musik uns 'trifft'? Wie lässt Musik heilen, trösten, beflügeln?“
Brücken bauen
Allein sieben Veranstaltungen standen an diesem nebeligen Sonntag auf dem Festivalprogramm, woraus sich der Kritiker zwei auswählte.
Dazu gehörte das Brooklyn Rider Streichquartett aus dem gleichnamigen Stadtteil von New York City. Im Jahre 2006 gegründet, beschäftigt es sich vor allem mit zeitgenössischen Werken, versucht aber Brücken zur der Klassik und Romantik zu bauen.
Nach Kronberg hatten sie als Gäste des Festivals Werke von John Cage (1912-1992), Evan Ziporyn (*1959), Reena Esmail (*1983), Ludwig van Beethoven (1770-1827), Caroline Shaw (*1982) sowie Philip Glass (*1937) mitgebracht, eine Reise durch das 20. und 21. Jahrhundert mit einem Ausrutscher, nämlich dem op.132 (1825) von Ludwig van Beethoven.
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| Brooklyn Rider Streichquartett v .l.: Colin Jacobson, Michael Nicolas, Nicolas Cords, Johnny Gandelsman |
Krankheit - Genesung - Danksagung
Sein Werk stand quasi im Mittelpunkt des Abend, um, so die Absicht der Interpreten (Johnny Gandelsman, Geige, Colin Jacobsen, Geige, Nocholas Cords, Viola, Michael Nicolas, Violoncello), einen Kontext der Moderne zur Klassik herzustellen.
Dazu muss bemerkt werden, dass sich alle Stücke im Bereich von Krankheit und Genesung, von Danksagung an eine höhere Kraft und atmosphärischer Klangkulisse bewegten, und im weitesten Sinne stilistisch der Minimal Music zugehörig sind. Tatsächlich passte zumindest inhaltlich Beethovens 3. Satz, den er selbst mit „Heiliger Dankgesang eines Genesenden an die Gottheit, in der lydischen Tonart“ überschrieben hat, dazu (Bekanntlich schrieb er dieses Streichquartett nach der Genesung von einer schweren Leber- und Nierenerkrankung).
Aber, und das sei an dieser Stelle ebenfalls erwähnt, es ist weit entfernt vom minimalistischen Stil, dazu von intensiver Innerlichkeit, absolutem Kontrastreichtum, wunderschöner Melodiosität und klassischer Struktur im Wechsel von Adagio und Andante.
Dazu aber später.
Zwischen japanischem Zen und indischen Veden
Begonnen wurde mit John Cage´s In a Landscape (1948), einem atmosphärischen Aufhänger, sehr tonal und in simpler Zweistimmigkeit gehalten. Trocken und schlicht kam es herüber, mit ein wenig japanischem Zen und asiatischer Pentatonik.
Qi, Garden, das zweite Stück eines dreiteiligen Zyklus von Evan Ziporyn war, wie der Name andeutet, am chinesischen Qi orientiert, was sich mit Lebenskraft, oder Energie übersetzen lässt. Wer kennt und praktiziert nicht die Kampfsportarten Qi Gong oder auch Tai Chi.
Hier werden wir in einen möglicherweise japanischen Zen Garten versetzt (Ki bedeutet im japanischen das Gleiche) und mit Vogelgeräuschen, verschobenen rhythmischen Patterns und flächigen Klängen umgeben, die uns, zumindest theoretisch, mit 'neuem Lebensmut' und 'erhabenen Zuständen' durchfluten sollen.
Reena Esmails Zeher (übersetzt: Gift) orientiert sich an der indischen Musik mit viel Ragas und Talas, die die Stimmung vorgeben. Das bedeutet, ein Instrument übernimmt die Hauptstimme, den melodischen Part (hier das Violoncello), während die restlichen Instrumente einen Bordun-ähnlichen Grund, oder einfach nur den Rhythmus abbilden.
Reena Esmail, selbst Inderin, schrieb dieses Stück während einer schweren Halskrankheit, verbindet Tradition mit westlicher Moderne, wobei sie György Ligetis Klangflächenmusik bevorzugt. Sie selbst habe das Werk Gift genannt, weil diese Komposition von anfänglichen wilden Eruptionen voller Gift und Galle (Ausdruck ihrer Krankheit), langsam aber sicher in tonale, ruhende Gefilde überwechselt (Ausdruck der Entgiftung und gleichzeitiger Heilung).
Ein Stück von gut sieben minütiger Dauer, in dem das Cello glänzt und die Schlussapotheose wie eine Litanei aus den Veden oder der Bhagavadgita klingt.
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| Brooklyn Rider Streichquartett v .l.: Colin Jacobson, Michael Nicolas, Nicolas Cords, Johnny Gandelsman |
Eine gewagte Trilogie
Quasi attaca geht das Quartett zu Beethovens dritten Satz a- Moll aus op. 132 über. Ein fast 17 minütiger Dankesgottesdienst an die göttliche Heilkraft. Ein Choral der Liebe und spirituellen Erleichterung eines Todkranken, der wieder zu Kräften gekommen ist.
Dieser Satz verlangt nicht allein einen exzellenten Strich, sondern auch beste musikalische Akzente und eine explizite Kontrastierung. Alles dies fehlt leider diesem Quartett. Sie spielten Beethoven wie eine trockene Minimal music, emotionslos und leider mit dem typischen Geschiebe der Geigen, die man neben dem Minimalismus auch aus dem Jazz und der Tanzmusik kennt. Schade schade.
Dann wieder attaca zu Caroline Shaws Schisma (2018). Dieses Stück von nur kurzer Dauer (man kann es mit Spaltung, Trennung übersetzen) sollte diese sogenannte Trilogie abschließen.
Die amerikanische Komponistin bezieht sich darin tatsächlich auf den dritten Satz von op.132, und schreibt dazu, dass er ihr nach vielen persönlichen Unbilden neue Kraft verliehen habe.
Viel Pizzicato, Col legno, Glissandi und vor allem Flageoletts charakterisieren dieses Werk, das sie noch mit einem biblischen Text verbunden haben möchte. So zitiert sie aus Moses 33,22: „Wenn ich mit meiner Herrlichkeit vorüberziehe, stelle ich dich in eine Felsspalte und halte meine Hand schützend über dich, bis ich vorübergegangen bin.“ Jeder mache sich selbst einen Reim darauf.
Minimalismus pur
Philip Glass Streichquartett Nr. 4 (1989) – Brian Buczak gewidmet, der, Teil der Fluxus Bewegung der 1970er Jahre, 1987 mit zarten dreiunddreißig Jahren an AIDS verstarb – ist wohl das Minimalistischste seines minimalistischen Oeuvre.
Mit seinen charakteristischen Arpeggien und der popmusikalischen Ausgestaltung, gehört dieses Auftragswerk von Fluxus-Künstler Geoffrey Hendricks zu seinem stimmungsvollsten elegischen Streichquartett. Dreiteilig organisiert, stich vor allem der zweite, langsame Abschnitt durch herrlichen Gesang hervor. Aber auch der rondoartige dritte Satz zeigt bereits die Vielfalt des Minimalismus, die gerade von Philip Glass so glänzend weiterentwickelt wurde.
Die Zugabe, ein Medley aus dem reichen Schatz von Pete Seeger (1919-2014), politischer Singer- Songwriter, Friedensbewegter und begnadeter Banjospieler, ließ noch einmal die Stärken dieses Quartetts aufblitzen. In diesem Genre sind sie einfach gut, was für die Klassik und Romantik leider nicht zutrifft.
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| Brooklyn Rider Streichquartett v .l.: Colin Jacobson, Michael Nicolas, Nicolas Cords, Johnny Gandelsman |
Meditativ – langatmig - anregend
Schicksalsschläge, Krankheiten, Verzweiflung, aber auch Mut, Zuversicht, Energiegewinn und Danksagung an alle höheren Kräfte bestimmte dieses Konzert. Sehr meditativ, mitunter langatmig und einschläfernd, aber gleichzeitig auch anregend und, entsprechend dem Motto des Festivals, von guten Schwingungen umgeben. ,
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