Saisoneröffnung 2025/2026 in der Alten Oper Frankfurt mit den Münchner Philharmonikern (Leitung: Lahav Shani) und Lisa Batiashvili (Violine), 14.09.2025
![]() |
| Münchner Philharmoniker (Foto: Judith Buss) |
Großes Event – Klassiker der Orchesterliteratur
Viel Tamtam im Vorfeld mit dem Freiburger Jazz Chor in den diversen Foyers, und nach der Konzertgala mit dem Jazzensemble der Münchner Philharmonie in den Räumlichkeiten des Clara Schumann Saals, gab den Rahmen einer doch absolut ansprechenden Saisoneröffnung im vollbesetzten großen Saal der Alten Oper Frankfurt.
Man hatte das einzige Violinkonzert D-Dur op. 61 (1806) von Ludwig van Beethoven (1770-1827), die „Unvollendete“ oder genauer die Sinfonie Nr. 7 h-Moll D 759 (1822/1865) von Franz Schubert (1797-1828) sowie von Richard Wagner (1813-1883) das Vorspiel und Isoldes Liebestod aus „Tristan und Isolde“ (1865) in der Orchesterfassung (1857/59) mitgebracht, Klassiker der Orchesterliteratur, aber dennoch immer wieder Herausforderungen für Orchester und Interpreten.
![]() |
| Lahav Shani, Lisa Batiashvili (Foto: Tibor-Florestan Pluto) |
Späte Weltberühmtheit
Wer kennt nicht das wohl bedeutendste klassische Violinkonzert aus den Händen des Meisters, der es zunächst für seinen Freund Françoise Clement (1780-1842) schrieb und der es auch im Dezember 1806 im Theater an der Wien zur Uraufführung brachte. Mit mäßigem Erfolg, wie es heißt. Erst unter den Händen von Josef Joachim, der es als 12 Jähriger unter dem Dirigat von Felix Mendelssohn-Bartholdy 1844 in London aufführte, wurde dieses Violinkonzert weltberühmt, trat seinen Siegeszug an, der bis heute anhält.
Lyrisch, poetisches Gespräch
Die Romantikerin an der Violine, in wallendem metallic-blauen Rock und schlichter weißer Bluse gekleidet, Lisa Batiashvili (*1979), hatte sich dieses Werks angenommen und das mit einer ganz besonderen Schwerpunktsetzung: Sie spielte nämlich die beiden Kadenzen aus dem ersten und dritten Satz von Alfred Schnittke (1834-1998).
Bekanntlich hatte Beethoven die Kadenzen nicht ausgeschrieben, weil er diese Parts der Improvisationsintelligenz seiner Solisten überließ.
Lisa Batiashvili musste nach den vier berühmten Paukenschlägen, die hier eher wie zartes Anklopfen klangen (der Grund wird später deutlich) nahezu die gesamte Exposition des Orchesters warten, ehe sie ins musikalische Geschehen in einem lyrischen, poetischen Gespräch mit dem Orchester, einstieg. Mit wunderschönem klangvollen Strich, herrlichem Legato und perfekten Trillerpassagen zeigte sie nicht nur ihre technische Brillanz und spielerische Reife, sondern kommunizierte auch sichtbar mit dem sich sehr zurücknehmenden, aber souverän agierenden Dirigenten, Lahav Shani, wie auch mit den einzelnen Orchestermitgliedern, vor allem den Geigern, aber auch den Bläsern.
![]() |
| Lahav Shani (Rückenansicht), Lisa Batiashvili (Foto: Tibor-Florestan Pluto) |
Viel Romantik, wenig Klassik
Alles war absolut stimmig. Dennoch, ihr Geist ist eher der Romantik als der Klassik zugeneigt. Beethoven wurde hier doch sehr seines Kontrastreichtums, seiner klaren Strukturen und Rationalität entledigt und dafür mit viel Gefühl und Empfindung aufgeladen. Besonders auffällig ist in diesem Sinne das Larghetto des zweiten Satzes. Fast sphärisch, meditativ spielte sie diesen Part.
Eine große Kantilene zwar, aber der Geist des Gesangs entschwand denn doch sehr ins Kosmische, ja Esoterische. Kann man machen, aber es entspricht nicht gerade einem Beethoven, der dieses Werk als bürgerlicher Revolutionär in der aufgewühlten napoleonischen Zeit schrieb.
Das abschließende Rondo wiederum passte zur Solistin. Hier konnte sie ihre Spielfreude ausleben, dazu ihre Dialogfähigkeit, wie auch ihre technische Brillanz und vor allem auch ihre wunderbare Musikalität voll zur Geltung bringen.
Spannungsgeladene Kadenzen
Die Kadenzen, ja sie waren vor allem im ersten Allegro Satz wunderbar auf die Thematik abgestimmt. Höchst virtuos, überwiegend zweistimmig und kanonisch war die erste angelegt. Tatsächlich hätte sie auch von Beethoven selbst komponiert sein können.
Ganz anders dagegen die Kadenz im dritten Rondo Allegro Satz. Hier geht der solistische Part sehr bald ein Gespräch mit der Pauke ein, der von den Streichern fortgesetzt wird. Chromatische Steigerungen scheinen ein Gruppendisput bis an die Grenze zu treiben, bis dann das Tutti des Orchesters dem Treiben, und damit der Kadenz einen Schlusspunkt setzt. Spannungsgeladen findet dieser Satz, nach einer kurzen tiefen Atempause, ein triumphales Ende.
![]() |
| Lahav Shani, Münchner Philharmoniker (Foto: Tibor-Florestan Pluto) |
Prachtvoller Klang
Das Publikum ist zu recht begeistert. Lisa Batiashvili hat wieder einmal ihre Guarneri del Jesù von 1739 in ihrer ganzen Pracht zum Klingen gebracht. Ein herrliches Instrument in der Hand einer begnadeten Künstlerin, was will man mehr.
Ihre Zugabe gab sie gemeinsam mit dem Dirigenten Lahav Shani am Klavier (bekanntlich ist er zunächst als Pianist in die Öffentlichkeit getreten, eher er sich einen Namen als Dirigent gemacht hat). Ein Walzer "Liebesleid" von Fritz Kreisler sollte es sein. Ein bisschen Ironie und ein bisschen Tanz, bevor es in die lange Pause gehen sollte.
![]() |
| Lahav Shani, Lisa Batiashvili, Münchner Philharmoniker und Publikum (Foto: H.boscaiolo) |
Phänomenaler Krimi
Der zweite Teil des Konzertabends wurde mit Schuberts „Unvollendete(r)“ eingeleitet. Sie ist tatsächlich ein Phänomen und lässt viele Fragen offen. Warum hat sie Schubert nicht vollendet, obwohl ihm das bei seinen sechs Vorgängerinnen in teilweise kürzester Zeit gelang? Warum schreibt er sie in einer damals kaum spielbaren h-Moll Tonart? Fragen über Fragen, aber die Antworten fehlen bis heute.
Tatsächlich wird dieser vermeintliche Torso, nachdem er durch viele Sammlerhände gegangen war, erst vierzig Jahre nach dem Tod des Komponisten, nämlich am 17. Dezember 1865, im Redoutensaal der Wiener Hofburg uraufgeführt, und zwei Jahre später vom Wiener Musikverlag Carl und Anton Spina unerlaubterweise mit der Bezeichnung „Die Unvollendete“ versehen. Ebenso sei zu bemerken, dass sie ungeachtet dessen sofort zu einem Publikumsliebling wurde.
Warum das? Ganz einfach. Sie ist ein spannungsgeladener Krimi par excellence. Vergleichbar mit Beethovens Fünfter oder auch Mahlers ersten Sinfonien, was Dramatik, Kontrastreichtum, Stimmungswechsel, Gesanglichkeit und Exzentrik anbelangt.
![]() |
| Münchner Philharmoniker und Publikum (Foto: H.boscaiolo) |
Zu tiefst berührt
Bemerkenswert, dass Lahav Shani alles auswendig leitete, und das mit großer Umsicht, Vorausschau und klarer Gestik. Er liebt vor allem die leisen Töne, bis zum dreifachen piano, kann aber auch schmetternd die Wände des Konzertsaals zum Beben bringen.
Genau das trifft auch hier zu. Mal düster, voller Spannung, bedrohlich und geladen, wie in der Hauptsatz Thematik, dann wieder echt schubertisch, gesanglich, folkloristisch und hell wie im Seitenthema.
Auch der zweite Satz, genannt Andante con moto, in E-Dur gehalten, beginnt sanft, wie ein typisches Lied aus der Hand des Meisters, um dann abrupt, nahezu eruptiv auszubrechen. Auch hier fällt die filigrane Arbeit und die kontemplative Linie ins Ohr. Der Dirigent hört quasi in die Seele des Komponisten und lässt das Orchester tiefste Gedanken zum Ausdruck bringen.
Ein langes, langsames, leises, sehr leises Verklingen des Ganzen, das eine lange Atempause regelrecht erforderte, beendete das Werk. Man traute sich kaum zu klatschen, nicht wegen des Vortrags, der war makellos und einsame Klasse, sondern wegen der tiefen Berührung, die das Werk hervorrufen konnte.
![]() |
| Lahav Shani, Münchner Philharmoniker und Publikum (Foto: H.boscaiolo) |
Rauschhaftes Liebesdrama
Wagners Vorspiel und Isoldes Liebestod aus Tristan und Isolde passte perfekt zu Schuberts Unvollendeter. Auch es beginnt leise, schwebend mit dem berühmten Tristan Akkord. Auch sie ist mit Rätseln verknüpft, ein Liebesdrama, das durchaus auch reale Bezüge hat (Stichwort: Liebesbeziehung Richard Wagners zu Mathilde Wesendonck (1828-1902) und die Unmöglichkeit ihrer Realisierung).
Das Orchestervorspiel, schon wenige Jahre vor der Aufführung der „Opernhandlung“ geschrieben, beschreibt wie im Rausch das Liebesdrama, das unstillbare Sehnen nach Erfüllung in der Verschmelzung von Liebe und Tod.
Verschmelzung von Liebe und Tod
Das gut 25 Minuten dauernde Werk beginnt mit dem berühmten Tristan Akkord, leise, mit langen Pausen dazwischen, eine Akkordfolge, ohne Auflösung. Er gilt als Symbol der Sehnsucht und der Unstillbarkeit der Liebe, aber auch wegen seiner tonalen und harmonischen Undurchsichtigkeit als Beginn der Infragestellung der Tonalität in der Musik überhaupt. Wagner als Wegbereiter der Atonalität.
Dem Dirigenten Lahav Shani gelingt es vortrefflich, die unendliche Melodie in Wellen zwischen Seufzer und chromatischer Linienführung kompakt zu gestalten, und obwohl keine Auflösung in Sicht, dennoch den endlos sich steigernden Spannungsbogen aufrechtzuerhalten. Das ganze kulminiert in Isoldes Liebestod, dem zweiten- und Schlussabschnitt des Vorspiels.
Dieser Teil folgt dem Schlussmonolog Isoldes aus dem dritten Akt und beschreibt ekstatisch ihre Vereinigung mit Tristan und die Erfahrung des Liebestods als Erlösung aller irdischen Sehnsüchte. Der Liebestod als Verschmelzung von Liebe und Tod, das ist die Thematik des Schlussteils und führt das Publikum in die tiefenpsychologischen Bereiche von Sehnsucht, Verlangen und Transzendenz.
Fantastisch die Wellenbewegungen des Orchesters, wahnsinnig die harmonischen und dynamischen Extreme, sowie das tiefe musikalische Verständnis der Wagnerschen Absicht, sein Liebessehnen in Musik umzusetzen. Großes Lob an dieser Stelle für Lahav Shani und die Münchner Philharmoniker.
![]() |
| Lahav Shani (Website) |
Doppelmoral fällt auf den Moralisten zurück
Keine Zugabe, sie wäre auch deplatziert gewesen. Ob jetzt noch Lust auf Jazz im Foyer war, sei jedem selbst überlassen gewesen. Der Schreiber dieser Zeilen machte sich da lieber auf den Heimweg, ganz in der Musik des Konzertabends befangen.
Vielleicht an dieser Stelle zwei Bemerkungen.
Zunächst sollte man wissen, dass Lahav Shani, geboren in Tel Aviv und heute in Berlin lebend, als Israeli von den Pro-palästinensischen Anhängern angefeindet und bedroht, im belgischen Gent Auftrittsverbot bekam, wonach sich die halbe Welt zu recht aufregte (Wie kann man einen unbescholtenen Dirigenten und Künstler für die Kriegs-Politik seines Heimatlandes verantwortlich machen!?, so der Tenor der Kritik).
Aber, und das ist die Ironie der Geschichte, eben die Philharmoniker entließen ihren Chefdirigenten Valéry Gergiev im März 2022, weil er als unbescholtener Russe für den Ukraine Krieg mitverantwortlich gemacht wurde. Ja, zweierlei Maß rächt sich irgendwann einmal. Die Doppelmoral, das beweist die Geschichte, fällt irgendwann auf den Moralisten selbst zurück.
![]() |
| Lahav Shani, Münchner Philharmoniker und Publikum (Foto: H.boscaiolo) |
Kein Green Deal mit der Musik
Als Zweites sei an dieser Stelle noch erwähnenswert, das dieses Saison-Eröffnungskonzert von der MAINOVA AG gesponsert und mit einem Talk um 18.00 Uhr im Albert Mangelsdorff Foyer unter dem Motto Klima und Musik oder besser Green Deal und Kultur Werbung für die Energiewirtschaft machen wollte.
Ein voller Saal mit leider zu wenig Sitzgelegenheiten machte es für viele leider unmöglich, an dem Talk teilzunehmen. Auch mir, dem Schreiber dieser Zeilen. Aber eines sei doch festzuhalten:
Das Grußwort im Programm von Dr. Michael Maxelon, seines Zeichens Vorstandsvorsitzender der Mainova AG, kann in diesem Sinne zumindest mich nicht überzeugen.
Musik und Energiewirtschaft haben wenig miteinander zu tun, wenn überhaupt. Es sei denn, man biete den Akteuren geheizte Räume zu angemessenen Preisen an, schone die Umwelt, um das Leben lebenswert zu erhalten, oder unterstütze Künstler finanziell, die eine Unterstützung gebrauchen könnten.
Aber angesichts einer jetzt bereits gescheiterten, vor allem selbstverschuldeten Energiewende - ohne an dieser Stelle auf die fatalen Folgen einzugehen - scheint diese Green-Deal-Talkrunde doch eher als Feigenblatt zu dienen. Oder ist vielleicht doch kritisch diskutiert worden?









Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen